Discounter sind der Rettungsanker für die Einzelhandelsvermietung

Nach drei rückläufigen Quartalen bekommt der Vermietungsmarkt für Einzelhandelsimmobilien zum Halbjahr 2018 wieder Boden unter die Füße.

23. Juli 2018

FRANKFURT, 23. Juli 2018 – Nach drei rückläufigen Quartalen bekommt der Vermietungsmarkt für Einzelhandelsimmobilien zum Halbjahr 2018 wieder Boden unter die Füße. Der Gesamtumsatz von 239.000 m² aus 521 Abschlüssen lag nur noch knapp 7.000 m² unter dem Vorjahresergebnis. Treibende Kraft für diese Entwicklung waren vor allem internationale Konzepte aus dem Niedrigpreissegment, die in diesem Jahr besonders expansiv agieren und mehr als 161.000 m² anmieteten. Besonders heraus stach dabei die Kaufhauskette Woolworth mit zehn Abschlüssen, gefolgt von Kik (6) und Tk Maxx (4). Hinzu kommen der französische Sportartikelhändler Decathlon (4) sowie die niederländische Wohnbedarf-Kette Hema mit fünf Neueröffnungen.

Zugleich setzte sich der Trend aus dem ersten Quartal 2018 fort, wonach die Big 10 wieder stärker in den Fokus der Expansionsmanager rücken. Mit 40 % beziehungsweise 96.000 m² übertrafen sie den Vorjahreswert von 23 % und 56.600 m² deutlich. Berlin hat dabei seine Schwächephase überwunden und führt das Feld mit 17.600 m² wieder an. In der Hauptstadt waren vor allem Flächen in innerstädtischen Shopping-Centern gefragt.

Dirk Wichner, Head of Retail Leasing JLL Germany: „Viele Sparten, die traditionell große Flächen abgenommen haben, sind seit einigen Jahren eher zurückhaltend. Die Nachfrage übersteigt das Angebot nicht mehr um ein Vielfaches, was den Verhandlungsspielraum wieder erweitert und neue Optionen schafft. In diese Lücke stoßen jetzt vor allem finanzstarke Discount-Ketten, deren Geschäft über Fläche und Masse rentabel wird.“

Hinter der Hauptstadt folgen zwei Aufsteiger-Städte mit Köln und Leipzig. Die Domstadt verbucht zum Halbjahr mit 16.900 m² bereits mehr Flächenumsatz als im gesamten Vorjahr. Leipzig erreicht 14.700 m² und übertrifft den Vorjahreswert um ein Vielfaches. Im Verfolgerfeld verbessern sich nahezu alle Städte – wenn auch auf niedrigem Niveau. Einzige Ausnahmen sind nach sechs Monaten im Jahr 2018 Hamburg (7.900 m²) und Stuttgart (6.100 m²).

Gastronomie befeuert die Nachfrage nach mittleren Größen zwischen 250 und 1.000 m²

Bei den Flächengrößen haben die sonst dominanten kleinen Größen bis 250 m² Interesse eingebüßt und 3 Prozentpunkte auf 54 % Umsatzanteil verloren. Derweil legten die mittleren Kategorien 250 bis 500 m² und 500 bis 1.000 m² deutlich von 29 % auf 36 % zu. Hier dominierte der Gastronomiesektor mit 56 Abschlüssen, während sich die Textilbranche bislang entweder auf die kleinen Flächen bis 250 m² oder große Geschäfte mit mehr als 1.000 m² konzentriert. Bei den 58 Anmietungen im vierstelligen Quadratmeterbereich ging ein Drittel an Textilhändler – ausnahmslos internationale Konzepte.

Dennoch büßte der Textilhandel im Gesamtumsatz weiter Anteile ein und kommt nach 28 % im Vorjahr diesmal nur noch auf 26 %. Dahinter folgen Gastronomie mit stabilen 19 % und der wieder von 18 % auf 12 % zurückgegangene Bereich Gesundheit/Beauty. Derweil gewannen Heim-Haus-Wohnbedarf (9 %) und Sport/Outdoor (8 %).

In Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern sinken Spitzenmieten im Schnitt um 5 %

Die Spitzenmieten für Einzelhandelsflächen in den Big 10 blieben konstant – allein Hannovers Georgstraße gab um 5 Euro auf 185 Euro nach. Mehr Bewegung ist zu beobachten, wenn man die Entwicklung in allen 185 betrachteten Einzelhandelsstandorte vergleicht: Vor allem in den kleineren Städten unter 100.000 Einwohnern gingen die Mieten im Schnitt um 5 % zurück, in der nächstgrößeren Kategorie bis 250.000 Einwohnern immerhin noch um 3 %. In Großstädten mit 250.000 bis 500.000 Einwohnern belief sich der Rückgang bei der Spitzenmiete auf rund 2 %. Und auch in Städten mit mehr als einer halben Million Einwohnern sank trotz der Stabilität der Big 10 die Miete um 1 %.

„Hier zeigt sich, dass vor allem Kleinstädte mit dem Umbruch im stationären Handel zu kämpfen haben. Hier gilt es, günstigere Mieten für alternative und innovative Konzepte zu nutzen, um die Innenstädte für die Menschen attraktiv zu halten“, analysiert Dirk Wichner.

Erstmals ist in den Einzelhandelsmarktüberblick auch die von JLL entwickelte Verfügbarkeitsquote aufgenommen worden. Helge Scheunemann, Head of Research erklärt die Definition: „Eine Fläche gilt als verfügbar, wenn es sich um einen offensichtlichen Leerstand sowie noch nicht vermietete Projektentwicklungen oder Umbauten handelt. Ebenso ist eine Fläche verfügbar, wenn der derzeitige Mieter die Flächen ganz oder teilweise aufgeben möchte und hierfür einen Nachmieter sucht. Eine Fläche wird ferner als verfügbar eingestuft, wenn der Mietvertrag innerhalb der nächsten 1,5 Jahre ausläuft und noch kein Nachmieter feststeht oder der Eigentümer aktiv nach einem neuen Mieter sucht.“ 

Ausgewertet wurden für diese neue Kennziffer 2.250 Ladenlokale mit rund 2 Mio. m² Einzelhandelsfläche. Dabei wurde ermittelt, dass derzeit rund 8 % der Retailflächen (155.000 m²) dem Markt zur Verfügung stehen, mehr als die Hälfte der Flächen nutzt oder nutzte bislang die Bekleidungsbranche, was mit den sinkenden Neuanmietungsanteilen dieser Sparte korrespondiert.