Wirtschaftlicher Druck fragmentiert den Bürovermietungsmarkt
Flächenumsatz liegt zum Dreivierteljahr 2023 um 36 Prozent unter Vorjahresniveau
FRANKFURT, 4. Oktober 2023 – Die stärker um sich greifende konjunkturelle Schwächephase hat nun auch die Bürovermietungsmärkte voll erwischt. Sorgten bislang noch Nachholeffekte aus der Coronazeit und ein vor allem bei den Dienstleistern starker Arbeitsmarkt für eine gute Nachfrage, so sind diese treibenden Kräfte mit Ende des dritten Quartals erst einmal aufgebraucht. Insgesamt erzielt der Markt einen Dreivierteljahresumsatz von 1,8 Millionen m², was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in der Summe der sieben Immobilienhochburgen einem Rückgang von 36 Prozent entspricht. Gegenüber der Halbjahresbetrachtung hat sich der Zwölfmonatsvergleich nur marginal verbessert.
Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets: „Unter dem Druck der wirtschaftlichen Herausforderungen diversifiziert sich der Markt immer stärker, sodass drei unterschiedlich große Teile hervortreten: Der für Mieter zunehmend härter umkämpfte Markt der Topflächen in zentralen Lagen, die B-Standorte mit durchschnittlicher Qualität und wachsendem Leerstand sowie der große Teil dazwischen, in dem Unternehmen zeitgemäße, nachhaltige Büros mit guter Anbindung suchen, ohne dabei im Spitzenmietensegment mitbieten zu müssen. Denn die Mieten in den Topflächen werden weiter steigen, weil bis 2028 nur noch sehr wenige Neuentwicklungen auf den Markt kommen, was den Wettbewerb bereits jetzt anheizt. Vor allem große Firmen, die international tätig sind, können eine weiter steigende Spitzenmiete mitgehen, weil die deutschen Standorte im Vergleich zu anderen internationalen Zentren noch Luft nach oben haben. Das gilt aber längst nicht für alle Firmen, die auf der Suche nach neuen Flächen sind, sodass es nötig ist, den Markt so differenziert wie möglich zu beobachten und zu bewerten.“
Denn eines ist offensichtlich: Unternehmen haben damit begonnen, sich auf eine unruhige wirtschaftliche Phase einzurichten. Insbesondere 2022 war noch geprägt von einem Abbau der während der Coronapandemie verschobenen Umzüge. Das hat zu einer „Vermietungsinflation“ im vergangenen Jahr geführt. Kurz- und mittelfristig stehen nun aber wieder explizit geschäftsbestimmende Indikatoren im Fokus der strategischen Ausrichtung, weiß Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. „Dazu gehören neben Digitalisierung und ESG auch kostensenkende und umsatzerhöhende Maßnahmen. Auch das Werben um Talente bleibt sicherlich noch eine Weile oben auf der Agenda, die Bedeutung im Kontext einer unternehmerischen Gesamtperformance sinkt allerdings, was auch daran liegt, dass die Arbeitsmärkte sich etwas entspannt haben. Ebenso fallen Aspekte wie die Etablierung von hybriden und flexiblen Arbeitskonzepten in ihrer relativen Bedeutung zurück.“
Die Diskussion in den Unternehmensetagen über die Rückkehr ins Büro geht aber weiter, die Tonart wird dabei vor allem bei internationalen Unternehmen verbindlicher von „Ihr dürft zurück ins Büro“ hin zu „Ihr sollt zurück ins Büro.“ Hierzulande ergibt sich auf Basis einer aktuellen JLL-Umfrage eine „Return to Office-Rate“ in den sieben großen Märkten von 79 Prozent gegenüber der Zeit vor Corona. Überwiegend hat sich das 3:2-Modell mit drei Tagen im Büro festgesetzt. Wichtig ist dabei immer, dass auch vor der Pandemie die Büros nicht zu 100 Prozent an fünf Tagen der Woche gefüllt waren.
„Die strukturellen Veränderungen bleiben erhalten mit einem deutlichem Qualitätsfokus der Unternehmen bei gleichzeitig signifikant kleineren Neuanmietungen. Dafür greifen die Unternehmen in Bezug auf die Mietzahlungsbereitschaft tiefer in die Tasche, sodass die Spitzenmieten trotz schwacher Nachfrage und höherer Leerstände weiter ansteigen“, analysiert Scheunemann. Unter Druck bleiben dann ältere und vor allem unsanierte Flächen in nicht integrierten Lagen. Büros werden auch künftig im Zentrum der unternehmerischen Arbeitswelten stehen, sie werden aber kleiner sein als früher, dafür hochwertiger in der Ausstattung.
Heterogen zeigt sich das Umsatzergebnis der einzelnen Märkte. Während in Hamburg und München im dritten Quartal das jeweils niedrigste Quartalsergebnis des Jahres 2023 eingefahren wurde, zeigt sich ein konträres Bild in Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Köln, wo die Monate Juli bis September die jeweils umsatzstärksten des Jahres waren. So ergibt sich in der kumulierten Gesamtbetrachtung für die ersten drei Quartale 2023 im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum für jede der sieben Bürohochburgen ein Nachfragerückgang: Das Minus reicht dabei von 16 Prozent in Frankfurt bis zu 57 Prozent in Stuttgart.
Unsicherheiten über den Fortgang der Konjunktur bewegen die Unternehmen dazu, Vorsicht walten zu lassen. Das ifo-Beschäftigungsbarometer zeigt in seiner letzten Befragung den niedrigsten Stand seit Februar 2021. Einzig bei den Dienstleistern ergibt sich ein noch leicht positiver Saldo, gleichwohl liegt auch dieser auf dem niedrigsten Wert seit 2021. „Die Effekte spüren wir normalerweise erst nach rund drei Quartalen an den Vermietungsmärkten, daher bleiben wir für unsere 2023er Prognose noch moderat optimistisch und rechnen mit einem etwas nach unten korrigiertem Gesamtumsatz von rund 2,6 Millionen m², entsprechend dann einem Rückgang gegenüber 2022 von 27 Prozent“, blickt Scheunemann voraus.
Leerstand und Untermietflächen stabil – Neubauvolumen rückläufig
Sichtbares Zeichen eines sich abschwächenden und ausdifferenzierenden Marktes ist der Anstieg der Leerstände. „Die gute Nachricht ist, dass der oftmals als Krisenindikator herangezogene Teil der Untermietflächen auch im dritten Quartal stabil geblieben ist. Nach wie vor stehen rund 835.000 m² in der Statistik, das sind knapp 16 Prozent vom gesamten Leerstand“, vergleicht Miguel Rodriguez Thielen, seit Anfang Oktober Head of Office Leasing JLL Germany. Leicht angestiegen ist dagegen der „klassische“ Leerstand. Den Flächen suchenden Unternehmen stehen somit etwa 5,35 Millionen m² – entsprechend einer Quote von 5,5 Prozent – kurzfristig zur Verfügung. Dies ist ein Plus von 17 Prozent gegenüber 2022.
Physische Umzüge von Unternehmen in neue Flächen, für die Mietverträge Ende 2022 unterschrieben wurden, werden jetzt realisiert und zurück bleiben oftmals ältere, nicht mehr funktionale Flächen. Hier wird sich im Laufe der Zeit ein Leerstand aufbauen, dessen Nachvermietung immer schwieriger wird. „JLL geht davon aus, dass der Anteil der Vermietungen von Topflächen am gesamten Flächenumsatz bis 2025 auf 80 Prozent ansteigen wird. Der Handlungsdruck für Eigentümer zur Sanierung, Modernisierung oder auch zur Umnutzung nimmt also weiter zu“, sagt Rodriguez Thielen. Dabei gelte es im größeren Rahmen zu denken: „Vor allem die sogenannten Backoffice-Standorte an den Rändern der Metropolen werden es künftig immer schwerer haben, solvente Mieter langfristig zu binden. Hier reicht es deshalb nicht, einzelne Gebäude zu modernisieren, sondern diese Gebiete müssen eine umfassendere Transformation durchlaufen, indem sie sich zum Beispiel als Fachcluster positionieren, um einen Mehrwert durch die Bündelung von Kompetenzen zu generieren. Dabei kann es genauso um Technologie wie um Life Sciences/Healthcare oder Mobilität gehen.“ So könnten die oft reinen Bürostandorte Anziehungskraft zurückgewinnen.
Auf der anderen Seite verzeichnet JLL einen Rückgang des Neubauvolumens. Zum Ende des dritten Quartals wurden knapp 863.000 m² fertiggestellt, was einem Minus von mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Die Krise bei Projektentwicklern manifestiert sich nun nicht mehr nur im Wohnungsbau, auch bei Gewerbeimmobilien geht das Neubauvolumen stetig zurück. Vor allem die Finanzierung von spekulativen Büroprojekten bleibt angespannt, was auch durch ein gesunkenes Engagement der Banken deutlich wird. Für das letzte Quartal dieses Jahres befinden sich allerdings weitere 489.000 m² im Bau. „Die gute Nachricht ist, dass fast 70 Prozent dieser Flächen bereits belegt sind. Der Druck auf den Leerstand von der Neubauseite her bleibt also überschaubar“, sagt Rodriguez Thielen.
In Summe werden im Gesamtjahr 2023 ca. 1,3 Millionen m² neu auf den Markt gekommen sein, was mit mehr als 50 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres verbleibt. Für 2024 (zwei Millionen m²) und auch für 2025 (2,5 Millionen m²) werden aktuell deutlich höhere Volumina erwartet. Noch vor drei Monaten standen für diese beiden Jahre jedoch eine halbe Millionen Quadratmeter mehr in der Pipeline. Angesichts anhaltend hoher Baupreise und eines sich nur langsam aufhellenden Umfelds rechnet JLL auch in den folgenden Quartalen damit, dass Entwickler ihre Pläne entweder verschieben oder ganz aufgeben werden.
Spitzenmieten tendieren weiter nach oben – Mietanreize werden zunehmen
Weiter in nur eine Richtung entwickeln sich die Spitzenmieten im Topsegment. Auch mit Stand Ende September zeigte sich ein anhaltender Aufwärtstrend in allen Märkten. „Der JLL-Spitzenmietpreisindex zeigt nun einen Wert von 273,3. Er liegt damit weiterhin um knapp 14 Prozent über dem Vorjahreswert. In allen Städten beobachten wir im Jahresvergleich Mietpreissteigerungen, diese liegen zwischen 4,5 Prozent in Hamburg und Frankfurt und über 33 Prozent in Düsseldorf“, analysiert Scheunemann. Und auch in den vergangenen Monaten konnten immer mal wieder „Ausnahme-Abschlüsse“ jenseits der ausgewiesenen Spitzenmiete abgeschlossen werden. Bis Ende 2023 erwartet JLL weitere leichte Steigerungen, der Index sollte dann auf Gesamtjahressicht um 7,3 Prozent im Plus liegen.
Bei den Incentives gibt es aktuell noch keine Veränderung, diese werden aber künftig insbesondere für diejenigen Büros gewährt werden müssen, für die die Nachfrage seitens der Nutzer aufgrund der Lage und Ausstattung bereits zurückgegangen ist. Der Schwenk hin zu einem Mietermarkt in diesem Segment ist aktuell noch nicht bei allen Eigentümern angekommen, was sich aber zum Beispiel durch längere Leerstandszeiten ändern dürfte, wodurch sich die Mietanreize – umgerechnet in mietfreie Zeiten – zwischen fünf und 15 Prozent einpendeln werden. Und auch hier zeigt sich die Ausdifferenzierung des Marktes: „Konnte man noch vor wenigen Jahren pauschal von einem Vermietermarkt sprechen, so ist es jetzt durchaus möglich, dass in derselben Metropole ein Vermietermarkt im Zentrum und ein Mietermarkt an der Peripherie herrscht. Und die Kluft zwischen beiden wird eher wachsen als wieder zurückgehen“, ist sich Rodriguez Thielen sicher.
Über JLL
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