Arbeitskräftemangel und Automatisierung verändern Logistikbranche

Das Anwerben von Arbeitskräften ist in vielen europäischen Hotspots für Logistikimmobilien zur größten Herausforderung für Unternehmen der Branche geworden

09. August 2018

FRANKFURT, 09. August 2018 - Das Anwerben von Arbeitskräften ist in vielen europäischen Hotspots für Logistikimmobilien zur größten Herausforderung für Unternehmen der Branche geworden. Prognosen zufolge spitzt sich der Arbeitskräftemangel weiter zu. Laut Oxford Economics werden die großen Logistikmärkte Deutschland, Polen und Spanien bis 2031 einen deutlichen Rückgang ihrer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und folglich einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften zu verzeichnen haben.
 
Ein aktueller JLL-Report nähert sich vor diesem Hintergrund Fragen wie: Wie wird sich der Lagerbetrieb verändern? Welche neuen Anforderungen haben die Nutzer von Logistikimmobilien - heute und vor allem künftig? Wie verändert das die Logistikimmobilie? Und werden neue Standorte gefragt sein?
 
 
Langfristig steigt der Bedarf höher qualifizierter Arbeitskräfte
 
Nach einem europaweit aggregierten Rekordergebnis im vergangenen Jahr von 22,5 Mio. m² wird derzeit auch für 2018 ein Logistikflächenumsatz auf ähnlichem Niveau erwartet - möglicherweise mit einem noch höheren Volumen. Derzeit gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass die Nachfrage nach Lagermitarbeitern kurz- bis mittelfristig grundsätzlich rückläufig sein wird. Darüber hinaus führt der E-Commerce als Nachfragetreiber zu mehr Personalbedarf: Logistiker mit E-Fulfillment-Infrastrukturen arbeiten oft rund um die Uhr.
 
Mit dem sich abzeichnenden Vormarsch der Automatisierung werden sich allerdings die Aufgaben für Lagerarbeiter verändern. Der Bedarf an höher qualifizierten Arbeitskräften für die Überwachung, den Betrieb, die Wartung und die Reparatur der automatisierten Systeme wird steigen. Frank Weber, Head of Industrial Agency JLL Germany: „Nicht nur aufgrund der zunehmend fehlenden Arbeitskräfte sind Logistikdienstleister bestrebt, Investitionen in Automatisierung zu tätigen, um einen verlässlichen operativen Betrieb sicherzustellen. Höhere Effizienz, optimierte Arbeitszeitregelungen, verbesserte Pickqualität und nicht zu vergessen der steigende Arbeitskomfort sind weitere Aspekte, die verantwortlichen Logistikleitern den Schritt in ein neues Mensch-Maschine-Zeitalter erleichtern.“ Weber weiter: „An diesen Wandel sollten aber keine übertriebenen Erwartungen geknüpft werden. An den von uns besuchten Standorten ist die Anzahl der Personen, die derzeit für höher qualifizierte Aufgaben eingesetzt werden, mit rund 10 % relativ gering. Die höher qualifizierten Logistik-Arbeitsplätze, die durch zunehmende Automatisierung geschaffen werden, werden überwiegend außerhalb von Distributionslagern angesiedelt sein.“


 
Kein radikaler Wandel der Logistikimmobilien
 
Kurz- bis mittelfristig, also in den kommenden fünf Jahren, geht JLL von einer anhaltenden Nachfrage nach neuen Lagerflächen mit hohem Personalbedarf aus. Automatisierung und Roboter werden langfristig vor allem in Neubauten großer Unternehmen zunehmend zum Einsatz kommen. „Wir erwarten durch einen höheren Automatisierungsgrad und verstärkten Robotereinsatz zwar keine signifikanten Verlagerungen der wichtigsten europäischen Logistikstandorte, dafür aber Veränderungen bei der Bewertung von Objekten oder Mikro-Standorten“, so Alexandra Tornow, EMEA Industrial & Logistics Research. 
 

  • Automatisierung und Roboter sorgen für eine effizientere Nutzung der Fläche und des Rauminhalts: Lagerhallen werden in Bezug auf die Grundfläche kleiner, gleichzeitig aber höher als ihre Pendants mit manueller Bestellabwicklung.
     
  • Zwischengeschosse gewinnen bei der Unterstützung automatisierter Systeme und Roboter zunehmend an Bedeutung. Sie müssen höhere Lasten aufnehmen können als herkömmliche Anlagen. 
     
  • Die Spezifikationen der Hallenböden müssen verbessert werden, um höhere Flächen- und Punktbelastungen tragen zu können. Böden müssen für automatisierte Systeme so eben wie möglich sein.
     
  • Eine deutliche Verringerung des Personalbedarfs könnte weniger Gemeinschafts- und Büroräume sowie Parkplätze zur Folge haben.
     
  • Die strategischen Entscheidungen der Betreiber zu künftigen Logistikstandorten werden sich nicht wesentlich ändern. Sie orientieren sich in aller Regel vor allem am Kundenzugang, an der Verkehrsinfrastruktur und/oder der Nähe zu einem Paket-/Palettenverteilzentrum.
     
  • Die Einführung von autonomen LKWs sollte zu keinen grundlegenden Verlagerungen von Standorten oder Hotspots führen.
     
  • Personaltechnische Überlegungen bezüglich Verfügbarkeit und Kosten werden bei Entscheidungen über Mikrostandorte an Bedeutung verlieren. Standorte mit begrenzt verfügbaren Arbeitskräften und hohen Lohnkosten könnten für Lagerbetreiber wieder attraktiver werden.
     
  • Die Verfügbarkeit von Stromkapazität wird für Mikrostandorte zu einem entscheidenden Faktor avancieren.

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„Während durch Automatisierung und Einsatz von Robotern eine potenzielle Revolution der Logistikprozesse im Gange ist, wird sich der europäische Logistikmarkt - die Immobilie als solche sowie die Standorte - nur schrittweise verändern. Die für Betreiber, Entwickler und Investoren von Logistikimmobilien geläufigen Standards werden also keinem radikalen Wandel unterlegen sein“, so Frank Weber abschließend.