Stuttgarter Investmentmarkt schnuppert an neuer Bestmarke

Bürovermietungsmarkt hadert mit Leerstandsquote von 2,2 Prozent

16. Januar 2019

Stuttgart, 16. Januar 2019 – Nur um minimale drei Prozent hat der Stuttgarter Investmentmarkt im Jahr 2018 einen neuen historischen Bestwert verfehlt. 2,2 Mrd. Euro Transaktionsvolumen erzielte die Landeshauptstadt dank zweier außergewöhnlich großer Verkäufe. Inklusive der neuen JLL-Nutzungsklasse „Living“* summierte sich das Transaktionsvolumen auf insgesamt 2,5 Mrd. Euro.

Der Bürovermietungsmarkt hingegen büßte auf Jahressicht 15 Prozent Flächenumsatz ein und schloss das Jahr bei 215.000 m² ab. Ein Grund dafür ist der frappierende Produktmangel im Stuttgarter Markt: Binnen der vergangenen vier Quartale ging die Leerstandsquote nochmals von 2,7 Prozent auf 2,2 Prozent zurück – nach Berlin (2,0%) der niedrigste Wert unter den Big 7.

Investmentmarkt profitiert von Schlussquartal mit mehr als einer Milliarde Euro

Mehr als die Hälfte hat der Stuttgarter Investmentmarkt im Vergleich zum Vorjahr 2017 zugelegt, wofür vor allem das letzte Quartal des Jahres mit einem Volumen von 1,05 Mrd. Euro verantwortlich war. Ein so starkes Einzelquartal hatte es zuletzt vor zweieinhalb Jahren gegeben. Entsprechend deutlich wurden der Fünfjahresschnitt von 1,7 Mrd. Euro und erst recht der Zehnjahresschnitt von 1,1 Mrd. Euro übertroffen.

„Für Stuttgart war das ein außergewöhnliches Jahr. Zum dritten Mal binnen vier Jahren haben wir mehr als zwei Milliarden Euro erzielt. Trotzdem sollten wir uns nicht daran gewöhnen, denn es liegt deutlich über dem Stuttgarter Normalmaß, wie der Langzeitvergleich unterstreicht“, analysiert Alexander Veiel, Niederlassungsleiter JLL Stuttgart und Team Leader Office Investment.

Gleich vier Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich dominieren den Markt

Ein Grund für den erneuten Höhenflug sind vier Großtransaktionen im dreistelligen Millionenbereich, von denen der Allianz Campus mit 335 Mio. Euro das Feld anführt. Das Objekt wurde von Officefirst an Hines verkauft. Ebenso aufsehenerregend war die Transaktion eines Bürokomplexes in der Uhlandstraße für 220 Mio. Euro, bei dem ebenfalls Officefirst verkaufte – diesmal an die Commerz Real. „In Stuttgart ist jeder Abschluss mit mehr als 100 Mio. Euro etwas Besonderes. Dass es nun gleich vier sind, davon zwei deutlich im dreistelligen Bereich, ist auch für Stuttgart ein Sondereffekt, den man nicht jedes Jahr erwarten darf“, ordnet Veiel ein. Insgesamt stieg die Anzahl der Transaktionen von 65 auf 71.

Bei den Nutzungsarten der Immobilien, die 2018 gekauft wurden, zeigt sich in Stuttgart hinter den Büroinvestments (49%) ein relativ ausgeglichenes Bild. Mit Living, Einzelhandel und Logistik gibt es drei weitere Nutzungsarten mit einem zweistelligen Prozentanteil (12% bis 10%) am Transaktionsvolumen. „Vor allem bei Büro und Logistik ist die Nachfrage immens hoch. Meist mangelt es allerdings an Angebot, so dass sich der Wettbewerb beschleunigt. Wir sehen sehr kurze Prüfzeiten und ebenso vielfach verkürzte Exklusivität“, beschreibt Veiel, „wer eine Chance haben will, muss schnell entscheiden. Viele bringen deshalb mittlerweile gleich ihre Techniker zur Besichtigung mit, um das Verfahren zu beschleunigen.“

Investoren kauften 2018 verstärkt mit höherem Risiko ein

Zugleich ist das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Stuttgart aber so hoch, dass Investoren auch in andere Risikogruppen als Core gehen. So erreicht die risikoarme Kategorie Core nur noch 28 Prozent Marktanteil. Der geringste Wert seit 2013 und deutlich unter dem Fünfjahresschnitt von 53 Prozent. Core plus und Value Add bilden mit je 36 Prozent derweil eine Doppelspitze. Im vergangenen Jahr hatte Value Add nur sieben Prozent ausgemacht. „Hier sehen wir vor allem, dass Investoren in den kommenden Jahren von steigenden Mieten ausgehen“, sagt Veiel.

Derweil sind 39 Prozent Ausländeranteil auf Käuferseite der niedrigste Wert seit 2015 – er liegt damit aber fast im Schnitt der Big 7 und auch fast im eigenen 5J-Schnitt (beide 40%). Auf Verkäuferseite lag der Anteil 2018 aber auch nur bei 37 Prozent. Entsprechend halten sich per Saldo Käufe und Verkäufe fast die Waage. In keiner anderen Stadt unter den Big 7 ist die Bilanz der ausländischen Investoren ausgeglichener. „Wir sehen zunehmend neue Akteure auf dem Stuttgarter Investmentmarkt, aber zum Zug kommen derzeit noch meist die etablierten Investoren“, stellt Veiel fest.

Stuttgarter Büro-Spitzenrendite verliert 50 Basispunkte binnen eines Jahres

Auf Käuferseite besonders aktiv waren Asset/Fonds Manager (42%), Entwickler (10%), Spezialfonds (10%), aber auch Versicherungen (9%), während sich auf Verkäuferseite Asset/Fonds Manager (32%) und Entwickler (29%) ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Keine andere Verkäufergruppe kommt auf einen zweistelligen Anteil.

„Bei dieser Marktlage sind die Faktoren weiter gestiegen und die Renditen entsprechend unter Druck geraten. Mittlerweile liegen wir bei 3,0 Prozent Büro-Spitzenrendite – nur hinter Berlin mit 2,9 Prozent und gleichauf mit Hamburg“, vergleicht Alexander Veiel. Binnen eines Jahres hat Stuttgart 50 Basispunkte abgegeben.

Bürovermietungsmarkt schrumpft deutlich unter den Fünfjahresschnitt

Mit deutlich mehr Herausforderungen hatte hingegen der Stuttgarter Bürovermietungsmarkt im abgelaufenen Jahr zu kämpfen. Mit nur 215.000 m² lag das Ergebnis 27 Prozent unter dem Fünf- und 13 Prozent unter dem Zehnjahresschnitt. „Der Flächenmangel hat sich bereits über Jahre angekündigt und wirkt sich nun auch offen sichtbar in der Jahresbilanz aus“, ordnet Sebastian Treier, Team Leader Office Leasing JLL Stuttgart, das Ergebnis ein.

Ähnlich verhält es sich bei der Anzahl der Anmietungen: 220 im Jahr 2018 lagen 15 Prozent unter dem Wert des Vorjahres und 26 Prozent unter dem Fünfjahresschnitt. Der Durchschnitt der vergangenen Dekade wurde um mehr als ein Fünftel unterschritten. Verglichen mit dem Rekordjahr 2016 hat sich der Markt fast halbiert.

Ohne die 89.000 m² im ersten Quartal hätte das Jahr noch blasser ausgesehen – hier gaben 50.000 m² von Eigennutzer Bosch in Feuerbach den Ausschlag. Doch schon das zweite Quartal war mit 29.000 m² das zweitschwächste Einzelquartal der vergangenen zehn Jahre. „Ohne Optionen und Produkt im Markt werden wir hier keine schnelle Trendwende sehen, sodass wir für dieses Jahr von einem Flächenumsatz von rund 210.000 m² ausgehen“, blickt Treier auf das laufende Jahr.

Feuerbach setzt sich durch Eigennutzerabschluss vor die City

Der Eigennutzer-Abschluss katapultiert Feuerbach mit knapp 58.000 m² an die Spitze der dynamischsten Teilmärkte. Dahinter folgen die City mit 48.000 m² und Vaihingen-Möhringen mit 31.000 m² Flächenumsatz. Rückgänge im Vergleich zum Vorjahr mussten unterdessen die Teilmärkte Weilimdorf (15.000 m²/-34%), Leinfelden-Echterdingen (13.000 m²/-78%) und Fasanenhof (7.000 m²/-68%) hinnehmen. „Das ist aber nur ein Zwischentief. Künftig entscheidet vor allem die infrastrukturelle Anbindung über die Attraktivität des Teilmarktes. Wenn der neue Bahnhof am Flughafen in Betrieb genommen wird, werden die umliegenden Standorte, vor allem der Fasanenhof, nochmals einen Schub erleben“, ist sich Treier sicher.

Traditionell bescherte die Industrie im Branchenvergleich mit 77.500 m² den Löwenanteil. Unternehmensbezogene Dienstleister kamen mit den meisten Abschlüssen, nämlich 52 und insgesamt 33.000 m² auf den zweiten Rang. „Ein zunehmend wichtiger Akteur, auch in den Randlagen, ist mittlerweile die öffentliche Verwaltung, die damit auch die Chance wahrnimmt, selbst zu gestalten und Teilmärkte zu fördern“, erklärt Treier. „So profitieren alle: Die Teilmärkte, Stadt und Land und die Arbeitnehmer, weil sie nicht zwingend in die Innenstadt müssen.“

Entwickler richten ihren Blick auf das Quartier Neckarpark in Bad Cannstatt

Im abgelaufenen Jahr wurden insgesamt 75.000 m² fertiggestellt – alles im zweiten Halbjahr. Allerdings waren bei Fertigstellung nur noch neun Prozent der Fläche frei verfügbar. Im Vorjahr hatten die fertiggestellten Büroflächen noch mehr als 100.000 m² betragen und auch der Fünfjahresschnitt liegt 16 Prozent höher. Insgesamt sind derzeit 366.000 m² in Stuttgart im Bau, davon das meiste mit 108.000 m² in Vaihingen-Möhringen und Feuerbach (93.000 m²). „Perspektivisch wird aber vor allem Bad Cannstatt mit dem Quartier Neckarpark eine wichtige Rolle spielen. Aktuell sind in der Nähe des Fußballstadions knapp 40.000 m² im Bau. Und es wird noch deutlich mehr werden“, gibt Treier einen Ausblick.

Die mittlerweile einige Quartale anhaltende Dürre auf dem Angebotsmarkt macht sich nun bei den Mietpreisen bemerkbar. Um immerhin einen Euro zog die Bürospitzenmiete binnen eines Jahres auf 23,50 Euro an. „Bis zum Ende des Jahres wird sie um einen weiteren Euro steigen“, erwartet Treier. Die gewichtete Durchschnittsmiete ist derweil von 13,60 Euro auf 14,10 Euro gestiegen.

 

*Redaktionelle Anmerkung:

JLL Research hat mit Jahresbeginn 2019 seine Investmentstatistik modifiziert: das Transaktionsvolumen beinhaltet nun neben dem gewerblichen Transaktionsvolumen auch die neue Kategorie „Living“, die Mehrfamilienhäuser und Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten Appartementhäuser, Studentenwohnen, Senioren/Pflegeimmobilien und Kliniken umfasst (die beiden letzteren waren bis dato im gewerblichen Transaktionsvolumen inkludiert). Um eine Vergleichbarkeit zu den Ergebnissen in der Vergangenheit zu gewährleisten, sind zwei Gesamtsummen ausgewiesen. In den Detailberechnungen dann nur jeweils eine Bezugsgröße: Transaktionsvolumen gewerblich inklusive Living.