Trotz Stabilisierung bestimmt weiter Zögern den Stuttgarter Büroimmobilienmarkt

Nutzer und Investoren beobachten vorsichtig die wirtschaftliche Entwicklung

12. Januar 2021

STUTTGART, 12. Januar 2021 – Nach einem sehr schwachen dritten Quartal konnte sich der Stuttgarter Bürovermietungsmarkt zum Jahresende wieder fangen, der Flächenumsatz hat sich in Q4 2020 sogar mehr als verdoppelt. Dennoch bleibt dieses Ergebnis ein Drittel hinter dem Vorjahresquartal zurück und beschert dem Gesamtjahr einen mäßigen Flächenumsatz von 140.700 m2. Weniger deutlich fiel die Erholung zum Jahresende auf dem Investmentmarkt für Immobilien aus. Insgesamt schloss das Transaktionsjahr mit magerem Volumen von 1,02 Mrd. Euro ab.

Für Georg Charlier, Niederlassungsleiter JLL Stuttgart, sind diese Zahlen vor allem Ausdruck einer abwartenden Haltung: „Fast alle Unternehmen sind in der ein oder anderen Form von der Pandemie betroffen. Dennoch kann man nicht von einem durchgehenden tiefen Pessimismus sprechen – vielmehr bestimmt große Unsicherheit den Markt. Unternehmen zögern Entscheidungen hinaus, sind vielfach aber auch zum Handeln gezwungen, wenn es um Standort- oder Flächenentscheidungen geht. Es gibt also weiterhin Nachfrage, allerdings wird vielerorts versucht, große Veränderungen aufzuschieben, etwa über das Instrument einer kurzfristigen Mietvertragsverlängerung.“

Talsohle scheint durchschritten

Den großen Corona-Einbruch jedenfalls scheint der Stuttgarter Bürovermietungsmarkt erst einmal durchschritten zu haben. Nach einem schwachen ersten Quartal mit einem Flächenumsatz von 33.100 m2 und einer spürbaren Verbesserung in Q2 mit 45.700 m2 markierte der Zeitraum von Juli bis September den Tiefpunkt mit knapp 20.000 m2. Deutlich aufwärts ging es dagegen in Q4 mit 41.500 m2. Dennoch lassen sich die tiefen Spuren der Pandemie nicht leugnen: Insgesamt fiel der Flächenumsatz um 56 Prozent gegenüber Vorjahr.

Dabei kam die größte Vermietungstransaktion des Jahres im schwächsten zweiten Quartal zustande: 14.500 m2 Fläche im Teilmarkt Cannstatt an einen Vertreter der öffentlichen Hand, die sich damit als krisenfester Akteur auch in schwierigen Zeiten erwies. Dieser Deal war zudem die einzige Vermietung in der Größenordnung von mehr als 10.000 m2 im gesamten Jahr. Im vierten Quartal stabilisierten allerdings drei mittelgroße Abschlüsse in Weilimdorf, Feuerbach und Unter-Obertürkheim/Wangen-Hedelfingen das Marktergebnis. Auch hier war die öffentliche Verwaltung maßgeblich vertreten, die im Gesamtjahr rund ein Viertel der Flächenaufnahme bestimmte. Branchenbezogen mieteten nur Betriebe der Unternehmensbezogenen Dienstleistungen mehr Fläche in Stuttgart an.

„Die Öffentliche Verwaltung hat den Stuttgarter Büromarkt im Krisenjahr ausgesprochen gestützt, vor allem mit der Anmietung vergleichsweise großer Flächen. Bei der Anzahl der Abschlüsse erreichte das Segment nur rund 6 Prozent, schloss aber mit dem zweitgrößten Gesamtflächenvolumen von über 36.000 m2 ab“, so Charlier.

Betrachtet nach Teilmärkten konzentrierte sich das Vermietungsgeschehen mit 29.300 m2 Flächenumsatz vor allem in der attraktiven City-Lage, rund ein Fünftel des Gesamtvolumens der Stadt. Ebenfalls stark waren die Teilmärkte Bad Canstatt mit rund 18 – befeuert durch den genannten Großdeal des Jahres - und Vaihingen-Möhringen mit knapp 15 Prozent. Letzterer Teilmarkt, der sich in den vergangenen Jahren stetig in die Spitzenpositionen vorgearbeitet hatte, konnte anteilig sogar noch einmal gewinnen.

Leerstandsquote bleibt niedrig

Vor allem kleinere Flächen wurden 2020 angemietet, insgesamt gab es 103 Abschlüsse in der Größenkategorie unter 500 m2, mit einem Gesamtumsatz von 26.300 m2. Das entspricht fast 63 Prozent der neu vermieteten Flächen, noch einmal 4 Prozent mehr als im Vorjahr. „Dass gerade die ohnehin schon stark vertretenen kleineren Deals noch einmal anteilsmäßig zulegen, bestätigt unsere Einschätzung einer insgesamt zögerlich agierenden Wirtschaft. Sehr gewichtige Entscheidungen bei den Anmietungen werden nach Möglichkeit verschoben. Hinzu kommt natürlich das traditionell eingeschränkte Flächenangebot, das schon in der jüngeren Vergangenheit immer wieder dazu geführt hat, dass der regionale Vermietungsmarkt unter seinem Potenzial blieb - gerade was große, zusammenhängende Büroflächen angeht“, so die Einschätzung Charliers.

Selbst der pandemiebedingte Konjunktureinbruch hat entsprechend nicht zu einem Überangebot von Büroflächen geführt. Tatsächlich hat sich die Leerstandsquote über das Krisenjahr kaum merklich verändert und erreichte im vierten Quartal mit 2,1 Prozent sogar einen niedrigeren Wert als der Vorjahresvergleichswert von 2,3 Prozent. „Im kommenden Jahr wird hier natürlich alles davon abhängen, wie rasch die Pandemie und deren wirtschaftlichen Auswirkungen zurückgedrängt werden können. Wie überall hoffen die Marktakteure auf eine Aufhellung spätestens zur Jahresmitte durch die angelaufenen Impfaktivitäten. Sollte es allerdings weiterhin bei der konjunkturellen Eintrübung bleiben, könnten Insolvenzen und Einsparmaßnahmen natürlich zu einem spürbaren Anstieg der Leerstände auf über 3 Prozent führen“, gibt Charlier zu bedenken.

Dem entgegen wirken allerdings die immer noch nicht abgebauten Angebotsrückstände der Stadt. Bei den Fertigstellungen schnitt das abgelaufene Jahr mit 34.300 m2 Fläche 63 Prozent unter 2019 ab – und davon belief sich der Anteil der Flächen, die noch verfügbar in den Markt kamen, auf nicht einmal 6.000 m². Zwar wird für 2021 ein ordentliches Plus beim Fertigstellungsvolumen erwartet, doch von den rund 250.000 m2 Bürofläche, die in den Markt kommen sollen, ist aktuell nicht einmal mehr ein Zehntel verfügbar. Ein Übermaß an Optionen für Büromieter, gerade was attraktive Lagen angeht, wird es also auch 2021 nicht in Stuttgart geben.

So zeigen auch die Mietpreise bisher keine Schwäche, sie stiegen ausgehend vom Jahresende 2019 sogar noch an. In Q4 2020 lag die Spitzenmiete so bei 25,50 Euro/m2 – und damit ein Euro über dem Vorjahresvergleich. Die gewichtete Durchschnittsmiete erreichte einen Wert von 16,49 Euro/m2, ausgehend von 16,31 Euro zum Jahresende 2019. „Gerade bei der Spitzenmiete gehen wir davon aus, dass die Kurve weiter nach oben zeigen wird. Selbst bei einer nennenswerten Zunahme der Leerstände bleiben die Top-Lagen weiterhin ein stark nachgefragter Markt, der die Nachfrage einfach nicht vollständig bedienen kann. Ein Anstieg auf 26,50 Euro/m2 zum Jahresende erscheint durchaus realistisch.“, erwartet Charlier.

Sicherheitsbestreben bestimmt den Investmentmarkt

Auf dem Transaktionsmarkt gab es mäßig positive Signale im vierten Quartal. Während Q3 den Tiefpunkt mit 0,17 Mrd. Euro bei den Gewerbeimmobilien inklusive Living markierte, zog die Kurve in Q4 auf 0,22 Mrd. Euro an – deutlich noch unter Q2 und weit hinter dem Jahresanfang mit Transaktionen in Höhe von 0,37 Mrd. Euro.

„Die Investoren agieren im Stuttgarter Investmentmarkt weiterhin höchst vorsichtig. Neben der Corona-Krise bestimmt auch die Unsicherheit bezüglich der Transformation der Automobilindustrie das Käuferverhalten. Man schaut sehr genau hin bei den Risiken. Value Add und opportunistische Investitionen spielen derzeit eine eher untergeordnete Rolle in Stuttgart, alles drängt in die sicheren Risikoklassen: So entfiel auf Core und Core Plus 92 Prozent des Transaktionsvolumens. Doch solche Objekte stehen eben nicht unbegrenzt zur Verfügung, was das Investmentgeschäft ausbremst“, beschreibt Charlier die Lage am Stuttgarter Transaktionsmarkt.

Betrachtet nach Assetklassen waren 2020 die Büroimmobilien mit gewaltigem Abstand die gefragtesten Objekte: 75 Prozent des Transaktionsvolumens kam im Office-Bereich zustande, insgesamt 0,77 Mrd. Euro. Allein drei Bürotransaktionen lagen über der 100-Mio.-Euro-Marke Zweistellige Prozentanteile gab es sonst nur bei den Living-Immobilien mit 10 Prozent. Der Einzelhandel fand auf dem Transaktionsmarkt so gut wie nicht statt und besonders hart traf es die Assetklasse Hotel, die mit 0,02 Mrd. Euro nur knapp ein Zehntel des Transaktionsvolumens aus dem Vorjahr verbuchen konnte.

Trotz allem bleibt der Nachfragedruck bestehen im Stuttgarter Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien. Der Produktmangel, der sich in den vergangenen Jahren aufgestaut hat, löst sich auch im Krisenjahr nicht auf. Der Run auf die Core-Lagen drückt dabei weiter auf die Rendite: So sank die Büro-Spitzenrendite auf historisch niedrige 2,85 Prozent. Bis zum vierten Quartal des aktuellen Jahres könnte sie sogar 2,75 Prozent erreichen.

Wirtschaftsstandort Stuttgart muss seine Stärken besser kommunizieren

Was bringt das neue Jahr für den Immobilienstandort Stuttgart, markiert Q4 2020 eine zaghafte Trendwende? „Wenn etwas die Akteure auf dem hiesigen Immobilienmarkt umtreibt, dann ist es die Vorsicht. Büronutzer schieben schwerwiegende Mietentscheidungen auf, Investoren beobachten höchst aufmerksam die Entwicklung des Stuttgarter Wirtschaftsraums. Wie es weitergeht, hängt nicht nur vom Zurückdrängen der Pandemie ab, sondern auch davon, wie sich die Landeshauptstadt wirtschaftlich darstellt. Alle schauen auf die Zukunft des Verbrennungsmotors und vergessen dabei, dass der Großraum Stuttgart ökonomisch vielfältig aufgestellt ist und technologisch in vielen Bereichen ganz vorne mitspielen kann. Der Stadt und der Region insgesamt muss es endlich gelingen, diese Stärken auch zu kommunizieren. Das würde das Vertrauen in den Markt stabilisieren“, so Charlier.

Im ersten Quartal erwartet Charlier eher geringe Erholungseffekte auf dem Investmentmarkt, eher schwach sei das Pitch-Geschehen zum Ende des Vorjahres gewesen. Dennoch befinden sich einige große Transaktionen in Vorbereitung, welche bei erfolgreicher Umsetzung dem Stuttgart Markt auch in 2021 ein solides Transaktionsvolumen bescheren könnten. Dies spricht für die Liquidität des Marktes. Für den Bürovermietungsmarkt erscheint im laufenden Jahr eine Stabilisierung auf 200.000 m2 Flächenumsatz erreichbar.

 

[1] Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte Immobilien sowie die Asset-Klasse Living


Über JLL

JLL (NYSE: JLL) ist ein führendes Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich. JLL gestaltet die Immobilien-Zukunft im Sinne der Nachhaltigkeit und nutzt dabei fortschrittliche Technologien, um Kunden, Mitarbeitern und Partnern werthaltige Chancen, nachhaltige Lösungen und eine zeitgemäße Arbeitsplatzgestaltung zu bieten. Das „Fortune 500“ Unternehmen mit einem Jahresumsatz 2019 von 18 Mrd. USD ist Ende September 2020 in über 80 Ländern mit weltweit über 92.000 Beschäftigten tätig. JLL ist der Markenname und ein eingetragenes Markenzeichen von Jones Lang LaSalle Incorporated. Weitere Informationen finden Sie unter http://jll.de