„Asset Turnaround“ - Repositionierung mit Qualität, Service und Kreativität
Leerstand, Finanzierungskosten und verschärfte Nachhaltigkeitskriterien drängen in die Jahre gekommene Objekte ins Abseits. Doch wer jetzt die richtigen Entscheidungen trifft, kann den Totalverlust verhindern und über eine Repositionierung sogar noch Wertgewinne erzielen.
Lange galt: Der einzige Fehler, den man bei Immobilien machen kann, ist nicht investiert zu sein. Doch durch Zinswende, Inflation, Krieg und gestiegene Energiekosten sowie verändertes Nutzerverhalten aufgrund hybrider Arbeitsweisen geraten mittlerweile auch die Bestandshalter unter Druck. Alle eint die Furcht davor, auf einem nicht mehr marktgängigen Objekt zu sitzen, das große Investitionen erfordert und zugleich drastische Finanzierungskosten auflädt. Einem „stranded Asset“. Doch es gibt Wege aus dieser Falle. Das einfache, allumfassende Geheimrezept für die Repositionierung gibt es zwar nicht, aber viele gute Beispiele, wie die JLL-Diskussionsrunde „Asset Turnaround“ auf der EXPO REAL zeigte. Im Fokus: Service, Qualität und der Mut, alte Denkmuster über Bord zu werfen.
Hierbei beginnt die Lösung mit der klaren Definition, was ein „stranded Asset“ eigentlich ist. Für Stephan Leimbach, Head of Office Investment JLL Germany, gibt es zwei Gründe, warum eine Immobilie bildlich gesprochen auf Grund laufen kann: „Entweder das Objekt funktioniert als solches nicht mehr wie geplant und wird nutzerseitig nicht mehr angenommen, weil zum Beispiel die Qualität fehlt, oder das Objekt kann die Vorgaben neuer Regulatorik nicht mehr erfüllen.“
Stefan Wolter, Head of Global Real Estate Management bei ThyssenKrupp, kennt die Situation selbst genau. Noch vor wenigen Jahren war die neue Konzernzentrale des Traditionsunternehmens der Stolz Essens. Dann baute der Konzern drastisch Stellen ab und das Symbol der Stärke wurde zum Leerstandsklotz am Bein. Wolter machte, was früher undenkbar schien und holte andere Großunternehmen wie Siemens und EON als Mieter ins Thyssenkrupp-Quartier. Die Konsequenz: Da weder Siemens noch EON ThyssenKrupp im Briefkopf stehen haben möchten, steht eine Namensänderung zu „Ruhr Tech Kampus Essen“ an.
Damit Core auch Core bleiben kann
Mit den Zinsen steigt auch der Bedarf an Immobilienexpertise. Denn nun müssen Eigentümer wieder etwas dafür tun, dass der Wert ihrer Immobilie wächst oder zumindest konstant bleibt. Die Lösung: Strategisches Assetmanagement, das mehr als die reine Umsetzung im Blick hat.
Auch baulich müssen Bürogebäude mittlerweile mehr bieten, um für die Mitarbeiter wieder ein attraktiver Ort der gemeinsamen Zusammenarbeit zu sein, als reine Fläche und eine gewisse Deckenhöhe. Stephan Leimbach setzt auf Dachterrassen und hochwertigen Kaffee, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro zu locken: „Das mag auf den ersten Blick banal wirken, unterstreicht aber den kommunikativen Charakter des Büros.“ Und Johannes Miethke, Head of Real Estate Asset Management Germany bei Barings, gibt das klare Ziel aus: „Das Büro muss in vieler Hinsicht bequemer als das Homeoffice sein, damit die Menschen gerne im Büro sind. Dazu gehören gute Serviceangebote im Gebäude, die den Nutzern Mehrwert bieten.“
Fakt ist, dass Repositionierung nicht über Nacht möglich ist: „Das Thema wird uns die kommenden 20 Jahre und darüber hinaus beschäftigen“, erwartet Dunja Nigrin, Head of Project & Development Services DACH bei JLL. Sie richtet den Spot auf ökonomische und ökologische Sparpotenziale durch LED-Beleuchtung, Präsenzmelder und Regenauffangsystem für die Bewässerung. Hier seien die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft – allein durch Bewegungsmelder ließen sich in einer Tiefgarage mehrere Zehntausend Euro an Beleuchtungskosten jährlich sparen. Doch Pauschallösungen seien kaum möglich, weil jedes Objekt individuelle Herausforderungen habe und damit individuelle Lösungen erfordere.
Konsens herrscht derweil in der von Martina Williams, Head of JLL Work Dynamics DACH and CEE, moderierten Runde, dass das Büro weiterhin das Zentrum der Arbeit sei und die Gleichung gelte: „Je digitaler die Welt wird, desto wertvoller ist der analoge Austausch. Denn Arbeit wird heute mehr denn je durch das richtige Zusammenspiel von Technologie, Raum und Services vereinfacht. Ein gut funktionierendes Büro bildet dies entsprechend ab“, sagt Williams.
Einig sind sich die Teilnehmer aber auch darin, dass sich nicht alle Immobilien repositionieren lassen und am Ende ein Restbestand bleiben wird, für den andere Lösungen nötig sind. Doch hier zeigt sich bereits der ökologische Paradigmenwechsel der vergangenen Jahre: Die Debatte um graue Energie, Kreislaufwirtschaft und Emissionen – nicht erst beim Betrieb der Immobilie – ist mittlerweile so präsent und wichtig, dass der Bestand eine neue Wertigkeit erfährt und erst alle Optionen im Bestandsgebäude beziehungsweise dessen Grundgerüst ausgereizt werden, bevor über Abriss und Neubau nachgedacht wird.