Auf dem Weg zur Demand Chain – Wie Big Data die Logistik verändert
Big Data und Smart Data haben das Zeug, die Supply Chain zu revolutionieren. Logistikimmobilien werden sich diesem Trend anpassen müssen.
Globalisierung, technologische Innovation, aber auch unser Einkaufsverhalten haben die Logistik längst zu einem hochkomplexen Feld werden lassen. Und zwar so sehr, dass der Traditionsbegriff Supply Chain die vielfältigen Vernetzungen kaum noch passend beschreibt. Wer heute für die Koordination von Waren- und Materiallieferungen zuständig ist, der muss sich mit unzähligen Variablen aus allen Ecken der Welt beschäftigen. Und wo immer große Komplexität eine Rolle spielt, dort gibt es auch große Chancen für datengetriebene Prozesse und Modelle.
Das große Unbekannte in der Supply Chain ist und bleibt der Endkunde. Dessen Nachfrage bestimmt letztlich Umfang und Geschwindigkeit der Warenströme. Und das selbst im B2B-Bereich: Während beispielsweise Industrieunternehmen noch vergleichsweise genaue Schätzungen der Bedarfe zwischen Zulieferern und höheren Tiern vornehmen können, gibt es auch in dieser Kette am Ende irgendeinen Verbraucher, der ein fertiges Produkt abnehmen soll. Und über dessen Verhalten lässt sich eben nur bis zu einer gewissen Genauigkeit mutmaßen. Doch je mehr Parameter in einem Datenmodell referenziert werden können, desto berechenbarer wird auch das kollektive Kundenverhalten.
Kundenverhalten in komplexen Beziehungen erfassen
Natürlich ist das im Prinzip nichts Neues, schaut man sich zum Beispiel den Einzelhandel an. Hier gibt es klare Beziehungen zwischen Kaufverhalten und äußeren Bedingungen, die schon lange vor dem Computerzeitalter vorhersehbar waren: Geht es auf den Sommer zu, wird sehr wahrscheinlich die Nachfrage nach Getränken steigen. Naht der Herbst, dann werden Kunden eher die wärmere Kleidung im Sortiment wählen. Alles kein Hexenwerk – doch Smart Data erlaubt, unzählige, höchst komplexe Beziehungen herzustellen und Vorhersagen über die benötigten Lagerbestände zu treffen, die so in der Vergangenheit unmöglich waren.
Digitale Transformation der Logistikfläche
Logistikflächen verändern sich in diesem Umfeld. Das Konzept des Lagerhauses, also eine Immobilie, in die für längere Zeit Waren und Teile eingebracht werden, verschwindet mehr und mehr zugunsten von Distributions- und Umschlagsplätzen. Um das zu leisten, ist eine erhebliche Technisierung notwendig. Die digitale Transformation fordert auch den Logistikflächen ab, „smart“ zu werden: Bestände selbstständig in Echtzeit erfassen und ihrer weiteren Bestimmung zuführen, das sind die Herausforderungen an die Lagerhäuser von morgen. Das geht einher mit umfassender Automatisierung durch Roboter und fahrerlose Transportsysteme.
Mehr Flächen mit höherer Frequenz
All das trägt dazu bei, die Durchlaufzeiten erheblich zu verkürzen. Wird man in Zukunft also weniger Fläche benötigen? Ganz und gar nicht, davon ist Frank Weber, JLL Head of Industrial Agency, überzeugt: „Der auffälligste Treiber für die Supply Chain ist nach wie vor der Online-Handel und hier stehen die Zeichen weiter stabil auf Expansion.“ Der Bedarf an Fullfillment-Centern in immer größeren Dimensionen wächst also. „Es stehen bereits Gebäude mit einer Fläche von 200.000 qm auf der Wunschliste“, erklärt Weber. Hinzu kommt ein immer dichteres Netz aus unzähligen Umschlagzentren, damit die Kunden bis zur letzten Meile bedient werden können. „Same Day-, sogar Same Hour-Delivery, die Ansprüche an die Supply Chain haben in den vergangenen Jahren ganz erheblich angezogen.“ Und gefragt ist Logistikfläche nicht zuletzt dort, wo sie am schwierigsten zu bekommen ist: In der Nähe von oder sogar in den urbanen Zentren.
Bauflächenmangel erfordert neue Logistikkonzepte
Wie also regiert man auf den Mangel an verfügbaren Grundstücksflächen? Zum einen versuchen sich auch hierzulande erste Entwickler an vollwertigen mehrgeschossigen Logistikgebäuden. Sie verfügen über äußere Rampen und eine schwerlastenfähige Rangierfläche, um alle Ebenen ähnlich einer ebenerdigen Fläche nutzen zu können. Alternativ arbeitet man auch mit leistungsfähigen Aufzugssystemen. Zum anderen werden größere Distanzen zu den „Centern of Gravity“ – den optimal errechneten Standorten – akzeptiert. Das setzt allerdings voraus, dass dort entsprechende Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Und Logistikbeschäftigte Woche für Woche von weither mit dem Shuttle zum Arbeitsort bringen? In Osteuropa beispielsweise zeichnen sich schon die Grenzen dieser Idee ab.
Die Supply Chain im urbanen Raum wird vielschichtiger
Die Paketflut muss künftig also flexibler und über vielfältige parallele Transportsysteme und -strecken verteilt werden. Ein denkbares Szenario: Neben die traditionellen Milkway-Runs der Lieferwagen aus den Zustellbasen oder Last Mile-Hubs treten Elektrofahrzeuge, die Waren nachts zu lokalen, urbanen Mikro-Hubs befördern. Erst dort werden sie zu Sendungen kommissioniert und am Folgetag nachhaltig und stadtpolitisch verträglich per Cargo-Bike ausgefahren. Dazu muss natürlich die elektrische Infrastruktur durch den Netzbetreiber gesichert sein, woran es oft noch mangelt. Und natürlich muss es auch Bestandsflächen geben, die sich als Urban-Fulfillment-Center nutzen lassen. Sinnvoll ist eine solche Prozesskette vor allem für die rund 30.000 Artikel des regelmäßigen Verbrauchs. Kleinere Mikro-Hubs, also Paketabholstationen mit einer Fläche von 40 bis 200 m², ergänzen dieses Szenario.