Data Center werden die heimlichen Stars auf dem Immobilienmarkt
So rasant, wie die weltweiten Datenmengen zunehmen, wächst auch die Assetklasse Data Center. Ein gewaltiges Potenzial für alternative Immobilieninvestments.
Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, diese vielzitierte Weisheit bezweifelt mittlerweile kaum noch jemand. Sie selbst nehmen keinen Raum ein, benötigen keine Immobilien, müssen auf keinen Straßen transportiert werden. Und doch sind sie auf eine aufwändige Infrastruktur angewiesen. Allein durch das stationäre deutsche Internet jagten 2018 36,5 Milliarden Gigabyte Daten. Und irgendwo müssen sie verwaltet, gespeichert, gesteuert werden. Das geschieht zum Beispiel in Data Centern, die an Zahl so rasant zunehmen wie der Datenverkehr im Netz. Für die Immobilienbranche wächst hier also ein gewaltiges Potenzial an alternativen Objekten regelrecht in den Himmel.
Data Center sind selbst für Immobilienprofis eine neue Welt
Data Center sind zunächst einmal Spezialimmobilien mit besonderen bautechnischen Anforderungen. Auch die Lagekriterien und Markttreiber weichen signifikant ab von jenen der etablierten Immobilien wie Büro, Einzelhandel und Logistik.
Industrie 4.0, Cloud-Computing, neue Internet-Anwendungen sowie nicht zuletzt Social Media und E-Commerce führen zu einem exponentiellen Wachstum der Datenmengen und Datenverarbeitung. Dies beflügelt die Nachfrage nach Rechenzentren, global wie in Deutschland. Das autonome Fahren, das zaghafte, aber erkennbare Fortschritte macht, dürfte das noch einmal gewaltig beflügeln.
Bei Data Centern haben verschiedene Faktoren einen erheblichen Einfluss auf den Immobilienwert, die bei anderen Objekten eine viel geringere Rolle spielen: der Zugang zur Stromversorgung, der Anschluss an das Glasfasernetzwerk, die Nähe von großen Internetknotenpunkten, Sicherheit oder Gebäudekühlung. Entsprechend muss man auch bei der Immobilienbewertung andere Kriterien heranziehen.
Erschwert wird das ganze dadurch, dass Data Center sozusagen in einer Sprache beschrieben werden, die für den üblichen Immobilienkenner Neuland ist. Während man zum Beispiel im gewerblichen Immobilienbereich üblicherweise von Mieten in Euro je Quadratmeter spricht oder die Mietfläche in Quadratmetern gemessen wird, sind die Kennzahlen im Data Center ganz andere. Hier geht es zum Beispiel um Euro je Kilowatt oder Bestand in Megawatt. Auch Begriffe wie Latenzzeiten, unterschiedliche Arten von Data Centern wie Colocation oder Retail kommen noch hinzu. Daher sind die Kennzahlen auch nicht mit jenen „normaler“ Immobilien vergleichbar. Überdies trifft man auf andere Nutzer, Betreiber und Investitionsmodelle. Die Mietverträge sind anders gestrickt als im üblichen gewerblichen Bereich.
Abseits des rechtlichen Rahmens wie Baurecht oder Steuern haben Data Center also sehr wenig mit den sonst typischen, lokalen Immobilienfaktoren zu tun. Um ihr Wertpotenzial zu erfassen, benötigt man ein tiefgreifendes, grenzüberschreitendes Marktwissen und technische Expertise.
Dynamischer Immobilienmarkt mit stabilem Cashflow
Alternative Immobilien sind heute ein probates Mittel zur Optimierung von Immobilienportfolien. Sie bieten die Möglichkeit, sich an wachsenden Marktsegmenten zu beteiligen. Sie tragen zur Diversifizierung der Portfolien bei und mindern damit die Anlagerisiken. Und sie ermöglichen die Optimierung der Performance im aktuellen Niedrigzinsumfeld der etablierten Immobilienklassen.
Dabei wird das rasante Wachstum der Datenmengen unweigerlich zur weiteren Dynamisierung im Markt für Data Center führen. Die Assetklasse profitiert grundsätzlich von Nutzern mit starker Bonität und langfristigen Erträgen selbst bei kurzfristigen Verträgen. Das liegt auch daran, dass sich die Migration von IT-Flächen ausgesprochen schwierig gestaltet. Mieter tätigen hohe Investitionen, was sie stark an Immobilien und Standorte bindet. In einigen Fällen stecken sie in Eigenregie ein Vielfaches der reinen klassischen Baukosten (Kostengruppe 300+400) in die nutzerspezifische IT-Infrastruktur.
Umzüge sind also vergleichsweise unwahrscheinlich, auch aus anderen Gründen: Die Server-Racks enthalten höchst sensible Daten und Ausfallzeiten fallen in der Branche besonders negativ ins Gewicht. Die Migration gerade größerer Flächen ist daher eigentlich unüblich, um nicht zu sagen, fast ausgeschlossen. Um das zu bewerkstelligen, müssten quasi alle Daten dupliziert werden, gefolgt von einem schlagartigen Systemwechsel innerhalb von Millisekunden. Angesichts dieses Aufwands werden die meisten großen Nutzer, zumindest die mit sensiblen Daten, fast nie mit ihren Racks den Standort wechseln. Diese Besonderheit trägt zur Cashflow-Sicherheit bei – ein Argument für Investoren, sich gerade diesen Markt zu erschließen.
Noch mangelnde Transparenz am Transaktionsmarkt Data Center
Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass eben dieser Markt heute noch eher intransparent ist. Zahlreiche Transaktionen werden ungenügend erfasst. Die scharfe Abgrenzung von baulichen und IT-Anlagen ist in den Transaktionszahlen nicht immer gegeben. Ferner kommen viele Immobilientransaktionen auf indirektem Wege zustande, nämlich im Rahmen von M&A-Aktivitäten der Data Center-Betreiber.
Berücksichtigt man die bei klassischen Großunternehmen übliche Immobilienquote von 20 Prozent, dürfte bei der Übernahme des global agierenden Betreibers Level 3 Communications durch Centurylink (2017) für 34 Mrd. US-Dollar schätzungsweise ein Immobilienvermögen von rund 7 Mrd. US-Dollar indirekt transferiert worden sein. Diese Zahl verdeutlicht Relevanz und Potenzial dieser verborgenen Assetklasse. Ebenso wie das steigende Interesse bei institutionellen Investoren. So ging im Sommer 2019 beispielsweise Singapurs Staatsfonds, der GIC, ein Joint Venture mit dem US-amerikanischen Data Center-Dienstleister Equinix ein. Dabei geht es um die Akquise und Entwicklung von sechs europäischen Datenzentren im Wert von über einer Milliarde Dollar.
Wie erheblich Data Center schon im Verborgenen die Infrastruktur der Städte bestimmen, zeigt das Beispiel Frankfurt am Main. Gemessen am Datendurchsatz befindet sich dort mit dem DE-CIX der größte Internet-Knoten der Welt. Er wurde bereits 1995 etabliert, um die Netze von ursprünglich drei Providern effizient zu verbinden. Zuvor verlief der Datenaustausch über den US-amerikanischen Umweg, was Zeit und Geld kostete.
Alle streben zum Knoten
Der DE-CIX ist mittlerweile zum wichtigsten Drehkreuz für Daten weltweit gewachsen. Die Latenzzeit, also die Reaktionszeit zwischen einigen Anwendungen, ist beispielsweise im Banking essenziell und hängt auch ab von der rein physischen Entfernung. Alle wollen daher möglichst nah am Data Center-Hotspot Frankfurt sein. Immer mehr „Megawatt“ wird dort geplant und gebaut. Bereits jetzt verbrauchen die über 450 Data Center mehr als 20 Prozent des Frankfurter Stroms – mehr als der ansässige Flughafen. Nur einer dieser Data Center verbraucht demnach überschlägig so viel Strom wie eine Kommune mit 30.000 Einwohnern.