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Wenn der Asset Manager zum Concierge wird: Bühne frei für die Retail-Immobilien

Auf der Suche nach geeigneten Immobilien nehmen Investoren auch anspruchsvollere Einzelhandelsobjekte ins Visier. Damit steigen die Anforderungen an das Asset Management.

12. Februar 2020

An Geld mangelt es vielen Investoren derzeit weniger als an Möglichkeiten, es verlässlich anzulegen. Jahre der Niedrigzinspolitik habe viele Investments unattraktiv gemacht. Nun hat auch  die Inflation wieder angezogen und unverzinstes Kapital verliert spürbar real an Wert. Insgesamt weiter hervorragende Voraussetzungen für die Investition in Immobilien. Doch das Angebot an Core-Objekten liegt deutlich unter der Nachfrage. Wer nur auf die Top-Immobilien in den besten Lagen setzt, hat derzeit erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt Anlagemöglichkeiten zu finden.

Damit wird die Bühne frei für die sonst weniger beachteten Sternchen der Retail-Immobilien: Wie so mancher B-Star bringen sie aufgrund der Marktsensibilität wieder Chancen und zugleich ein immer spannender werdendes Rendite-Risiko-Profil mit, brauchen aber noch den letzten Schliff durch eine geübte Hand. Was an der Bühne der Regisseur übernimmt, kann für Retail-Investoren ein erfahrenes Asset Management übernehmen, Hand in Hand mit der Investment-Beratung.

Klar ist: Im Gegensatz etwa zu Office-Flächen in Top-Lagen sind auch attraktive Retail-Immobilien keine Selbstläufer, vor allem  bei strauchelnden Einzelhändlern und Konzepten bzw. durch den Einfluss des Online-Handels. Sie benötigen auf Betreiberseite viel Expertise, um sich auf dem harten Einzelhandelsmarkt zu behaupten. Shopping-Center sind derzeit ohne begleitendes Asset Management kaum mehr an den Mann zu bringen. Im Gegenzug können Retail-Immobilien im Vergleich zu anderen Assetklassen außerhalb der Core-Lagen ausgesprochen hohe Anfangsrendite bieten. 5 bis 7 Prozent sind immer noch - und im Bereich der Shopping Center wieder - machbare Größenordnungen.

Institutionelle Anleger entdecken den Markt

Kein Wunder also, dass hier durchaus Bewegung in die Investorenszene gekommen ist. Wo früher hauptsächlich Akteure wie Private Equity gekauft haben, steigt das Interesse  institutioneller Anleger. Nicht wenige davon sind Pensionsfonds, Versicherungen und Versorgungswerke, die zum Teil in Immobilien immer noch deutlich unterinvestiert sind. Zum einen unterliegen diese Investoren  Mindestanlagemengen in unterschiedlichen Assetklassen, darunter auch Immobilien, zum anderen bieten Staatsanleihen (ein traditionell starkes Standbein dieser Investoren) derzeit kaum noch nennenswerte Zinsen bei Neuanlage. Außerdem laufen attraktive Anleihen aktuell und in den nächsten Jahren in riesigen Mengen aus und werden zusätzliches Kapital in den Markt drücken. Daher ist man gewillt, auch auf risikoreichere Objekte zu setzen, denn der Core-Markt ist regelrecht leergefegt.

Jetzt mag man einwenden, Retail-Immobilien, das ist doch mittlerweile ein klarer Mietermarkt, auf dem die Eigentümer vergleichsweise schlechte Karten im Feilschen um Preise und Konditionen haben. Das stimmt zum Teil, doch man darf nicht vergessen, dass trotz der nicht zu leugnenden Leerstände attraktive und vor allem  etablierte Lagen nach wie vor begehrt sind. Schließlich ist der Einzelhandel selbst ein Geschäft mit hartem Wettbewerb und im Kampf um den Endkunden ist jeder Vorteil gefragt. Wer sich als Händler also für die Ladenhüter-Immobilie entscheidet, weil er dort wegen hoher Leerstände einen günstigen Preis heraushandelt, der kann in der Kundengunst selbst sehr schnell auf der Strecke bleiben.

Online-Handel verliert an Dynamik?

Die Chancen für Retail-Immobilien sind also durchaus gegebenen. Auch das Umfeld ist bei weitem nicht so negativ, wie häufig wahrgenommen. Da wäre zum Beispiel der schier übermächtige Gegner, der Online-Handel. Doch dieser hat gegenüber dem stationären Handel tatsächlich etwas an Dynamik verloren. Die Wachstumsraten der Internetverkäufer haben sich verringert. Und auch die Online-Händler erkennen den Wert der stationären Präsenz.

Gleichzeitig hat  der stationäre Handel  immer noch Wachstumsraten, die Konsumlaune ist weiterhin gut, das verfügbare Einkommen ebenfalls. Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs sind online ohnehin vergleichsweise Nischensegmente geblieben. Ein bisheriger Effekt, der vor allem auf das Preisniveau und die Präsenz der Händler auch außerhalb der urbanen Räume  zurückzuführen ist.

Ein stückweit wird der Online-Handel jetzt auch mit den logistischen Realitäten seines Erfolges konfrontiert. Die Unternehmen erfahren einen spürbaren Fachkräftemangel und erleben, dass die Versandinfrastruktur kaum noch der Auslastung gewachsen ist. Ganz zu schweigen von den Kostenversprechen: Gratis Versand auf dem Rücken ächzender Lieferantendienste und der kleinen, vertragsgebundenen Händler, wie lange wird sich das noch gesellschaftlich vermitteln lassen? Schaut man beispielsweise in die USA, werden dort mittlerweile Stimmen laut, die öffentliche Post könne doch wohl kaum der günstige Steigbügelhalter für ein Unternehmen wie Amazon sein.

Das alles soll natürlich nicht verneinen, dass der Online-Handel auch in Zukunft ein Goliath bleiben wird. Aber eine komplette Verdrängung der Retail-Anbieter vor Ort, wie es einstmals düstere Zukunftsvisionen prophezeit haben, wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Auch wenn es Einzelhändler gibt, die sich noch nicht „neu erfunden“ haben und unter der Konkurrenz leiden. Der Nahversorgungsaspekt wird immer ein Argument bleiben, das für den stationären Handel spricht – und damit für entsprechende Immobilien.

Erlebniswelt ja, aber fachgerecht dosiert

Kleinreden sollte man die Herausforderungen für den Einzelhandel nicht. Ohne umfangreiche Fach- und Marktkenntnis sind erfolgreiches Investment in und laufender Betrieb der Immobilien nicht zu machen. Das beginnt bereits mit der Auswahl der Lage. Gutes Asset Management begleitet also schon bei Objektsuche und Kauf. Wie ist die Kundenstruktur im regionalen Umfeld? Bietet die Lage genügend Raum für spätere Erweiterung? Gibt es ausreichend Stellplätze und Anknüpfungspunkte an nachhaltige Mobilität, auch für die Zukunft?

Das alles lässt sich nur einschätzen, wenn man über fundamentale Marktdaten sowie Expertise verfügt und sie in zutreffende Prognosen ummünzen kann. Der Unterschied zwischen zeitgemäß und professionell gemanagten Immobilien und solchen mit weniger Pflege wird immer größer. Das Shopping Center „alter Schule“ funktioniert nur noch in Ausnahmefällen.

Der Asset Manager und sein beteiligtes Team aus Property-, Center- und Facilities Manager finden sich in einer neuen Rolle wieder, die der eines Hotelconcierges gleicht: Einkauf muss ein stückweit Erlebnis sein. Gefragt sind Aktionen, Events und ein guter Mix von Retail, Gastronomie und Freizeitgestaltung. Hier eine attraktive Mischung zu finden allein genügt immer noch nicht. Man muss auch ein Gleichgewicht der Attraktionen zugunsten des Verkaufs erreichen.

Am Ende erwartet der Kunde eine attraktive und zu ihm passende Einkaufsmöglichkeit. Das bringt ihn dazu, den  Standort in ausreichender Frequenz und Kauflaune zu besuchen. Erst das  erzeugt die Umsätze, die  Einzelhändlern ermöglichen, die notwendigen Mieten zu bezahlen, was  Investoren die Rendite sichert. Dies ist insgesamt eine  Aufgabe, die rund ums Jahr mit einem erheblichen Aufwand einhergeht. Aber sie lohnt sich unter dem Strich für Kunden, Retailer und Investor und kann damit  die Assetklasse Retail weiterhin attraktiv halten.

Alexandra Meyder-Cyrus

Head of Asset Management Germany