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Erbbaurecht: Wie sind die Investmentchancen beim Grundstück auf Zeit?

Angetrieben von Flächenmangel und Wohnungsnot diskutieren Kommunen über das Erbbaurecht. Investoren werden sich mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.

19. März 2019

Das deutsche Erbbaurecht gibt es bereits seit einem Jahrhundert. Richtig ins Gespräch kommt es aber gerade jetzt vor dem Hintergrund des Flächenproblems in den Metropolen. Hamburg, Berlin und andere Kommunen wollen dazu übergehen, Investoren Land vor allem in Erbpacht zu überlassen – oder sind bereits in diese Richtung vorangeschritten. Die Motivation dahinter: Langfristig mehr Kontrolle über die kommunalen Flächen zu behalten.

Werden Städte hierzulande damit zum Investorenschreck? Überhaupt nicht, betont zum Beispiel JLL Deutschland CEO Timo Tschammler: „Viele ausländische Investoren sind häufig aus ihrem Heimatland mit der Thematik von Erbbaurechten vertraut.“ Und die machen bisher den Großteil bei Transaktionen von Gewerbeimmobilien mit Erbbaurecht aus. Im Schnitt der Jahre 2016 bis 2018 entfielen 80 Prozent des Transaktionsvolumens auf ausländische Investoren. Besonders haben sich US-Amerikaner dabei hervorgetan, mit einem Anteil von 39 Prozent. „Dort haben die so genannten Ground Leases auf den Immobilienmärkten eine hohe Relevanz. Auch in Südkorea, auf Platz zwei mit 18 Prozent, sind Erbbaurechte gängig“, sagt Timo Tschammler.

Bedenken bei deutschen Investoren

Was aber ist die Ursache für die vergleichsweise geringe Beteiligung aus dem Inland? Eine gewisse Skepsis hat die Befragung ausgewählter institutioneller Investoren durchaus gezeigt. Demnach genießt Erbbaurecht dann Akzeptanz, wenn die Laufzeit mindestens 50 Jahre beträgt bzw. über die Restnutzungsdauer der Immobilie hinausgeht. Der Erbbauzins muss langfristig kalkulierbar und vertraglich gesichert sein. Ebenso wird absolute Klarheit über den so genannten Heimfallanspruch gefordert: Also transparente Regeln zum Beispiel darüber, wann ein Erbbaurecht zurückgenommen wird und welche Entschädigungen damit einhergehen.

Vorzüge auch im Steuerrecht

Kategorisch abgelehnt werden Investitionen in Erbpacht nur von wenigen Befragten. Schließlich bietet das Prinzip auch gewisse Vorzüge. Etwa die geringere Kapitalbindung, da man das Grundstück nicht erwerben muss, und die Aussicht auf höhere Eigenkapitalrenditen. Das deutsche Steuerrecht kommt Investoren ebenfalls entgegen, wie Ralf Kemper, JLL Head of Valuation & Transaction Advisory, erklärt: „Der jährliche Erbbauzins bei vermieteten Objekten ist steuerlich als Aufwand absetzbar, während Investitionen in Grund und Boden nicht abschreibungsfähig sind. Zusätzlich fallen Zahlungen von Erbbauzinsen nicht unter die steuerliche Schuldzinsengrenze, die sogenannte Zinsschranke für Unternehmen.“

Wertentwicklung folgt dem Markt

Wie steht es aber mit der Wertentwicklung von Immobilien in Erbpacht? Ist hier vielleicht ein Argument für die Investorenzurückhaltung zu finden? JLL hat sich die Big 7-Städte angeschaut und die Wertentwicklung von Objekten in Erbpacht, hauptsächlich Büroimmobilien, mit konventionellen Real Estate-Investments verglichen. Das Ergebnis: Der Kapitalwert der Erbbaurecht-Immobilien folgt der übrigen Marktentwicklung und stieg von 2014 bis 2018 um insgesamt 64 Prozent – oder 13 Prozent jährlich. Auch die Kapitalwertentwicklung spricht also nicht gegen die Erbbaurechte.

Erbbaurecht macht die Bewertung anspruchsvoller

Vielleicht ist es einfach die relative Unerfahrenheit mit dem Erbbaurecht, die inländische Investoren noch zögern lässt. Noch ist das Prinzip nämlich ein Exot auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt. „Gemessen an der gesamten Anzahl der analysierten Transaktionen in den Jahren 2016 bis 2018 war der Anteil der Erbbaurechtstransaktionen mit 2% noch recht klein“, gibt JLL Researcher Matthias Barthauer zu bedenken. Für die Mehrheit der inländischen Investoren ist das Erbbaurecht also Neuland. Und das könnte mit einer gewissen Unsicherheit bei der Einschätzung von Investments einhergehen. Während – wirklich sehr vereinfachend gesagt –  die Zahlen und Daten bei „normalen“ Immobilien eine klare Sprache sprechen, bedarf die Bewertung von Objekten im Erbbaurecht besonderer Erfahrung. Wie zum Beispiel mindern Verfügungseinschränkungen den Wert, zum Beispiel Genehmigungspflichten für den Umbau, Vorkaufsrechte oder Vermietungsmitsprache?

Erbbaurecht wird sich weiter etablieren

Auf Dauer ignorieren lassen wird sich das Erbbaurecht aber vermutlich auch von deutschen Investoren nicht. Noch schätzt der Erbbaurechtsverband Deutschland den Anteil entsprechender Grundstücke auf etwa 5 Prozent. Doch die Diskussion um die Erbpacht schreitet in den Kommunen weiter voran – und das nicht nur in den Top-Märkten. Auch in kleineren Städten wie Freiburg oder Augsburg setzt man zunehmend auf dieses Instrument. Das Transaktionsvolumen von Erbbaurechtsimmobilien dürfte mittelfristig zunehmen.

Erbbaurechte in deutschen Metropolen

Analyse ihrer Werttreiber und Bedeutung am Investmentmarkt

Der JLL Report zeigt Historie und Stand des Erbbaurechts in Deutschland, darunter Investorenstruktur und praxisnahe Beispiele zur Bewertung von Immobilien im Erbbaurecht.