Artikel

Expo Real 2019: Kopfzerbrechen bereitet der Immobilienbranche die Politik

09. Oktober 2019

Bei der Expo Real 2019 konnte einen durchaus ein gewisses Gefühl von Déjà-vu beschleichen. Grundsätzlich hat sich seit der Messe des vergangenen Jahres im Großen wenig verändert. Die Trends der Immobilienbranche sind konstant geblieben. Auch die offenen Fragen aus 2018 sind bisher nicht abschließend beantwortet. Schon im Oktober des Vorjahres ging die Sorge vor einer Abkühlung der Konjunktur um, eine Erwartung, die sich bestätigt hat. Und wie schon bei den ersten Anzeichen performt der Immobilienmarkt jetzt auch in der manifesten konjunkturellen Abschwächung weiter höchst stabil.

Vor allem das gemessen am Transaktionsvolumen beste dritte Quartal aller Zeiten hat mit einer Rekordmarke von 25 Milliarden Euro die leichten Sorgenfalten aus den Gesichtern der Immobilienakteure vertrieben. Die gute Dynamik dürfte sich im letzten Quartal noch fortsetzen, wenn auch mit einer gewissen Abflachung gemessen am vorigen Rekordwert. So erscheint für das Gesamtjahr ein Transaktionsvolumen von 75 Mrd. Euro für gewerbliche Immobilien inklusive Living erreichbar. Dieses gute Abschneiden ist zu einem großen Teil auf den bekannten Effekt des Niedrigzinsumfelds zurückzuführen. Die jüngsten Signale der EZB haben die Erwartungen bestätigt: Institutionellen Anlegern bleiben demnach neben Immobilien kaum Optionen für eine stabile Rendite, was weiterhin große Summen in den Markt treiben wird.

Vor allem die Politik verunsichert den Immobilienmarkt

Selbst unter diesen Umständen ist die Immobilienbranche aber natürlich nicht völlig immun gegenüber der volkwirtschaftlichen Gesamtentwicklung. Die Abschwungsignale wird man im Auge behalten müssen. Von Pessimismus lässt sich aber derzeit beim besten Willen nicht sprechen. Zumindest nicht, wenn es um die Konjunktur geht. Ganz anders fällt dagegen der Blick auf die Politik aus, international wie national. Nichts irritiert Investoren mehr als Unsicherheit – und davon gibt es im Moment eine ganze Menge, ob nun in Sachen Brexit oder im immer schärfer werdenden Ton der Außenhandelskonflikte.

In Deutschland selbst ist es dagegen die Wohnungsfrage, die von der Politik höchst schizophren angegangen wird – auch auf der Expo Real 2019 dürfte es wohl wenig Gespräche ohne dieses Thema gegeben haben. Statt die hervorragende Investorensituation zu nutzen, um endlich den dringend notwendigen Ausbau des Wohnungsangebots voranzutreiben, möchte man Investoren am liebsten ganz aus dem Markt haben – zumindest hat es mancherorts schon diesen Anschein. Die städtische Wohnsituation wird an die höchste Stelle der politischen Agenda gerückt, dennoch bleiben die Verwaltungen regelmäßig bei der Baurechtschaffung hinter den eigenen Zielen zurück. Es werden Wohngipfel veranstaltet, den sachverständigen Rat der Immobilienwirtschaft schlägt man aber letztlich aus.

Kooperation und Sachverstand statt Investorenhatz

Dabei ist unter Experten weitgehend unstrittig, dass Mietendeckel und Co. am Ende die Bürger am härtesten treffen werden. Neuen Wohnraum verhindert man damit eher, als dass man ihn schafft. Instandhaltungen könnten auf ein Mindestmaß reduziert werden. Aber nicht nur die Mieter werden darunter zu leiden haben. Millionen Deutsche sind seinerzeit – ironischerweise - dem Rat der Politik gefolgt und haben mit Immobilien privat für das Alter vorgesorgt. Manche direkt durch den Kauf einer Eigentumswohnung zur Vermietung, andere durch indirekte Investitionen. In diesen Fällen werden zweifelhafte Eingriffe in den Markt mitunter existenzvernichtende Folgen haben. Es wird also höchste Zeit, dass die Politik endlich wieder Vernunft in die Wohnungsfrage einkehren lässt – statt jeder populistischen Stimmung nachzurennen und vermeintlich einfache Lösungen zu propagieren. Es bleibt zu hoffen, dass man bis zur Expo Real 2020 wieder zu einem partnerschaftlichen, lösungsorientierten Verhältnis von Politik, Investoren und Immobilienbranche zurückfinden wird.

Proptech nimmt Schritt für Schritt Gestalt an

Der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft gilt natürlich auch für den großen Bereich Proptech, der zunehmend seinen Raum auf der Messe einnimmt. Die gewaltigen Wertschöpfungspotenziale in der Verschmelzung von Immobilie und digitaler Expertise sind weiter unbestritten. Aber wie viele andere Branchen haben wir gelernt, dass auch in der digitalen Transformation keine Wunder vom Himmel fallen. Dennoch sind die kleinen, aber wichtigen Schritte von Messejahr zu Messejahr unverkennbar. Eine echte Herkulesaufgabe liegt allerdings noch vor uns. Um die wirklich gewaltigen Skaleneffekte und revolutionären Analysen zu nutzen, die Big Data und Smart Data bieten, sind zunächst einmal Datenhomogenität und ein stückweit Datenfreiheit – also ein gewisser Austausch von grundlegenden Daten über die Grenzen von Institutionen und Unternehmen hinweg - erforderlich. Gerade hier ist die Immobilienwirtschaft aus ihrer historischen Entwicklung heraus noch notorisch schlecht aufgestellt. Wie gesagt, der große Preis lockt weiter verheißungsvoll – aber man wird sich ihm in mühsamen, aber ambitionierten Etappen nähern müssen.