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Co-Living: Wird die gehobene WG zum Zukunftsmodell junger Städter?

Co-Living ist noch ein verschwindend kleines Segment unter den deutschen Wohnimmobilien. Aber es entwickelt derzeit eine beachtliche Dynamik.

21. Januar 2020

Kann Co-Living dazu beitragen, die Wohnsituation in den urbanen Zentren zu entschärfen? Nicht erst die jüngste politische Debatte hat deutlich gemacht, wie schwierig die Wohnungssuche gerade in den wirtschaftlich erfolgreichen deutschen Städten geworden ist.

Das bringt gerade gut ausgebildete Berufstätige immer wieder in Zwangslagen. Sie wechseln häufig kurzfristig Job und Standort. Von ihnen wird erwartet, flexibel und mobil zu sein. Viele zieht es aber auch aus eigenem Antrieb in die Zentren. Oft locken dort die Karrierechancen in innovationsstarken Branchen. Doch ohne Wohnraum müssen diese Optionen möglicherweise ungenutzt bleiben. Schnell ohne großen logistischen Aufwand eine neue Bleibe beziehen zu können, das wird nicht nur für die vielbeschworenen „digitalen Nomaden“ ein immer entscheidenderer Standortvorteil.

Schnelle Wohnlösung für flexible Arbeitskräfte

Diese Anforderungen gehen aber weit an der aktuellen Realität in den großen Städten vorbei. Dort, wo sich die Wohnungssuche über Monate hinziehen kann. Mit Co-Living wächst nun aber auch in deutschen Metropolen eine Alternative heran, die viele noch an ihre Studienzeiten oder Ausbildung erinnern wird. Dabei beziehen Bewohner eine effizient gestaltete kleine Wohnfläche, häufig vollmöbliert, nutzen aber zusätzliche Gemeinschafts- und Serviceflächen. Ganz ähnlich also wie im Studierendenwohnheim, nur auf einem deutlich hochwertigeren Niveau.

„Die große Wohnfrage wird Co-Living sicher nicht lösen können. Aber gerade für Menschen, die in einer Stadt beruflich neu Fuß fassen, kann dieses Segment eine Alternative zum knappen traditionellen Wohnungsmarkt darstellen“, erklärt Dr. Konstantin Kortmann, JLL Head of Residential Investment. „Das gilt nicht nur für Young Professionals, sondern zum Beispiel auch für Menschen, die aus beruflichen Gründen nur eine vergleichsweise kurze Dauer in einer neuen Stadt leben, etwa im Rahmen einer Entsendung.“ Co-Living bietet für beide Gruppen nicht nur schnell verfügbaren Wohnraum, der sich unkompliziert beziehen lässt, sondern über die soziale Komponente der Gemeinschaftsflächen zudem die Möglichkeit, schnell Kontakte in der neuen Umgebung zu knüpfen.

Co-Living entwickelt starke Dynamik

Noch allerdings steckt das Angebot von Co-Living in den Kinderschuhen. In Europa belief sich Mitte 2019 die Zahl der Betten - eine Maßeinheit, die sich aufgrund der Ähnlichkeiten mit dem Hotelgewerbe etabliert hat – auf rund 23.000, entweder im Bestand oder noch in Entwicklung. Gemessen am gesamten Wohnungsmarkt natürlich ein geringer Umfang, aber das Wachstum ist rasant. 60 Prozent dieser Projekte entstammen aus den vergangenen zwei Jahren, wie der JLL European Coliving Index zeigt. Es geht hier also um ein Segment mit einer beeindruckenden Dynamik. Vorreiter sind dabei London und Amsterdam. Aber auch in Berlin und Hamburg, auf die mittlerweile rund 5 Prozent der europäischen Angebote bzw. Entwicklungen entfallen, hat Co-Living erkennbar Fahrt aufgenommen.

Demografie befördert neue Wohnformen

Und das ist möglicherweise erst der Anfang, denn die demografische Entwicklung stützt die Etablierung dieser neuen Wohnform. Der Anteil der Städter in der europäischen Bevölkerung wird bis 2050 noch einmal auf 81 Prozent ansteigen. Viele davon werden unter 30-jährige sein, die aus beruflichen Gründen flexiblen und bezahlbare Wohnfläche benötigen. Das Potenzial für Co-Living hat vermutlich also noch lange nicht seinen Zenit erreicht.

Investieren in Co-Living

„Für Investoren im Bereich der Wohnimmobilien wächst hier also eine interessante Option heran, ihre Portfolios um neue Risiko-Rendite-Profile zu erweitern. Für Co-Living sprechen aus wirtschaftlicher Sicht hohe Quadratmeter-Mieten bei mittleren absoluten Miethöhen sowie deren laufende Anpassungsmöglichkeit aufgrund relativ kurzer Mietlaufzeiten - natürlich aber bei tendenziell größerem Leerstandsrisiko“, so Kortmann.

Der Erfolg von Co-Living-Konzepten wird maßgeblich davon bestimmt sein, wie sehr sie auf die jeweiligen Immobilien abgestimmt sind. Und natürlich von der Entwicklung der Wohnimmobilien in den Städten insgesamt. Über die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Modells entscheidet letztlich die Frage nach einem langfristigen Bedarf. Betrachtet man sich den anhaltenden Trend der Urbanisierung und die sicher noch lange bestehende Wohnraumknappheit, ist eine stabile Nachfrage allerdings wahrscheinlich.