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ESG-Anforderungen für die Immobilienwirtschaft konkretisiert

Die Europäische Union (EU) macht einen weiteren Schritt in der Definition von nachhaltigen Investments. Für die Immobilienbranche bedeutet das mehr Klarheit bei den Klimaschutz-Anforderungen.

03. Mai 2021

Die EU hat ihre Taxonomie-Regeln weiter konkretisiert. Damit macht sie einen weiteren Schritt für mehr Transparenz in den ESG-Anforderungen (ESG: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) für Finanzmarktteilnehmer – und indirekt damit für die Immobilienwirtschaft. Auch zahlreiche Unternehmen, die wegen ihrer Größe und Tätigkeiten als von „öffentlichem Interesse“ gelten, unterliegen diesen Regeln.

Erst kürzlich trat die EU-Offenlegungsverordnung in Kraft, die für die genannten Akteure Informations- und Veröffentlichungspflichten über ESG-relevante Produkte, Unternehmensprozesse und Strategien festlegte. So muss in der regelmäßigen Berichterstattung der Anteil ökologisch nachhaltiger Aktivitäten bei Investitionen, Betriebsausgaben und Umsatz offengelegt werden.

„Ein großer Kritikpunkt an der Regulierung war die unvollständige und wenig konkrete Formulierung. Das stellte die Immobilienwirtschaft vor die schwierige Situation, sich auf ESG-Anforderungen einzustellen, ohne zum Teil die Kriterien zu kennen, die an Gebäude künftig angelegt werden sollen“, erklärt Dr. Gunnar Gombert, Head of Sales & Business Development bei JLL Germany. Am 21. April 2021 hat die EU nun technische Evaluierungskriterien zur Taxonomie-Verordnung (TSC) vorgelegt, die zu Beginn des Jahres 2022 in Kraft treten sollen.

Anforderungen berücksichtigen nationale Eigenheiten

Fest stand schon bisher, dass wirtschaftliche Tätigkeiten wenigstens auf eines von sechs definierten Umweltzielen einzahlen sollen. Die weiteren sollen dabei nicht erheblich beeinträchtigt werden. Zudem müssen die Tätigkeiten soziale und Governance-Mindestanforderungen erfüllen und in Einklang mit den jetzt konkretisierten TSC stehen.

„Im aktuellen Schritt wurden die Kriterien zunächst für die ersten beiden Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel formuliert. Dennoch gibt es noch immer einige Fragen bei der praktischen Umsetzung. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Standards und klimatischen Bedingungen in den verschiedenen EU-Staaten orientieren sich die Kriterien noch an den jeweiligen nationalen Vorgaben“, so Gombert.

Für den Immobiliensektor sind vier Bereiche wirtschaftlicher Tätigkeit relevant: Neubauten, Sanierung und grundlegende Renovierung, spezifische Einzelmaßnahmen an Gebäuden sowie Akquisition und Eigentümerschaft von Gebäuden. Um als taxonomiekonform zu gelten, sind für diese Bereiche verschiedene Anforderungen festgelegt, unter anderem:

1. Neubauten (errichtet ab 2021): Der Primärenergiebedarf muss zehn Prozent unter den nationalen Anforderungen für ein Niedrigstenergiegebäude liegen. Luftdichtheitsprüfung und in der Regel Thermografie für Gebäude mit einer Nutzfläche über 5.000 m2 je Nutzeinheit. Abweichungen von Planung oder Mängel in diesem Bereich müssen Investoren und Kunden mitgeteilt werden. Das gilt auf Anfrage auch für das Treibhauspotenzial der Gebäude.

2. Sanierung und grundlegende Renovierung: Sanierungen müssen eine Energieersparnis von mindestens 30 Prozent erreichen oder im Einklang stehen mit der nationalen Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie, in Deutschland also dem Gebäudeenergiegesetz.

3. Spezifische Einzelmaßnahmen: Taxonomiekonforme Maßnahmen laut Verordnung, darunter Photovoltaikanlagen, Windräder, Verbesserung der Außendämmung oder Ladestationen für Elektrofahrzeuge.

4. Akquisition und Eigentümerschaft: Gebäude, die bis Ende 2020 errichtet wurden, müssen über ein EPC-Rating der Klasse A verfügen. Andernfalls muss eine Immobilie beim Primärenergiebedarf zu den nachweislich besten 15 Prozent eines Landes oder einer Region gehören. Zudem können für große Nichtwohngebäude Prüf- und Dokumentationspflichten von Heizungs-. Luft- und Klimatechnik hinzukommen.

Als nächster Schritt liegt es nun an den Akteuren der Immobilienwirtschaft, sich auf den Start der Taxonomie – dem Herzstück des Sustainable Finance Action Plans – im kommenden Jahr vorzubereiten.