Robuste und nachhaltige Supply Chains bringen Bewegung in die Logistikimmobilien
Die pandemiebedingte Krise der Supply Chains hat Paradigmen der Logistik auf den Prüfstand gebracht. Das bietet für Industrie- und Lagerimmobilien die Chance, sich nachhaltiger und robuster aufzustellen.
Über Jahrzehnte hinweg wurden die Supply Chains rund um die Welt immer effizienter. Lieferketten, das waren bis vor kurzem fein abgestimmte Maschinerien, die ihren ausgefeilten Takt hochkomplex über den ganzen Globus schlugen. Doch die Covid 19-Pandemie hat uns dramatisch vor Augen geführt, dass die Idee von der perfekten Ordnung eine Illusion ist. Und das hat selbst für bisher unumstößliche Glaubenssätze der Supply Chains Folgen.
Dabei war die globale Infektionswelle beileibe nicht die erste Gelegenheit, die uns in der jüngeren Vergangenheit gezeigt hat, wie anfällig das vermeintlich perfekte System ist. 2011 brachte der Tsunami in Japan die Automobilindustrie ins Schleudern. Im selben Jahre brachen wegen der schlimmen Überflutungen in Thailand transkontinentale Supply Chains bei den Computer-Harddrives ein. Nur zwei Beispiele und sicher nicht die letzten.
Zentrale Knotenpunkte machen Supply Chains so anfällig
Doch warum sind Supply Chains heute so anfällig für solche Störungen? Schließlich haben sie sich längst zu weit verzweigten Netzen entwickelt, die kaum noch ihren ursprünglichen Namen rechtfertigen. Sollten solche Netzwerke nicht in der Lage sein, disruptive Einflüsse selbst auszugleichen? „Das Problem ist, dass selbst stark verzweigte Supply Chains in der Regel von einigen vitalen Knotenpunkten abhängig sind. Das können bestimmte Produktionsregionen der Welt sein, aber sogar auch einzelne Häfen und Verladeplätze. Kommt es an diesen Nervenpunkten des Netzes zu Störungen, droht das ganze System zu kollabieren“, erklärt Frank Weber, Head of Industrial Agency Germany bei JLL.
Das ist eine der Paradoxien der Globalisierung: Die Wirtschaftskreisläufe sind zwar über die ganze Welt miteinander verwachsen, doch gleichzeitig konzentrieren sich einzelne Produkte und Leistungen auf immer spezialisierte Regionen. „Die Jahrzehnte des Offshorings haben Industrie und Handel in vielen westlichen Ländern komplett von internationalen Supply Chains abhängig gemacht. Und jetzt zeigt sich, dass dieses System durchaus seine Nachteile hat“, so Weber.
Offshoring und Just-in-Time verlieren an Strahlkraft
Die Stimmen in den Unternehmen, die ein Reshoring der Beschaffung fordern, werden lauter. Und das nicht nur in Folge der aktuellen Supply Chain-Krise. Schon die politischen Unsicherheiten der vergangenen Jahre haben bei vielen Wirtschaftslenkern Zweifel am unumstößlichen Paradigma der verlängerten Werkbank rund um den Globus geweckt. Jetzt allerdings lässt sich diese Stimmung nicht mehr ignorieren.
„Eine komplette Umkehr der Globalisierung wird es natürlich nicht geben. Schon allein wegen der hohen Spezialisierungsgrade der verschiedenen Regionen. Dennoch ist zu erwarten, dass Europa für die Beschaffung wieder attraktiver wird, selbst wenn das mit höheren Kosten verbunden ist“, so die Einschätzung Webers. Aber auch dort, wo Unternehmen weiter auf globale Supply Chains setzen, dürfte es Veränderungen geben: Weniger Konzentration auf einzelne vitale Knotenpunkte und Produktionsregionen, stattdessen eine gewisse Streuung der Risiken, um die Lieferketten resilienter zu machen.
Solche großen Umwälzungen werden ihre Wirkung auf Logistik- und Produktionsimmobilien haben. „Die Diversifizierung der Supply Chain-Knotenpunkte nach Regionen, Transportwegen und -arten bedingt den Aufbau zahlreicher neuer Lagerstätten. Und bereits bestehende Kapazitäten dürften vermutlich erweitert werden, denn das Just-in-Time-Paradigma ist durch die erlebte Verknappung ins Wanken geraten“, erklärt Nick Jones, Head of Industrial Investment Germany bei JLL. „Wir werden sozusagen eine Renaissance des Lagerbestandes erleben. Die Unternehmen haben schmerzhaft erfahren, dass eine Reserve von elementaren Teilen und Rohstoffen für ihren Betrieb überlebenswichtig werden kann. Und eben für diese Bestände benötigen wir neue Logistikimmobilien.“
Neustart wird zur Chance für mehr Nachhaltigkeit
Die Neujustierung der Logistik bietet zugleich die Chance für mehr Nachhaltigkeit. Das betrifft zum einen die Ausrichtung der Lieferwege nach Klimakriterien, zum anderen aber auch die Gestaltung neuer Logistikimmobilien. „Selbst bei einer gewissen pandemiebedingten Vorsicht ist der Investitionsmarkt für Real Estate nach wie vor hochattraktiv, Lagerflächen bleiben begehrte Objekte. Das ist eine günstige Situation für die Projektentwicklung, gemeinsam mit Investoren in allen Belangen nachhaltige Logistikimmobilien zu schaffen: Resiliente Supply Chains und Umweltschutz gehen hier Hand in Hand“, so Jones. Das geht über das CO2-Thema hinaus und betrifft den gesamten Warenkreislauf. Verpackungsmaterialien, Entsorgungswege, Recyclingoptionen, die Krise könnte so zu einem echten Neustart in den weltweiten Liefernetzen werden.