Neugeschäftsreport Immobilienfinanzierung
Gesamtjahr 2022
Neugeschäftszahlen und Kreditbestände für die gewerbliche Immobilienfinanzierung deutscher Banken
Die deutsche Wirtschaft erwies sich mit Ablauf des Jahres 2022 als durchaus resilient. Trotz diverser Herausforderungen, wie dem Krieg in der Ukraine, steigender Energiepreise sowie anhaltenden Verzögerungen in den globalen Lieferketten, stieg das Bruttoinlandsprodukt um 1,9 Prozent. Für diesen Anstieg sind vor allem die aufgetretenen Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie und die in der zweiten Jahreshälfte nachgelassenen Lieferengpässe verantwortlich. Dennoch drückten anhaltende Preissteigerungen eine noch positivere Entwicklung. Darüber hinaus hielten sich Investoren aufgrund unsicherer wirtschaftlicher Perspektiven und nicht abzusehender geldpolitischer Entwicklungen zurück.
Diese Unsicherheit war auch in der Immobilienbranche zu spüren. Insbesondere das hohe Inflationsniveau und die damit einhergehenden Anhebungen des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank beeinflussten den Immobilienmarkt und trieben die überwiegende Mehrheit der Investoren in die Passivität. Im Gegensatz dazu erfuhren klassische Anlagemöglichkeiten wie beispielsweise Bundesanleihen wieder vermehrt Zulauf.
Deutscher Immobilieninvestmentmarkt schließt mit verhaltenem Ergebnis
Für das Jahr 2022 erreichte der Immobilieninvestmentmarkt ein Transaktionsvolumen von insgesamt 66 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang von 41 Prozent, allerdings konnte im Jahr 2021 ein Rekordergebnis von 111 Milliarden registriert werden. Betrachtet man vergleichend einen längeren Zeitraum, zeigt sich, dass das Volumen im Jahr 2022 lediglich knapp acht Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegt. Nach einem ersten Halbjahr mit rund 36 Milliarden Euro Transaktionsvolumen, wurden in der zweiten Jahreshälfte etwa 30 Milliarden registriert. Bürotransaktionen waren mit etwa 33 Prozent die dominierende Assetklasse im abgelaufenen Jahr. Im Vergleich zu 2021 konnte der Anteil um 8 Prozentpunkte gesteigert werden. Zweite Kraft waren mit rund 22 Prozent Transaktionen aus dem Bereich Living. Die Assetklasse, in der sich Wohnimmobilien, Studentenwohnanlagen, Senioren- und Pflegeheime summieren, verliert im Vergleich zum Vorjahr zwar 25 Prozentpunkte. Allerdings fielen in das Jahr 2021 zahlreiche Großtransaktionen, unter anderem die Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia. Dahinter folgen mit einem Anteil von jeweils 14 Prozent die Assetklassen Einzelhandel und Logistik-Industrie.
Nach wie vor liegen Core- bzw. Core plus-Investment im Fokus der Investoren. Knapp 90 Prozent der getätigten Transaktionen fielen in diese Risikoklassen. Mit etwa 48 Prozent entfiel darüber hinaus knapp die Hälfte des Transaktionsvolumens auf die sieben deutschen Immobilienhochburgen. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies jedoch ein Rückgang des prozentualen Anteils um rund 16 Prozentpunkte.
Grundsätzlich herrschte eine Assetklassen übergreifende und spürbare Zurückhaltung der Finanzierungsgeber bei der Vergabe von neuen Krediten. Zwar wurden insbesondere Core- und Core-plus-Produkte in guten Lagen weiterhin finanziert, jedoch bereits bei der Strukturierung der Darlehen die erwartete Entwicklung des Investmentmarktes und das steigende Zinsumfeld berücksichtigt. Im Anbetracht dessen rückte vor allem die Kapitaldienstfähigkeit der Anlageobjekte als limitierender Faktor in den Fokus.
Neugeschäft nimmt leicht ab
Zur quantitativen Beurteilung der Situation für gewerbliche Immobilienfinanzierungen auf dem deutschen Finanzierungsmarkt hat JLL neben den tatsächlich realisierten Neugeschäftszahlen zusätzlich Planzahlen für die Vergabe des Neugeschäftes sowie Kreditbestände ausgewertet und analysiert.
Dabei werden unter dem Begriff gewerbliche Immobilienfinanzierungen sowohl Finanzierungen für gewerblich genutzte Immobilien als auch Finanzierungen für als Anlageobjekt genutzte Wohnimmobilien zusammengefasst. Für die Auswertung wurden die Zahlen zum Neugeschäft bzw. der Kreditbestände von ausgewählten Kreditinstituten übermittelt, welche diese in deren Reportings explizit ausweisen und auf diesem Weg eine vergleichende Analyse ermöglichen. Die bereitgestellten Zahlen der Kreditinstitute zum kontrahierten Neugeschäft beschreiben den inländischen Markt. Die Volumina der Kreditbestände beinhalten neben den Zahlen aus dem Inland zusätzlich das ausländische Geschäft. Die Mittelbeschaffung über Kapitalprodukte wie Kapitalerhöhung oder Bondemission sind in dieser Auswertung nicht inkludiert.
Zum Jahresende 2022 erreichte das Neugeschäft für gewerbliche Immobilienfinanzierungen der teilnehmenden Kreditinstitute ein Volumen von 38,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein leichter Rückgang um zwei Prozent. Vom Volumen her verzeichnete, wie schon zum Halbjahr 2022, die Bayern LB den größten Anstieg des Neugeschäfts in Deutschland. Mit sechs Milliarden Euro konnte das Vorjahresergebnis um 1,3 Milliarden übertroffen werden. Daneben verzeichneten vier weitere Kreditinstitute einen, teils deutlichen, Anstieg der Neugeschäftsvolumina. Die Mehrheit der befragten Institute übermittelte allerdings ein verringertes Volumen der Neugeschäftsvergabe. Bei insgesamt sieben Banken kam es zu einem Rückgang, dabei verzeichnete die LBBW den deutlichsten Einbruch mit drei Milliarden Euro.
Der negative Trend zeigt sich auch bei der Betrachtung der erwarteten Neugeschäftsvolumina im Verlaufe des Jahres 2023. Mit insgesamt sieben Kreditinstituten sieht die Mehrheit der Befragten einen weiteren Rückgang im aktuellen Jahr. Lediglich zwei Banken erwarten ein im Vergleich zu 2022 steigendes Neugeschäftsvolumen. Die Hamburger Commercial Bank sieht das Neugeschäft 2023 auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr. Sowohl die DZ Hyp als auch die hessische Landesbank gaben im Hinblick auf die derzeit schwer einzuschätzende Marktsituation keine Prognose zu den zu erwartenden Neugeschäftsvolumina.
Kreditbestände nehmen weiterhin zu
Im Gegensatz zum Neugeschäft weisen die übermittelten Kreditbestände insgesamt einen Anstieg auf. Mit 289,9 Milliarden Euro konnte das Volumen des Vorjahres um fünf Prozent übertroffen werden. 11 von 12 teilnehmenden Kreditinstituten konnten die jeweiligen Kreditbestände im Jahresvergleich erhöhen, lediglich bei der Hamburger Commercial Bank verringerte sich der Bestand leicht um zwei Prozent. Wie schon bei der Vergabe des Neugeschäfts, weist die Bayern LB den größten Zuwachs der Kreditbestände aus. Mit einem Plus von 2,4 Milliarden Euro liegt sie damit knapp vor der HELABA, welche ihren Bestand um zwei Milliarden erhöhen konnte.
Neben den turnusmäßig abgefragten Zahlen zum Neugeschäft und den Kreditbeständen haben wir in dieser Ausgabe zusätzlich Fragen zum Kreditausfallrisiko und dem Kreditanfragevolumen gestellt.
Auf die Frage, welche Faktoren aktuell den größten Einfluss auf das Kreditausfallrisiko haben, ist ein eindeutiges Bild zu erkennen. Die Mehrheit der teilnehmenden Kreditinstitute sieht die konjunkturelle Entwicklung rund um den Anstieg des Zinsniveaus als größtes Risiko. Daneben sehen drei Banken den Verlust der Werthaltigkeit besicherter Objekte als Risiko für einen Kreditausfall.
Bei der Einschätzung der Entwicklung des Kreditausfallrisikos im Verlauf des vergangenen Jahres sehen sieben der befragten Kreditinstitute eine unveränderte Situation am Finanzierungsmarkt. Lediglich zwei Banken sehen ein gestiegenes Risiko für einen Kreditausfall in dem aktuellen Marktumfeld. Drei Institute machten keine Angabe zu der Entwicklung des Ausfallrisikos.
Darüber hinaus haben wir die Entwicklung des Kreditanfragevolumens bei den Assetklassen Büro, Wohnen, Einzelhandel und Logistik-Industrie im Vergleich zum Vorjahr abgefragt. Über alle Assetklassen zeigt sich hier ein eindeutiges Bild. Bei der Mehrheit der Kreditinstitute haben sich die Anfragevolumina verringert. Kreditanfragen für Büroimmobilien haben sich bei fünf Banken verringert. Bei zwei Instituten sind Anfragen konstant geblieben. Lediglich bei einem Teilnehmer ist das Kreditanfragevolumen gestiegen. Bei Wohnimmobilien hat sich das Volumen bei sechs Instituten verringert. Zwei Banken verzeichneten hier einen Anstieg. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Assetklasse Einzelhandel. Hier gab es bei sieben Banken eine negative Entwicklung und nur ein befragtes Institut konnte das Volumen steigern. Bei Logistik- und Industrieimmobilien zeigt sich ein ausgeglicheneres Bild. Drei Institute blieben im Jahr 2022 auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Nur vier Banken verzeichneten einen Rückgang. Ein Kreditinstitut konnte sein Volumen steigern.
Rahmenbedingungen und Ausblick
Die Herausforderungen rund um das gestiegene Inflationsniveau und die damit verbundenen Zinserhöhungen werden den Immobilienmarkt auch im Jahr 2023 beeinflussen. Der Investmentmarkt startete im dem schwächsten Quartal der vergangenen zwölf Jahre in das aktuelle Jahr. Lediglich 7,8 Milliarden Euro wurden am deutschen Immobilienmarkt investiert. Damit lag man 56 Prozent unter dem Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. In der aktuellen Situation halten sich viele Marktteilnehmer zurück. Dafür sind nach wie vor die ungewissen Entwicklungen der Konjunktur und des Zinsniveau verantwortlich. Erst eine abzusehende Stabilisierung der entsprechenden Faktoren würde das Transaktionsgeschehen wieder aufleben lassen.
Unabhängig der jeweiligen Assetklasse wurden die Lending Policies der Banken an die aktuelle Marktsituation angepasst. Der Schwerpunkt liegt klar auf der Kapitaldienstfähigkeit der Objekte und einer langfristig standfesten Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien. Insbesondere der rasante Zinsanstieg stellt sowohl Projektentwickler als auch Bestandshalter vor neue Herausforderungen. Die dadurch aufkommende Finanzierungslücke, resultierend aus der bedingten Kapitaldienstfähigkeit und den korrigierten Marktwerten, erfordert eine tiefgreifende Strukturierung, um diese eigenkapitalschonend zu schließen.
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