Research

Neugeschäftsreport Immobilienfinanzierung

1. Halbjahr 2023

15. November 2023
Neugeschäftszahlen und Kreditbestände für die gewerbliche Immobilienfinanzierung deutscher Banken

Deutschlands Wirtschaft war zwischen Januar und Juli 2023 maßgeblich von Stagnation betroffen. Die zu Jahresbeginn bei 8,7 Prozent liegende Inflationsrate belastete vor allem den Sektor der privaten Haushalte. Um dem entgegenzuwirken, kam es seitens der Europäischen Zentralbank zu einer Fortsetzung ihres Zinserhöhungskurses, der bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 begann. Es folgten deutliche Zinssprünge beim Leitzins, die sich dann auch in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres fortsetzten. Im September stieg der Hauptfinanzierungssatz auf 4,5 Prozent. Durch die gestiegenen Finanzierungskosten und gleichzeitig reduzierten realen Haushaltseinkommen verlor die Konjunktur sektorübergreifend zunehmend an Fahrt.

Auch die Immobilienbranche war von diesen herausfordernden Marktgegebenheiten maßgeblich betroffen, besonders der Investmentmarkt. Da durch das allgemein gestiegene Zinsniveau klassische Kapitalanlagen wieder an Bedeutung gewinnen, intensivierte sich die Renditefindung bei Immobilieninvestments. Darüber hinaus erhöhten gestiegene Betriebs- und Refinanzierungskosten den Kapitaldruck bei potenziellen Immobilienverkäufern. Allerdings herrscht weiterhin eine deutliche Diskrepanz zwischen Verkäufer- und Käuferseite, da viele Investoren nicht bereit sind zu aktuellen Askings zu investieren.

Der deutsche Investmentmarkt blieb zum Halbjahr 2023 sehr verhalten

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 hielten sich Investoren am Immobilieninvestmentmarkt deutlich zurück. Lediglich 14,9 Milliarden Euro wurden in Immobilien investiert. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Rückgang um 59 Prozent. Hinter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag das Ergebnis um 53 Prozent. Das Volumen im zweiten Quartal 2023 lag dabei mit 7,2 Milliarden Euro knapp unter dem Startquartal des Jahres. Maßgeblich verantwortlich für den Einbruch des Transaktionsvolumens war vor allem das Ausbleiben von Bürotransaktionen. Zum Halbjahr 2022 waren Bürodeals mit 14,4 Milliarden Euro und einem Anteil von 40 Prozent die dominierende Assetklasse. Ein Jahr später ist die Transaktionssumme dieser Objekte um über 10 Milliarden auf rund 3 Milliarden Euro geschrumpft. Der Anteil im aktuellen Jahr liegt bei 21 Prozent. Damit liegt man hinter dem Bereich Living mit 34 Prozent und knapp vor Einzelhandelsinvestments mit 18 Prozent und einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro. Der deutliche Rückgang der Transaktionen ab 100 Millionen Euro spiegelte ebenfalls die nach wie vor angespannte Lage am Investmentmarkt wider. Waren es im ersten Halbjahr 2022 noch 69 Deals dieser Größenordnung, konnten in diesem Jahr lediglich 23 Transaktionen erfasst werden.

Besonders in herausfordernden Zeiten zeigt sich eine Fokussierung der Investoren auf sichere Investments. Zusammengefasst flossen im ersten Halbjahr 2023 88 Prozent der investierten Gelder in Core- und Core-Plus-Objekte. Auch die Konzentration auf die sieben deutschen Immobilienhochburgen, auf die mit etwa sieben Milliarden knapp die Hälfte der Investments fielen, unterstreicht diese Entwicklung.

Wie bei den Investoren, herrscht grundsätzlich auch auf Finanzierungsseite eine allgemeine Zurückhaltung, welche durch die Prolongationen der bestehenden Finanzierungen weiter unterstützt wurde. Die verfügbare Liquidität fokussierte sich zunehmend auf resistente Assetklassen wie Wohnen und Logistik. Insbesondere im Hinblick auf die Kapitaldienstfähigkeit erwiesen sich stabile Cashflows als ausschlaggebend. Im Hinblick auf die Höhe der neu vergebenen Darlehen und Prolongationen wurde die erwarteten Marktpreiskorrekturen bereits eingepreist, was zu einem erhöhten Liquiditätsdruck insbesondere bei Developments führte.  Bestandshalter werden den Liquiditätsdruck auch zunehmend spüren. 

Neugeschäft schrumpft um ein Viertel

Um die Situation für gewerbliche Immobilienfinanzierungen auf dem deutschen Finanzierungsmarkt quantitativ beurteilen zu können, hat JLL zusätzlich zu den tatsächlich realisierten Neugeschäftszahlen der teilnehmenden Kreditinstituten Planzahlen für die Vergabe des Neugeschäftes und Kreditbestände ausgewertet und analysiert.

Als gewerbliche Immobilienfinanzierung werden dabei Finanzierungen für gewerblich genutzte Immobilien und Finanzierungen für Wohnimmobilien, welche als Anlageobjekte genutzt werden, zusammengefasst. Für die Auswertung wurden von ausgewählten Kreditinstituten Zahlen zum Neugeschäft und Kreditbeständen übermittelt. Diese wurden in den jeweiligen Reportings gezielt ausgewiesen und ermöglichen so eine vergleichende Analyse. Die Daten zum kontrahierten Neugeschäft beschreiben dabei das Geschäft innerhalb Deutschlands. Die Kreditbestände zeigen hingegen die Volumina in In- und Ausland. Von dieser Marktbetrachtung ausgenommen sind Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung wie beispielsweise Kapitalerhöhungen oder Bondemissionen.

Das Neugeschäft für gewerbliche Immobilienfinanzierungen zeigt nach sechs Monaten im Jahr 2023 ein eindeutiges Bild. Das erzielte Volumen von 13,9 Milliarden Euro der teilnehmenden Kreditinstitute liegt mit 25 Prozent deutlich unter dem Vorjahreswert und zeigt deutlich die angespannte Lage bei klassischen Fremdfinanzierungen. Lediglich die Berlin Hyp AG und die Deka Bank konnten im aktuell abgefragten Zeitraum, verglichen mit dem Vorjahr, ein positives Ergebnis verzeichnen und steigerten die Neugeschäftsvolumina um 100 bzw. 200 Millionen Euro. Zwei der 12 befragten Institute konnten zumindest das Vorjahresniveau halten. Bei der Mehrheit der Kreditinstitute reduzierte sich jedoch das Neugeschäft. Den deutlichsten Rückgang verzeichnete die HELABA. Dort reduzierte sich das Volumen von 1,8 Mrd. auf 600 Mio. Euro. Die DZ Hyp hat auch zum Halbjahr 2023 mit 2,7 Mrd. Euro den größten Anteil an vergebenen Krediten. Allerdings verringert sich auch hier das Volumen im Jahresvergleich um 29 Prozent.

Bei der Einschätzung des Neugeschäftsvolumens für das Gesamtjahr 2023 im Vergleich zu 2022 sind sich fast alle teilnehmenden Kreditinstitute einig. 10 der 12 befragten Banken gehen davon aus, dass im aktuellen Jahr ein geringeres Kreditvolumen vergeben wird als im Vorjahr. Die Hamburg Commercial Bank und die Aareal Bank rechnen mit einem ähnlichen Ergebnis, wie im Vorjahr.

Kreditbestände zeigen sich stabil

Die Kreditbestände zeigen anders als die Neugeschäftsvolumina ein stabiles Bild. Nach sechs Monaten kommen die ausgewählten Kreditinstitute auf insgesamt rund 295 Mrd. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies eine Steigerung um vier Prozent. Neun der 12 Banken konnten ihre Bestände erhöhen. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnete die Deutsche Hypo - NORD/LB Real Estate Finance mit drei Milliarden Euro. Bei der HELABA bleibt der Kreditbestand mit 38,4 Milliarden Euro auf dem Vorjahresniveau. Lediglich bei der DEKA und der Hamburg Commercial Bank reduzierten sich die Bestände um jeweils 600 Millionen Euro. Nach wie vor hält die DZ Hyp mit 42,8 Mrd. den größten Kreditbestand der teilnehmenden Kreditinstitute.

Zusätzlich zu den übermittelten Volumina zum Neugeschäft und den Kreditbeständen haben wir in dieser Ausgabe zusätzlich Fragen zum aktuellen Kreditvergabeprozess gestellt.

Auf die Frage, wie sich die Margen bei Prolongationen bestehender Darlehen innerhalb der vergangenen sechs Monate entwickelt haben, zeigt sich bei den teilnehmenden Kreditinstituten ein eindeutiges Bild. Bei acht Banken sind die Margen leicht gestiegen. Die Deutsche Hypo - NORD/LB Real Estate Finance hielt die Margen stabil. Drei Institute machten hier keine Angabe.

Darüber hinaus sieht der Großteil der befragten Kreditinstitute ein erschwertes Neugeschäft für Projektentwicklungen im Jahr 2023 verglichen mit dem Vorjahr. Lediglich die HELABA geht davon aus, dass sie ein vergleichbares Neugeschäftsvolumen für Developments erreichen wird. Acht Banken rechnen mit einem niedrigeren Volumen für Neugeschäft bei Projektentwicklungen. Die Berlin Hyp sieht sogar einen deutlichen Einbruch. Zwei Institute machten keine Angaben.

Rahmenbedingungen und Ausblick

Die aktuell angespannte Lage am Immobilienmarkt wird sich auch mindestens bis Jahresende 2023 fortsetzen. Zwar entschied sich die Europäische Zentralbank im Oktober 2023 nach zehn Zinserhöhungsschritten gegen eine weitere Erhöhung des Leitzinses, jedoch stellt das nun hohe Zinsniveau viele Marktteilnehmer vor große Herausforderungen und hemmt auf diese Weise das aktuelle Marktgeschehen. Im abgelaufenen dritten Quartal setzt sich der bisherige Trend des Jahres 2023 fort. Mit etwa 8 Milliarden Euro liegt das Investmentvolumen zwar leicht über den Ergebnissen der beiden Vorquartale, im Jahresvergleich reduzierte sich das Ergebnis nach neun Geschäftsmonaten um mehr als die Hälfte auf 22,9 Milliarden Euro. 

Etwas Grund zur Hoffnung für eine leichte Entspannung am Finanzierungsmarkt gibt der Deutsche Immobilienfinanzierungsindex (DIFI). Dieser, in Kooperation von JLL und dem Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut erhobene Index, beschreibt die aktuelle Lage des Immobilienfinanzierungsgeschäfts und dessen zukünftigen Erwartung. Mit minus 33,5 Punkten liegt der DIFI aktuell noch eindeutig im negativen Bereich. Allerdings erwarten die befragten Experten und Expertinnen ein deutliches Aufklaren des Finanzierungsgeschäfts.

Die steigenden Liquiditätsengpässe ermöglichen insbesondere internationalen Kapitalgebern einen Marktzugang zum deutschen Immobilienmarkt. Da deutsche Bestandshalter nun auch bei nationalen Geldgebern mit erhöhten Margen konfrontiert sind, herrscht eine deutlich höhere Bereitschaft, auf flexiblere internationale Banken bzw. alternative Kreditgeber zurückzugreifen. Aber auch hier spielen die gleichen Faktoren eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Finanzierbarkeit einzelner Projekte. Stabile Cashflows, Nachhaltigkeitskriterien und Preisstabilität der Assetklassen sind maßgebend für die verfügbare Kreditsumme.

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