Research

Mitwirkende:
  • Thomas Sevcik, Arthesia
  • Matthias Barthauer
22. März 2022

Urban Evolution

Wie verändern sich unsere Städte und welche Potenziale können wir nutzen? JLL und die auf Narrative spezialisierte Strategie-Boutique Arthesia haben sich in einer Kooperation mit den Zukunftsfragen unserer Städte auseinandergesetzt. Thomas Sevcik, Gründer von Arthesia und Mastermind der Wolfsburger Autostadt sowie die JLL-Researcher Helge Scheunemann und Matthias Barthauer haben auf dieser Basis gemeinsam das Konzept-Papier „Urban Evolution“ entwickelt.

Die Stadt bietet mehr!

Athen, 1933. Hier wurde bei einem internationalen Städtebaukongress die sogenannte „Charta von Athen“ mit einer strikten Nutzungstrennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit in städtischen Strukturen verabschiedet. Über 70 Jahre hat dieses Leitbild unsere Städte geprägt und angesichts des enormen Bevölkerungswachstums, verbunden mit der dramatischen Zunahme des Automobilverkehrs, erschien dieses Konzept sinnvoll. 

Doch ist dieses Leitbild tatsächlich der historische Grundgedanke von Städten? Sicherlich nicht, denn ihr Wachstum und ihre Prosperität begannen lange vorher. In der vorindustriellen Stadt entstanden Zentren an den Kreuzungen von Handel und Kommunikation, das soziale und wirtschaftliche Leben fand auf öffentlichen Plätzen, Straßen und anderen Orten für Handelszwecke statt. Und vor allem: Gebäude erfüllten einen multifunktionalen Zweck. Immobilien, in denen gleichzeitig gelebt, gewohnt, gearbeitet und gehandelt wurde. Der Schilder- und Büchsenmacher oder der Taschenhersteller produzierte in der Stadt und verkaufte dort meist sofort die Waren. Produktion fand parallel mit dem Handel statt, das Wort Monostruktur existierte noch gar nicht. 

Schon vor dem Leipziger Dokument 2007 - offiziell trägt es den Titel Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt - fand eine Rückbesinnung auf vorindustrielle Stadtstrukturen statt. Die nutzungsgetrennte Stadt wurde kritisch hinterfragt und der Begriff Nachhaltigkeit fand erstmals Eingang in eine zukunftsorientiere Stadtentwicklung. Kurzum, das heutige Leitbild ist die gemischte und nachhaltige Stadt mit kurzen Wegen. Und dennoch dauerte es zehn Jahre, bevor die Bauleitplanung mit dem Urbanen Gebiet die rechtliche Grundlage dafür geschaffen hat, dass eine höhere bauliche Dichte und eine breitere Nutzungsmischung dort ermöglicht wurde, wo es bislang baurechtlich strikt untersagt war.

Die Stadt der Zukunft wird sich nicht ausschließlich über die Innenstädte definieren. Vielmehr liegt das Potenzial außerhalb der Kerngebiete, in der sogenannten Zwischenstadt. Also alles das, was weder Innenstadt noch klassischer grüner Vorort ist. In vielen Städten wie etwa Köln, Berlin oder Paris liegt sie traditionellerweise außerhalb des historischen Eisenbahnrings. Wichtige Infrastrukturen wie Flughäfen, Häfen aber auch große Büro- und Logistikzonen sind Teil dieser Zwischenstadt. 

Unter diesen Vorzeichen sehen wir insbesondere zwei Entwicklungen, die unsere Städte und die Immobilienmärkte in den nächsten Jahren verstärkt beeinflussen: Die Ansiedlung von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in der Stadt unter neuen Bedingungen – als Neomanufacturing verstanden - und die neue industrielle Produktion von Lebensmitteln, das Vertical Farming.

Sie stellen im Sinne eines multifunktionalen Stadtgefüges interessante Nutzungsoptionen dar, die sowohl für Immobilienentwickler und Investoren als auch für städtische Entscheidungsträger von Relevanz sind.

Diese neuen Nutzungsarten sind auch aufgrund der gesellschaftspolitischen Diskussionen rund um das Thema Resilienz von großer Bedeutung. Dieses hat eine bessere Versorgungslage in speziellen Situationen bzw. gewisse Autarkie-Elemente und des Near- und Onshorings - die Rückverlagerung von Wertschöpfungsteilen aus Asien oder anderen Regionen nach Europa oder gar ins eigene Land - auf die Agenda westlicher Länder gebracht. Lokale Produktion und Versorgung bekommen wieder ein stärkeres Gewicht. Ein Gewicht, welches durch die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (Sustainable Development Goals, SDG) verstärkt wird. Die neuen Nutzungsarten zahlen dabei insbesondere auf die Ziele 9 (Industrie, Innovation und Technologie), 11 (nachhaltige Städte) und 12 (verantwortungsvolle Produktion und Konsum) ein.

Vertical Farming

  • Vertical Farming ermöglicht eine wetterunabhängige Produktion an 365 Tagen in unterirdischen Tunneln oder im 100. Stockwerk eines Wolkenkratzers.

  • Weltweit ist ein Salatkopf im Schnitt 3.700 Kilometer bis zum Endverbraucher unterwegs – bei Vertical Farming kann der Transport fast vernachlässigt werden.

  • Für Vertical Farming gibt es in Deutschland potenzielle Lagerimmobilien mit einer Gesamtfläche von 50 Mio. m².

  • Mit diesen 50 Mio. m² Hallenfläche ließe sich der tägliche Kalorienbedarf aller Bürger in den 80 deutschen Großstädten decken.

  • Nun ist Mut bei allen Immobilienakteuren und der Politik gefragt, um Pilot- und Leuchtturmprojekte zu entwickeln.

Was genau ist Vertical Farming?

Unter Vertical Farming verstehen wir die Produktion von pflanzlichen oder tierischen Produkten in mehreren übereinander gelagerten Ebenen. Vertical Farming kann in einem kompletten Gebäude oder in einzelnen Stockwerken einer Immobilie (z.B. Keller oder Dächer) und sowohl mit und ohne Tageslicht genutzt werden. Die Größe einer Vertical Farm variiert von der Mikro-Produktion für die Belieferung einzelner Restaurants bis hin zur industriellen Großproduktion.

In unserem hier verstandenen Sinn meint Vertical Farming die industrielle, großräumige Produktion von landwirtschaftlichen Produkten wie Salate, Beeren oder Kräutern.1 Ermöglicht hat dies eine starke technologische Entwicklung im Bereich des LED-Lichts sowie von Steuerung und Sensorik. Die Ernteeffizienz des Vertical Farmings ist dabei um ein Vielfaches höher als in der traditionellen Landwirtschaft oder in Gewächshäusern. Bei einigen Produkten sogar um das 100fache. Das heißt, ein Quadratmeter Grundfläche in einer Vertical Farm erzielt die gleichen Ernteerträge, die auf 100 m² konventioneller landwirtschaftlicher Fläche erwirtschaftet werden. Sogar Supermarktketten im industriellen Maßstab können mit Lebensmitteln, die durch Vertical Farming erzeugt wurden, beliefert werden. Ein Spezialgebiet von Vertical Farming sind für die industrielle Landwirtschaft genutzte Dachflächen von Supermärkten oder anderen Gebäuden wie zum Beispiel der Rewe-Markt in Wiesbaden.2 Auf der ca. 1.000 m² großen Dachfarm wachsen rund 800.000 Basilikumbäume, die als Dünger Ausscheidungen der Fische erhalten, die ebenfalls vor Ort gezüchtet werden und rund 480 Rewe-Märkte mit diesen Kräutern beliefern. Diese Kombination aus Fisch- und Pflanzenzucht wird Aquaponic genannt und kann bei entsprechender Ausgestaltung eine industrielle Großproduktion annehmen. Ein anderer Betreiber solcher Rooftop-Farming Konzepte in deutlich größerer Dimension ist Lufa-Farms aus Kanada3 mit einer Produktionsfläche von bis zu 15.000 m². Wichtig an dieser Stelle ist die Abgrenzung zum sogenannten Urban Gardening, welches in erster Linie der Selbstversorgung dient und nicht Teil unserer Betrachtung ist.

Quelle: Infarm - diephotodesigner.de

 „Vertical Farming ist eine Investition in die Zukunft, denn es stellt sich die Frage, wie lange wir im Feld noch ausreichend Nahrungsmittel produzieren können. Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft solche Systeme dringend brauchen, um genügend Nahrungsmittel bereitzustellen.“

Prof. Dr. Stefan Schillberg, Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME

Neben der gesellschaftspolitischen Relevanz des Vertical Farmings steigt durch den klimatischen Wandel das Risiko von Ernteausfällen, wodurch Liefer- und Versorgungsengpässe ab Mitte dieses Jahrhunderts dramatisch zunehmen werden4. Besonders im Pflanzenbau bestimmt das Klima maßgeblich, welche Arten angebaut werden können und die Witterungsbedingungen einer Vegetationsperiode sind entscheidend für die Höhe und Qualität des Ertrags der landwirtschaftlichen Kulturen. Diese Faktoren können durch den Einsatz neuer Technologien im Rahmen des Vertical Farmings eliminiert werden.

Chancen und Risiken von Vertical Farming als industrielle Großproduktion

Was spricht dafür, dass Vertical Farming im Bereich der industriellen Großproduktion eine signifikante Wachstumsperspektive hat?

Nachhaltigkeit:
Die traditionelle Landwirtschaft verbraucht jährlich 67 % der globalen Süßwasserversorgung und bis 2050 werden schätzungsweise 50 % der Weltbevölkerung von Wasserknappheit betroffen sein. Vertical Farming benötigt 70-95 % weniger Wasser und 10-20-mal weniger Boden als traditionelle Landwirtschaft.  

Planungssicherheit:
Bei Vertical Farming sind die Erträge planbar. Natürlich kann es durch äußerliche Einflüsse zu einer Störung der Produktion kommen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit aber dank der eingesetzten Technik und der regelmäßigen Versorgung mit Wasser, Licht und Nährstoffen auf ein Minimum reduziert werden kann.

Selbstversorgung:
In Bezug auf die Versorgung mit Lebensmitteln haben Störungen in internationalen Lieferketten und damit einhergehend der Aspekt der Selbstversorgung eine besondere Brisanz. In Norwegen beispielweise werden 70 % des im Land konsumierten Obsts und Gemüses importiert. Der in Oslo ansässige größte norwegische Vertical Farmer BySpire hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Anteil bei ausgewählten Produkten um 30 Prozentpunkte zu reduzieren5. Während die deutsche Landwirtschaft deutlich mehr Fleisch, Milch, Kartoffeln und insbesondere Zucker produziert, als für die Bevölkerung in Deutschland benötigt werden6, liegt der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse über alle Sorten hinweg bei lediglich 37 %7. Es gibt Gemüsesorten wie Weiß- oder Rotkohl, die nicht importiert werden müssen, andere Sorten hingegen zu einem hohen Anteil wie z.B. Tomaten mit 96 %.

Kurze Transportwege:
Ein niedriger Grad der Selbstversorgung mit einem entsprechend hohen Anteil von Importen führt zwangsläufig zu langen Transportwegen für einzelne Lebensmittel. So werden fast 13.000 Tonnen Gemüse pro Jahr nach Deutschland eingeflogen. Das betrifft in erster Linie Produkte, die leicht verderblich sind, wie zum Beispiel Kräuter, Sprossen, Erbsen oder Bohnen8i. Mit Vertical Farming kann es gelingen, Transportwege ausgewählter Produkte deutlich zu reduzieren.

„Vertical Farming ist ein wesentlicher Schritt in die Zukunft, der die traditionelle Landwirtschaft ergänzt, nicht ersetzt. Wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen, müssen wir das machen. Wir können auf den Zug aufspringen oder mit dem Fernglas hinterherschauen.“

Christine Zimmermann-Lössl, Association for Vertical Farming

Trotz der vielen Argumente für eine schnelle Weiterentwicklung von Vertical Farming müssen auch einige Hürden genommen werden:

Akzeptanz der Verbraucher:
In Deutschland ist das traditionelle Bild der Landwirtschaft bei vielen Menschen fest verankert. Deutschlands Böden sind besonders fruchtbar und gehören zu den ertragreichsten der Erde9. Der Schwenk auf eine erde- und sonnenlose Indoor-Produktion erscheint vielen unnatürlich. So können Produkte aus dem Vertical Farming nach den geltenden EU-Richtlinien auch nicht als Bio gekennzeichnet werden, da der ökologische Landbau eine bodenbezogene Produktion fordert10. Dennoch kann Vertical Farming helfen, den Zielkonflikt zwischen steigendem Qualitätsbewusstsein der Konsumenten und deren Preissensibilität zu lösen. Technisch erzeugte Lebensmittel in einer Vertical Farm müssen nicht teuer sein.

Flächenplanung:
Vertical Farming taucht bisher noch nicht im Bau- und Planungsrecht für Industrie- und Gewerbeflächen auf. Und auch innerhalb der Kategorie landwirtschaftlich genutzte Flächen sucht man nach dieser Begrifflichkeit vergeblich. Für Betreiber, die für einen Neu- oder Umbau auf eine Baugenehmigung angewiesen sind, ist das eine Herausforderung. Rechtlich ist Vertical Farming noch ein Niemandsland. Die Politik ist hier gefordert, rechtliche Sicherheit und Klarheit für alle Beteiligten herzustellen. 

Energiekosten:
Während die Versorgung mit Wasser im Kreislauf geschieht und Angaben der Branche zufolge nur 5 bis 10 % des Verbrauchs der traditionellen Landwirtschaft erfordert, ist der Stromverbrauch auf hohem Niveau. Die Beleuchtung mithilfe zahlreicher LED-Lampen sorgt für hohe Kosten und trübt bei Stromerzeugung aus nicht erneuerbaren Energien auch die Umweltbilanz. Eine räumliche Nähe zu Rechenzentren, die viel Wärme und damit Energie produzieren, die wiederum in den Kreislauf einer Vertical Farm zugeführt werden kann, könnte eine attraktive Lösung darstellen.

Status Quo und Case Studies

Während Vertical Farming in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, sind Länder in Ostasien wie Singapur, Japan, Vereinigte Arabische Emirate und China globale Vorreiter. Da in Singapur weniger als 10% der Lebensmittel lokal produziert werden, hat sich die Agri-Food and Veterinary Authority of Singapore zum Ziel gesetzt, die Selbstversorgungsquote deutlich zu steigern11. Dieses Ziel haben andere Länder, in denen die traditionelle Landwirtschaft mit schwierigen klimatischen Bedingungen konfrontiert ist, wie zum Beispiel Dubai. Hier müssen zwangsläufig innovative Alternativen gefunden werden. Stand heute sind weltweit rund eine halbe Million m² Fläche (Grundfläche) mit vertikaler Landwirtschaft in Gebäuden belegt.

Fischer Farms, Norwich (UK)
Fischer Farms wurde 2016 von Tristan Fischer in der Nähe von Norwich (UK) gegründet und produziert auf einer Gesamtfläche von ca. 30.000 m² Rucola-Salat sowie Kräuter (1 gemietete Halle à 5.000 m², 1 Halle im Besitz à 25.000 m²). Die Erzeugnisse werden als “weiße Ware” (ohne eigene Marke) an Supermärkte geliefert. Laut Eigentümer erreicht Fischer Farms einen 150 Mal höheren Ernteertrag im Vergleich zur klassischen Landwirtschaft.

In Europa ist die Entwicklung in Großbritannien und Nordeuropa am weitesten vorangeschritten. Auch aufgrund des Brexits wollen viele Lebensmittelanbieter in Großbritannien unabhängiger von Importen sein. In Dänemark findet man in der Nähe von Kopenhagen die nach eigener Aussage größte vertikale Farm Europas, in der 14 Etagen auf einem 7.000 m² großen Grundstück untergebracht sind12. Kalera, eines der größten Vertical-Farming-Unternehmen ist in Norwegen beheimatet. Dort sind für den stark subventionierten Agrarsektor karge Böden und schwierige klimatische Bedingungen herausfordernd. Hier bietet Vertical Farming trotz seiner Energieintensität eine geeignete Alternative zur Lebensmittelproduktion: Norwegen gehört zu den Ländern mit den weltweit niedrigsten Strompreisen. Auch wenn Deutschland am anderen Ende der Rangliste mit ungefähr viermal so hohen Strompreisen wie Norwegen liegt, nimmt auch hierzulande Vertical Farming an Fahrt auf. Ende 2021 gab die Greenman Group, Immobilieninvestor und Fondsmanager von Einzelhandelsimmobilien, bekannt, mit der Gründung ihrer Tochtergesellschaft Potager Farm in das Vertical Farming-Geschäft einzusteigen. Start ist ein Pilotprojekt in Berlin mit zwei Farmen, um den Lebensmitteleinzelhandel mit lokal produziertem Gemüse zu versorgen.

Ein bereits in Deutschland etablierter Akteur ist das 2013 in Berlin gegründet Unternehmen infarm, welches als Vertical-Farming-Netzwerk in insgesamt elf Ländern agiert. In Deutschland hat infarm drei große Farmen („Growing Centres“) in Berlin-Spandau, Hannover-Langenhagen und in Pfungstadt. Die Wachstumsziele des Unternehmens sind ambitioniert: Bis 2030 will infarm mit 100 Growing Centres in 20 Ländern operativ tätig sein.

„Regarding energy supply, our requirement is within industry standards of vertical farming, and we endeavour to become a leader in the reduction of required power through our continued investment in R&D. We work closely with all our landlord and real estate partners to ascertain the available power at hand and develop solutions to begin and then scale operations according to power.“

Eilam Gazit, SVP Operations at Infarm

Anforderungen an den Standort und die Immobilie

Akteure verschiedener Branchen sowie Forschungsinstitute und private Industrieunternehmen beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung von Technologien und technischer Ausrüstung für Vertical Farming. Für Städte und Kommunen ist dieses Thema weitestgehend neu, wenngleich die Ansiedlung von Vertical Farming-Unternehmen aus wirtschafts- und umweltpolitischer Sicht an Relevanz gewinnt. Hier entsteht ein Bedarf an geeigneten Standorten und Immobilien, der für Projektentwickler und Immobilieneigentümer bedeutsam wird. Die Anforderungen der Betreiber lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Adresse:
Aufgrund der kurzen Wege werden Standorte im urbanen Raum präferiert. Darüber hinaus sind Standorte in peripheren Lagen mit guter Anbindung an Ballungsgebiete mit einer maximalen Entfernung von zwei Stunden geeignet. Die unmittelbare Nähe zu Logistikzentren, die als Distributionszentren der Einzelhändler fungieren, wäre von zusätzlichem Vorteil. So kann die Frische der Produkte gewährleistet und die Kosten der Lieferkette deutlich reduziert werden. 

Gebäudeart:
Für eine konstante bzw. regelbare Temperatur und Luftfeuchtigkeit bedarf es einer dichten Gebäudehülle. Die eigentliche Produktion muss in einer cleanen Umgebung stattfinden. Grundsätzlich kommen hierfür nahezu alle Hallenflächen in Betracht, auch ältere Immobilien, die aufgrund ihres Zuschnitts für logistische Nutzung ungeeignet sind. Im Zuge einer nachhaltigen Stadtentwicklung und der Reduzierung des Individualverkehrs wird sogar über eine Umnutzung von innerstädtischen Parkhäusern diskutiert. 

Gebäudegröße:
Innerhalb städtischer Strukturen variiert die Grundfläche üblicherweise zwischen 1.000 und 5.000 m². Außerhalb der Städte erstrecken sich die Flächen auf bis zu 25.000 m². Darüber hinaus ist eine Deckenhöhe von mindestens 12 Metern wünschenswert. Bei einem nicht-vollautomatisierten Betrieb kalkulieren die Betreiber für die Installation der notwendigen technischen Ausstattung mit Kosten von ca. 1.300 €/m² Grundfläche. 

Mitarbeiter:
Auf rund 1.000 m² Produktionsfläche arbeiten etwa drei Mitarbeiter. Vertikale Landwirtschaft ist im Vergleich zur traditionellen Landwirtschaft technologie- und softwareintensiv. Ingenieurtechnisches Know-how wird benötigt, um die Nutzung der Ausrüstung für den Anbau zu optimieren. Höhere Investitionen in Agri-Tech und Universitäten erhöhen den Pool an potenziellen Arbeitskräften für die Farmen. 

Versorgung:
Neben der Versorgung mit Zu- und Abwasser (Verbrauch ist aufgrund des geschlossenen Kreislaufes begrenzt) muss die Deckung des hohen Strombedarfs berücksichtigt werden, die im Idealfall über erneuerbare Energien erfolgt.

Es gibt weitere Spezialformen des Vertical Farmings, die sogenannte Mikro-Produktion mit deutlich kleineren Einheiten. Hierzu zählen auch die in Supermärkte integrierten Miniatur-Gewächshäuser oder Regale des deutschen Betreibers Infarm13. Im Zuge von Kooperationen hat Infarm seine gläsernen transparenten Hochregale in den Märkten von Edeka, Rewe oder Metro aufgestellt, die deren Betrieb selbst finanzieren. In diesen Regalen wachsen die Pflänzchen bis zur Ernte vor den Augen der Kunden, um im Anschluss samt Wurzeln an der Frischetheke verkauft zu werden. Diese Mini-Gewächshäuser dienen als eine Art Show-Room zur Sensibilisierung der Konsumenten für landwirtschaftliche Produktion. Als weiteres Beispiel dient IKEA. Auf dem Gelände zweier Verkaufshäuser in Schweden wurden Schiffscontainer platziert, in denen Kräuter und Gemüse gezüchtet werden. 

Das Start-up Vertical Ocean14 aus Singapur dehnt die Begrifflichkeit des Vertical Farmings noch weiter aus, in dem Schrimps und Garnelen in sogenannten Aqua Towers gezüchtet werden. Diese Aufzucht kann nach Angaben des Unternehmens in nahezu allen Gebäudetypen erfolgen, auch innerhalb städtischer Räume. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als das weltweit nachhaltigste Unternehmen in Bezug auf die Produktion von Meeresfrüchten.    

Durch die vielfältige Betrieberlandschaft und diverse Vertical Farming Konzepte ist die Nutzung aller Immobilientypen für die vertikale Landwirtschaft denkbar. 

Mögliche Immobiliennutzung Vertical Farming

Lage Spezifikationen Einschränkungen
Lagerhalle Zwischenstadt,
näheres Umland
ca. 1.000-5.000m²
(ggf. größer und Nähe zu Distribution)
Kein Lichteinfall,
Energiekosten
Büroimmobilie Zwischenstadt,
näheres Umland
großflächig, B- und C-Qualität Deckenhöhe, Anlieferung,
Planungsrecht
Parkhäuser Innenstadt, Zwischenstadt Deckenhöhe, Anlieferung,
Umbaukosten, Planungsrecht
Supermarkt Zwischenstadt Rooftop-Farming, in Kombination mit
Verkauf direkt vor Ort, natürliches Licht
Geringe Skalierbarkeit,
Händlergebunden

Vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um eine traditionelle und etablierte Nutzungsform handelt, halten wir zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland vor allem kleinere Lagerhallen zwischen 1.000 und 5.000 m² für geeignet. Welches Potenzial bietet sich hierzulande für Betreiber und Entwickler? Auf der Basis eines deutschlandweiten Lagerflächenbestandes von rund 350 Mio. m² entspricht nach unserer Einschätzung ein Siebtel der Gebäude einer Größenordnung zwischen 1.000 und 5.000 m². Das entspricht insgesamt 50 Mio. m², wovon rund 5,5 Mio.m² auf die Big 5-Ballungszentren entfallen.    

Mit einem 5er Mix aus frischen Lebensmitteln, zum Beispiel einem Rucolasalat zur Vorspeise, einer Minestrone aus Kirschtomaten, Zucchini und Bohnen als Hauptgang und einem gesunden Dessert aus Erdbeeren (und das jeden Tag), werden bei kompletter Nutzung der geeigneten 50 Mio. m² Hallenflächen ALLE Einwohner der 80 deutschen Großstädte an insgesamt 365 TAGEN vollständig ernährt.

Die nachfolgenden Karten dokumentieren die Lagerflächenanmietungen seit 2019 in den Regionen Berlin und Frankfurt am Main. Diese Flächen wurden von Logistikern, Industrieunternehmen oder auch Handelskonzernen angemietet. Grün hervorgehoben sind sämtliche Vermietungen, die sich in einer Größenordnung von 1.000 bis 5.000 m² Grundfläche befanden. Hierdurch wird deutlich, dass es im urbanen Raum durchaus Optionen von geeigneten Lagerimmobilien gibt, die grundsätzlich auch für Vertical Farming geeignet sind.

Der Investment Case

Aus Immobilieninvestorensicht ist Vertical Farming als Nischenprodukt einzustufen. Für langfristige und innovativ denkende Investoren, die Mut zu einer stärkeren Durchmischung ihrer Portfolien zeigen, sind diese Immobilien eine interessante Alternative abseits der traditionellen Assetklassen. Das anhaltend niedrige Zinsniveau lenkt Kapitalströme vermehrt in Immobilien, was zu einer Zunahme des Wettbewerbs um attraktive Objekte führt. 

Die zu erzielenden Mietpreise liegen mit 3 bis 7 Euro/m²/Monat durchaus im Bereich anderer logistischer Nutzungen und sind abhängig von Lage und Ausstattung der Immobilie. Wir sehen in erster Linie Investitionsmöglichkeiten für Lagerhallen, die aufgrund ihres Zuschnitts nicht für logistische Nutzungen geeignet sind und mit entsprechenden Umbaumaßnahmen für die industrielle Fertigung von Lebensmitteln geeignet wären. Erzielbare Renditen schätzen wir mit derzeit 4% bis 5% etwas höher ein, als sie bei klassischen Logistikimmobilien erzielt werden. Der für Investoren wichtige Drittverwendungsfähigkeit wird durch eine übliche Rückbauverpflichtung der Nutzer Rechnung getragen. Einzelne Marktakteure sehen künftig auch Neubauprojekte als Möglichkeit zur Expansion.

„Die industriell in Vertical Farms produzierten Nahrungsmittel sind aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen etwas teurer. Doch die Technik entwickelt sich hier sehr schnell, so dass die Produktionskosten ebenfalls sinken werden.“

Mario Gatineau, Geschäftsführer Potager Farm GmbH

Die Mietvertragslaufzeiten liegen nach unseren Recherchen zwischen 5 und 10 Jahren, bei vom Betreiber gewünschten kürzeren Laufzeiten sinkt die Attraktivität als Investmentprodukt. Hinzu kommt, dass viele Betreiber als Start-ups gelten, sodass die Investmentsicherheit nicht ausreichend gegeben ist. Dieses Risiko wird von konservativen Investoren wie Versicherungen oder Pensionskasse häufig (noch) nicht getragen. Im Zuge der weitergehenden Diskussionen rund um das Thema Nachhaltigkeit und die damit einhergehenden Regularien für Kapitalsammelstellen, ist von einer steigenden Nachfrage nach geeigneten Immobilien auszugehen.  Die Transaktionsvolumina werden sich eher im kleineren Segment mit Volumen von bis zu 50 Mio. Euro bewegen. 

Außerhalb der Immobilienwirtschaft ist der Markt bereits weiter fortgeschritten, wie ein Blick auf die Aktivitäten von Finanzinvestoren, deren Investments sich auf derartige neue Technologien fokussiert, zeigt. In den vergangenen fünf Jahren ist global ein deutlicher Trend bei Investitionen von Venture Capital in Start-ups und andere Unternehmen zu beobachten, mit einem Fokus auf Indoor Farming und neuen landwirtschaftlichen Technologien. In Europa wurden seit 2016 mehr als 730 Mio. US-Dollar Venture Capital allein in Indoor Farming-Unternehmen und weitere 9,2 Mrd. US-Dollar in AgricultureTech investiert.

Fazit

Für den Immobiliensektor steht Vertical Farming für eine neuartige Asset-Subklasse. Das spannende daran: Vertical Farming hat das Potenzial, ungenutzte Hallen, die aus geometrischen oder geographischen Gründen für Logistik nicht optimal geeignet sind, einer neuen Nutzung zuzuführen. Vertical Farming steht in Deutschland noch am Beginn seiner Industrialisierungsphase. Der Immobiliensektor ist bei der weiteren Entwicklung ein wichtiger Akteur und Begleiter.

Wir sehen...

… klare Anzeichen für eine neue Immobilien-Assetklasse 

… einen deutlich steigenden Kapitalzufluss von Finanzinvestoren in Start-up-Unternehmen dieses Sektors

… regulatorische und rechtliche Unklarheiten mit einem hohen Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf aller Beteiligten 

… dass städtische Akteure beim Thema Vertical Farming tendenziell noch unsicher agieren - „in welche Schublade gehört es?“

… eine Chance für Deutschland, seinen Zielkonflikt zwischen guter Qualität, und fairen Preisen in adäquaten Mengen deutlich zu mindern

… Vertical Farming als Möglichkeit, den klimapolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte zu begegnen



Neomanufacturing

  • Die Rückkehr der Produktion und deren Einbindung in städtische Strukturen steht ganz oben auf der Agenda von Stadt-Verantwortlichen.

  • Produktion muss Teil einer durchmischten Stadt und ihrer Quartiere sein.

  • Industrie 4.0 sowie neue Technologien eröffnen für leerstehende Büro- und Einzelhandelsflächen attraktive Möglichkeiten.  

  • Technologieoffenheit statt starrer Regulierung im Planungsrecht hilft, die Lücke zu technologischen Entwicklungen zu schließen.

  • Ein „Made in…“ Siegel unterstützt städtische Marketing-Kampagnen und zahlt auf den Wunsch vieler Konsumenten nach mehr Lokalität ein.

  • In den Big-7-Märkten sehen wir für Neomanufacturing ein Flächenpotenzial in leerstehenden Erdgeschossen in Bürogebäuden der „Zwischenstadt“ von rund 186.000 m².

Was genau ist Neomanufacturing?

Urbane Produktion bezeichnet die Herstellung und Bearbeitung materieller Güter in dicht besiedelten Gebieten, die häufig lokale Ressourcen und lokal eingebettete Wertschöpfungsketten nutzt15.  Eine neue Entwicklung ist zum einen der häufige Einsatz innovativer Technologien und Werkstoffe, der neue Möglichkeiten zur Herstellung individueller Produkte in häufig kleinen Stückzahlen ermöglicht. Zum anderen der emotionale Bezug zum Herstellungsort und das damit verbundene Produktimage. Urbane Produktion verbunden mit diesen neuen Entwicklungen verstehen wir als Neomanufacturing.

Neomanufacturing bedeutet, dass sich produzierendes Gewerbe – sei es eine Fabrik, eine Manufaktur oder das Handwerk – in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten einer Stadt ansiedelt. Industriebetriebe, die sich in abgegrenzten Gewerbe- oder Industriegebieten – wenn auch innerhalb der Stadtgrenzen – befinden, sind damit nicht gemeint.

Die Nähe zu Wohnen und anderen Nutzungstypologien verlangt emissionsarme und ressourceneffiziente Produktions- und Transportweisen, um Nutzungskonflikte zu vermeiden. Der technologische Wandel und die Digitalisierung von (industriellen) Produktionsformen ermöglichen eine stadtverträglichere Herstellung. Dies impliziert veränderte Ansprüche an die Standorte im städtischen Raum, an Wirtschaftsflächen und Immobilien sowie an neue Arbeitsformen und notwendige Fachkräfte. Letztendlich vereinen sich im Segment Neomanufacturing alle Unternehmen der Branchen, die als stadtaffin zu bezeichnen sind. Hierzu gehören die Wirtschaftsbereiche

  • Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT),

  • Spitzen- oder hochwertige Technologie (Hightech), Gesundheitswirtschaft, Kreativwirtschaft,

  • Handwerk und Urban Farming/Urban Gardening.16

In den weiteren Ausführungen exkludieren wir das Urban Farming, da es sich um eine Sonderform handelt, der ein eigenes Kapitel gewidmet wird (siehe oben).
Neomanufacturing ist in erster Linie aus zwei Gründen attraktiv. Es bringt Arbeitsplätze außerhalb des Dienstleistungs- und Wissenssektors zurück in die Städte (Facharbeiter, Spezialistinnen, „Blue Collar Worker“), was aus gesellschaftlich nachhaltiger sowie politischer Sicht gewollt ist. Dies wiederum macht für Unternehmen eine Produktion im urbanen Setting und die damit ermöglichte Verwendung von Stadt-Labeln attraktiv. (Made in Zürich, Made in Hamburg). Dies ist insbesondere für Lifestyle-Produkte wie Fahrräder, Mode, Uhren, Brillen aber auch vermehrt für größere Produkte wie Elektroroller, spezielle Elektroautomobile oder gar Drohnen ein klarer Vorteil in der Produktvermarktung. Doch auch die Städte profitieren von diesen Labels und Slogans, Unternehmen werden Markenbotschafter einer Stadt. Das wachsende Bedürfnis nach Regionalität oder Lokalität beobachten wir bereits seit Längerem in der Getränke- und Lebensmittelindustrie. Becks Bier verwendet das Stadtwappen von Bremen, Bitburger Bier oder Jever nutzen in ihren Werbefilmen Landschaftsaufnahmen der Eifel oder aus Friesland. Nun setzt sich dieser Trend im Industriesektor fort. Man denke an den Stolz der Mainzer Bürgerinnen und Bürger, als ihr Unternehmen Biontech den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt hat. Der Rasierer-Produzent Gilette wirbt mit seiner über 80-jährigen Standorttreue in Berlin-Tempelhof unter Verwendung des Slogans Made in Berlin in seinen Werbespots. Und auch der Fahrradhersteller Stevens bekennt sich mit dem Stadtwappen zur Produktionsstätte Hamburg. Neben den Marketingaspekten, fungieren in den letzten zwei Jahren auch die Kritik an globalisierten Lieferketten und das Streben nach städtischer ökologischer Kreislaufwirtschaft als Beschleuniger des Trends.

Chancen und Risiken von Neomanufacturing als bedeutendem Wirtschaftsfaktor

Was spricht dafür, dass Neomanufacturing in den Städten in Deutschland an Bedeutung gewinnen wird, und welche Risiken stehen einer positiven Entwicklung gegenüber?

Versorgungssicherheit:
Unternehmen verschiedener Branchen, deren Produktion im entfernten Ausland ansässig war, suchen produktionsseitig vermehrt die Nähe zu ihren Kunden. Dies kann als Nearshoring ins nahegelegene Ausland oder als Onshoring direkt nach Deutschland erfolgen. Im Herbst 2021 gaben bei einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages acht Prozent der Unternehmen an, ihre Produktion als Reaktion auf den Rohstoffmangel und Lieferengpässe an neue Standorte zu verlagern. Ein aktuelles Beispiel ist die Ankündigung von C&A, die Textilproduktion in Deutschland wieder aufnehmen zu wollen. Von den Konsumenten wird wahrgenommen, dass die nationale und lokale Produktion einer höheren Versorgungssicherheit dient. Der Slogan „Support your locals“ gewinnt deutlich an Relevanz.

Klimaschutz:
Die Nähe der Produktion zu den Absatzmärkten sorgt für kurze Lieferwege und eine Vermeidung von Transport Emissionen. Die aktuell intensiv geführte Debatte um den Klimaschutz wird eine signifikante Wachstumschance für Unternehmen des Bereichs Neomanufacturing begünstigen.

Quartiersentwicklungen:
Die Entwicklung von Quartieren, die Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Kultur inkludieren, wird von Bewohnern gefordert und von Städten forciert. Auch Förderprogramme des Bundes und der Länder wie die Städtebauförderung haben sich zum Ziel gesetzt, Vielfalt und Funktionsmischung in den Städten zu erhalten bzw. zu etablieren. Hiervon können Unternehmen profitieren, die auf kleiner Fläche emissionsarm produzieren.

Wirtschaftspolitik:
Aufgrund der föderalen Struktur gibt es in Deutschland einen großen Wettbewerb der Regionen und Städte untereinander. Die Ansiedlung von Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe erhöht nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch den Beschäftigungsgrad innerhalb der Stadtgrenzen. Zudem ist es den Städten daran gelegen, mithilfe von Neomanufacturing die Pendlerzahlen und den Lieferverkehr zu reduzieren, um damit die CO2-Bilanz zu verbessern. 

„Berlin ist die Zukunftshauptstadt der Ideenrepublik Deutschland. Mit Einfallsreichtum, kreativen Lösungen und neuen Technologien wird hier gezeigt, wie wichtig eine starke Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft ist – gerade im Bereich der urbanen Produktion.“

Dr. Stefan Franzke, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH

Aktuell gibt es allerdings noch einige Herausforderungen, die einer erfolgreichen Unternehmensansiedlung hinderlich sind.

Flächenplanung der Städte:
Die Flächennutzungspläne weisen die Gebiete einer Stadt aus, die zur Bebauung vorgesehen sind. Neben wohn- und gewerblichen Bauflächen gibt es auch gemischte Gebiete. Um in städtischen Gebieten eine höhere Nutzungsdurchmischung zu erreichen, wurde 2017 die Gebietskategorie Urbanes Gebiet in die Baunutzungsverordnung integriert. In diesen Gebieten ist die Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die eine Wohnnutzung nicht wesentlich stören, zulässig. Der Grad der Störung ist von den Genehmigungsbehörden zu beurteilen und kann ein Hemmnis darstellen.

Akzeptanz der Bewohner:
Auch wenn die Wirtschaftszweige des Bereiches Neomanufacturing in der Regel emissionsarm produzieren, erfolgt an den Produktionsstätten dennoch Lieferverkehr und die An- und Abfahrt der Beschäftigten. Selbst wenn ein Großteil über den öffentlichen Personennahverkehr abgefangen wird, läuft dies nicht geräuschlos. Die Klagefreudigkeit von Anwohnern in Gebieten mit Neomanufacturing hat in den letzten Jahren zugenommen.

Preissensibilität der Kunden:
Die Vorteile einer internationalen Arbeitsteilung schlagen sich in niedrigeren Preisen für die Konsumenten nieder. Um als lokaler Produzent mit höheren Preisen wirtschaftlich erfolgreich zu sein, bedarf es der Akzeptanz der Konsumenten. 

„Mit der Integration von urbaner Produktion in die Stadtstrukturen haben wir die Chance, der zunehmenden Entfremdung von Konsumenten, Produkt und dessen Herstellung entgegenzuwirken. Sie kann Menschen die Möglichkeit geben, wieder teilzuhaben am gesamten Prozess der Herstellung und so wieder eine Wertschätzung zu generieren, was zu einem insgesamt reflektierten Konsum führt.“

Dr. Monika Piegeler in: PODCAST - URBANE PRODUKTION IN DER ZUKUNFTSSTADT

Status Quo und Case Studies

Für den Immobiliensektor bildet Neomanufacturing zukünftig eine neue Subklasse mit spezifischen Anforderungen an Orte, Gebäude und Gegebenheiten. Diese Subklasse ist heute noch nicht final definierbar, formiert sich aber zu einem potenziell starken und prägenden Element moderner Städte. Die vermehrten Showroom-Anmietungen der Elektroautomobilhersteller in den vergangenen zwei Jahren können als erster Fingerzeig für diese Entwicklung gelten. Es wird nicht vor Ort produziert, jedoch dient die angemietete innerstädtische Fläche von Unternehmen des produzierenden Gewerbes zur Produktpräsentation. Auch wenn eine Produktion dieser Unternehmen dort als unrealistisch eingestuft wird, kann eine solche Anmietung Signalwirkung für Unternehmen anderer Branchen entfalten, deren Herstellungsprozesse vor Ort gut umsetzbar wären. Hier wird deutlich, wie heterogen Neomanufacturing sein kann. Eine nicht vorhandene Legaldefinition gepaart mit lückenhaften lokalen Statistiken führt zu einem aktuellen Mangel an belastbaren Daten. Es lassen sich lediglich annäherungsweise Aussagen anhand der Regionalstatistik des Statistischen Bundesamts treffen. So existieren in Deutschland fast 24.000 Betriebe des verarbeitenden Gewerbes mit einer Betriebsgröße von weniger als 50 Beschäftigten. Somit arbeiten in diesen Unternehmen insgesamt rund 690.000 Beschäftigte. Über 3.700 Betriebe davon haben ihren Sitz in einer kreisfreien Stadt oder mit steigender Tendenz in einem Stadtkreis. Dort erzielen Kleinbetriebe einen beachtenswerten Anteil von 46% aller dortigen Betriebe des verarbeitenden Gewerbes.

Auf Basis der vorangegangenen Einteilung von Wirtschaftsbereichen lässt sich eine fundierte Schätzung der Anzahl von Betrieben und Beschäftigten ableiten, die den sogenannten stadtaffinen Branchen zuzurechnen sind. Gemäß des Unternehmensregisters von 2012 sind dies rund 17 % aller deutscher Unternehmen. Ebenso liegt der Beschäftigtenanteil dieser Unternehmen bei leicht über 17 %.17 Geht man davon aus, dass die relativen Anteile unverändert geblieben sind, ergeben sich daraus rund 680.000 Unternehmen mit insgesamt 6,7 Mio. Beschäftigten.18 

Shinola, Detroit (USA)
Shinola wurde 2011 in Detroit gegründet und benutzt den Markennamen einer bekannten, ehemaligen Schuhpolitur. Shinola produziert heute Uhren, Fahrräder und Lederaccessoires. Die Idee war von Beginn an, in der Innenstadt als Teil der Geschichte einer Renaissance von Detroit zu produzieren, um vom industriellen Mythos der Stadt zu profitieren. Shinolas urbane Showproduktion ist mittlerweile eine Attraktion. 

Neben der reinen Produktionstätigkeit erlangt das Sichtbarmachen der Produktion an Attraktivität. Zusätzlich zum reinen Verkauf der produzierten Güter, monetarisieren die Manufakturen auch Werksbesichtigungen oder Workshops. Eine derartige Offenlegung und Vermittlung der Herstellungsweise haben eine höhere Wertschätzung des Produkts zur Folge. Es wird eine Beziehung zum Produkt aufgebaut. Diese vielfältigen Implikationen machen Neomanufacturing zu einem belebenden Element der Städte und stoßen sowohl bei den Planungsbehörden als auch bei den Immobilienakteuren auf immer stärkeres Interesse.

FREITAG, Zürich
Freitag-Taschen werden seit 1993 in der Stadt Zürich gefertigt – seit einigen Jahren in einem eigens errichteten Urban Production-Haus (NOERD). Die bekanntesten Produkte sind die aus alten LKW-Planen hergestellten Messenger-Bags. Darüber hinaus produziert Freitag Handtaschen, Accessoires und andere Design- und Modeprodukte und vertreibt diese weltweit. Freitag ist einer der Mitinitiatoren der Made in Zurich-Initiative für urbane Produktion. 

Siemensstadt 2.0 (Berlin)
In einem neuen Campus sollen neben dem Wohnen auch Unternehmen der Produktion, Forschung und Start-ups vereint werden. Die Siemensstadt ist ein geeignetes Beispiel einer neuartigen Quartiersentwicklung, die es sich zum Ziel gesetzt hat Produktionsunternehmen zurück in die Wohnquartiere zu bringen und damit für eine neuartige Durchmischung von Leben und Arbeiten abseits der dienstleistungsorientierten Tätigkeiten zu sorgen. 

Anforderungen der Betriebe an den Standort und die Immobilie

Für eine Immobilie und die darin stattfindenden Prozesse und Aktivitäten ist der Standort innerhalb einer hybriden Stadt, die Wohnen, Leben und Arbeiten vereint, elementar wichtig.

Lage Spezifikationen Einschränkungen
Produktionshalle Stadtteil keine
Büroimmobilie Stadtteil Erdgeschoss, B- und C-Qualität,
Sichtbarkeit
Deckenhöhe, Traglast Boden,
Planungsrecht
Ladeneinheit Innenstadt/Shopping Center Showroom, kleinere Einheiten Mietpreis
Light Industrial inkl. Gewerbehof Stadtteil <500m², Sichtbarkeit keine
Quartier Stadtteil emissionsarm, eher Reparatur
und Handwerk
Verträglichkeit mit Wohnnutzung,
Planungsrecht

Aus unserer Sicht kommen drei städtische Lagen für Neomanufacturing in Frage:

Innenstadt / High Streets:
Hohe Mietkosten in den Zentren werden nur eine Minderheit von Produktionsbetrieben Einzug in die City halten lassen. Dies könnte für Manufakturen mit einem geringen Flächenbedarf und der direkten Verknüpfung von Produktion und Verkauf attraktiv sein (B2C). Die innerstädtische 1A-Lage kommt außerdem für sogenannte Showrooms oder Pop-Up Stores in Frage. Hier werden die Produkte allerdings weder hergestellt noch verkauft. Vorstellbar sind auch turnusmäßig wechselnde Ausstellungen von Gütern, die anderswo produziert werden. Wir rechnen mit einer Zunahme derartiger Nutzungen. Eine Vorstufe bilden Konzepte, die neben dem reinen Verkauf Reparaturen live vor Ort anbieten und mit Gastrokonzepten wir Kaffee-Lounges oder Snack Bars kombiniert werden.

Stadtteillagen:
Das größte Potenzial für Neomanufacturing sehen wir in den Stadtteillagen. Der Raum zwischen der Innenstadt und der Stadtgrenze bietet zahlreiche interessante Lagen und Brachflächen, die im Zuge einer Umnutzung auch für Produktionsbetriebe in Frage kommen können. In der Literatur findet hierfür auch der Begriff Zwischenstadt Anwendung. Im Sandwich zwischen der City und den Wohnlagen am Rande oder außerhalb der Städte haftet diesen Lagen oftmals ein Image blasser Areale mit geringer Aufenthaltsqualität an. Geplant waren diese Bereiche früher entweder als klassische Industrie- oder als monofunktionale Bürostandorte. Nun geraten sie in das Blickfeld einer neuen Stadtplanung und werden, wenn die Charta von Leipzig Realität wird, eine deutlich bedeutendere Rolle als bisher einnehmen. Meist sind diese Lagen und Grundstücke sowohl im Erwerb als auch in der Anmietung deutlich günstiger als in der City. Da Neomanufacturing meist individualisierte höherpreisige Güter betrifft, sind Lagen mit kaufkräftigem und eher trendigem Publikum präferiert. Klassische Gewerbegebiete sind daher ungeeignet.

Quartiere/Shopping Center:
Quartiere sind in. Zumindest spiegelt sich dies in zahlreichen Projektenwicklungen wider, die im Namen den Begriff „Quartier“ tragen. Bei aller definitorischer Unschärfe: Damit ein Quartier im Rahmen der städtebaulichen Funktionsmischung seine Rolle entfalten kann, sind aus unserer Sicht zwei Merkmale entscheidend: Zunächst muss eine Nutzungsmischung vorhanden sein, die z.B. über ein reines Wohnquartier mit Kindergarten oder Büroquartier mit Restaurant hinausgeht. In einem Multifunktions-Quartier sollten sich alle Elemente des Lebens, Arbeitens und Wohnens wiederfinden. Außerdem muss das Quartier aus einer Hand geplant und entwickelt werden, damit der Nutzungsmix aufeinander und auf die Bewohner des Quartiers abgestimmt ist. Betriebe der urbanen Produktion sind in einem Quartier kleinteilig und additiv zu sehen und fokussieren sich stärker auf handwerkliche Tätigkeiten für Güter des täglichen Bedarfs oder Reparaturservicedienste. Aus diesem Grund können ebenso Shopping Center als Standort in Frage kommen. Dank der offenen und transparenten Räumlichkeiten lassen sich Kundennähe und Customer Experience neu denken.

Das größte Potenzial an städtischen Gewerbeimmobilien findet sich in den Stadtteillagen. Vermehrt bei Flächen, die sich aufgrund der hohen Nachfrage der Nutzer nach hochwertiger Ausstattung und des Alters der Immobilie schwieriger vermarkten lassen. Um dieses Potenzial zu schätzen, haben wir die aktuellen Leerstände von Büroflächen für die deutschen Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Main), Hamburg, München, Köln und Stuttgart) analysiert. Unser Fokus lag dabei auf Flächen

  • die als B- oder C-Flächen kategorisiert sind und damit in Bezug auf die Ausstattungsqualität Nachteile aufweisen

  • in Teillagen außerhalb der jeweiligen Innenstädte jedoch innerhalb der Stadtgrenzen

  • die im Erdgeschoss einer Immobilie aktuell zur Verfügung stehen. Unter der Annahme, dass Produktionstätigkeiten nur selten in oberen Etagen einer Büroimmobilie stattfinden können.

Unberücksichtigt bleibt, in welchem planungsrechtlichen Gebiet sich diese Flächen befinden, und ob die Flächen aufgrund ihrer objektspezifischen Gegebenheiten grundsätzlich für eine industrielle Umnutzung in Frage kommen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Gesamtpotenzial von rund 280 Flächen mit einer kumulierten Fläche von 186.000 m². Die durchschnittliche Größe dieser Flächen liegt bei 664 m². Bezogen auf den Gesamtleerstand in B- und C-Flächen in diesen Lagen in Höhe von 1,47 Mio. m² ergibt sich ein Anteil von knapp 13 %. Wie oben skizziert werden nicht alle Flächen geeignet sein, dennoch lohnt sich eine Prüfung der Eigentümer, inwiefern eine Vermietung an Unternehmen des produzierenden Gewerbes sinnvoll und wirtschaftlich sein kann. Eine Reduzierung des Leerstandes sollte auch im Interesse der Städte liegen. 

„Der Mietpreis, der von den produzierenden Unternehmen gezahlt werden muss, ist ein entscheidender Standortfaktor. Gerade in innerstädtischen Quartieren, in denen die Durchmischung von Wohnen und Gewerbe erlaubt und gewünscht ist, ziehen produzierende Unternehmen bei der Nutzungskonkurrenz mit Wohnen oder Büro marktwirtschaftlich häufig den Kürzeren.“

Kerstin Meyer, UrbaneProduktion.Ruhr

Der Investment Case

Die Nachfrage von Investoren nach Immobilien, in denen potenziell Neomanufacturing untergebracht sein kann, ist ausgesprochen hoch. Auf dem deutschen Immobilieninvestmentmarkt wurde 2021 mit einem Transaktionsvolumen von über 110 Mrd. Euro ein neuer Rekord verzeichnet. Auch für das Segment Logistik-Industrie wurde eine neue Bestmarke erzielt, mit über 10 Mrd. Euro floss 2021 so viel Kapital wie nie zuvor in Produktionshallen, Distributionsimmobilien oder Light-Industrial-Objekte. Letztere kamen vergangenes Jahr auf einen Anteil von knapp 1,5 Mrd. Euro.

Light-Industrial-Objekte sind Immobilien mit einer Größe von unter 5.000 m², in denen die Montage, Demontage, Fertigung, Veredelung, Verpackung, Reparatur oder Verarbeitung von Materialien erfolgt. Der Büroanteil von Light-Industrial-Immobilien beträgt in der Regel weniger als 10 %. Die hohe Nachfrage der Investoren spiegelt sich in der Renditeentwicklung wider. Analog zum Rückgang der Renditen für Investments in klassische Logistikimmobilien haben sich die Renditen für Light-Industrial-Objekte in den letzten Jahren signifikant reduziert.

Neomanufacturing kann auch in klassischen Bürogebäuden angesiedelt sein. Hier eignen sich bevorzugt Erdgeschossflächen in Immobilien, die sich abseits der zentralen und teuren Innenstadtlagen befinden. Auch Bürogebäude in Zweit- und Drittlagen werden stark von Investoren nachgefragt.

Die Grafik zeigt die Entwicklung des Transaktionsvolumens für Büroimmobilien in den Big 7 Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Main), Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Im Zeitraum von 2016 bis 2021 wurden in diesen Städten fast 140 Mrd. Euro in Büroobjekte investiert. 32 % davon betraf Büroimmobilien in den zentralen und teuren Innenstadtlagen. Der Großteil von 56 % floss in Immobilien in Zweitlagen der Städte, die sich als klassische Backoffice-Standorte von Unternehmen oder reine Bürogebäude auszeichnen. Diese Objekte hätten in einigen Fällen durchaus Neomanufacturing als ergänzende Nutzungsart zugelassen. Noch geeigneter für Neomanufacturing erscheinen Büroimmobilien in Drittlagen. Diese machen nur einen Anteil von 12 % am gesamten Volumen aus, wurden jedoch absolut betrachtet mit einem Transaktionsvolumen von fast 17 Mrd. Euro stark von Investoren nachgefragt. 

Für Quartiersentwickler, deren Fokus auf der Nutzungsart Wohnen liegt, sehen wir Neomanufacturing als additives Element. Kleinere Unternehmen mit emissionsarmer kleinteiliger Fertigung wie Handwerk und Reparatur kommen hier grundsätzlich als Nutzer in Frage. Je geringer der Wohnanteil in einem Quartier, desto mehr Möglichkeit bestehen, andere Nutzungen zu integrieren. Dies wirft die Frage auf, ob der klassische Gewerbehof19 auch als Quartier definiert werden kann – exklusive Wohnnutzung. Oftmals sehr gut angebunden an die öffentliche Infrastruktur und in attraktiver Lage bieten solche Light-Industrial-Immobilien Raum für innovative und produktive Unternehmen. 

„In Deutschland gibt es bislang kaum realisierte Beispiele für Immobilienprojekte, die das Thema Urbane Produktion gezielt umsetzen. Es gibt aber durchaus Entwickler, die das Thema Gewerbeimmobilien nicht zuletzt aufgrund der Gewerbeflächenknappheit neu denken, indem sie auch bei Gewerbeimmobilien mit produzierender Nutzung in die Höhe gehen oder flexible Nutzungsstrukturen ermöglichen wollen.“

Anna Mensing, Team Immobilien & Flächen bei der KölnBusiness Wirtschaftsförderung

Fazit

Grundsätzlich sind Industrieunternehmen für den Immobiliensektor keine neuen Mieter. Im Zuge einer an Diversität gewinnenden Stadt eröffnen sich in Kombination mit innovativen Technologien allerdings neue Optionen für die Vermietungs- und Entwicklungsstrategien von Städten und Kommunen sowie für Immobilieninvestoren und -entwickler.

Wir sehen...

… durch Neomanufacturing eine Attraktivitätssteigerung der Städte und eine breite Unterstützung der städtischen Wirtschaftsförderungen

… eine (Neu-)Belebung von Städten und Stadtteilen, auch getrieben durch interessante Jobprofile

… Herausforderungen im aktuellen Baurecht hinsichtlich regulativer Hürden

… dass Quartiersentwicklungen stadtaffine Produktionsunternehmen derzeit noch nicht auf ihrer Agenda haben  

… eine gewisse Unsicherheit bei Investoren: Inwiefern kann Produktion mit Büro und Wohnen ineinandergreifen?

… gestiegene Miet- und Kaufpreise in den Städten als limitierenden Faktor für Unternehmen dieses Sektors 

… dass die aktuelle Nische Neomanufacturing im Zuge der urbanen Evolution an Bedeutung gewinnen wird



Und was jetzt?

Vertical Farming und Neomanufacturing sind neuartige Funktionen, die Städte und Stadtlandschaften bei deren weiterer Entwicklung mitprägen werden.

Nachhaltigkeit und die politisch und gesellschaftlich forcierte Stadtentwicklung führen unserer Meinung nach dazu, dass sich eine eigene Assetklasse herausbildet. Vertical Farming wird aufgrund der gesellschaftlichen Diskussion zum Klimawandel in Verbindung mit Landwirtschaft in den kommenden Monaten und Jahren deutlichen Rückenwind bekommen. Neomanufacturing eröffnet die Möglichkeit, zunehmend produzierendes Gewerbe in die Städte zu integrieren und damit den Funktionsmix zu erweitern. Städte haben das Ziel, zur produktiven, inklusiven und vielfältigen Stadt zu werden. Im Zuge der Urbanisierung gewinnen Stadtmarken im Vergleich zu Ländermarken an Bedeutung (Made in Hamburg statt Made in Germany). Unternehmen werden zu Markenbotschaftern für Städte und stärken deren Attraktivität für gut ausgebildete Talente. Noch mangelt es an vorzeigbaren und herausragenden Leuchtturmprojekten. Daher sollten Projektentwickler Mut zeigen und vermehrt auch derartige Nutzungsarten ins Auge fassen. Hierfür ist eine frühzeitige und intensive Abstimmung mit den Genehmigungsbehörden von Nöten, um in B-Plänen entsprechend Berücksichtigung zu finden. Momentan wird eine Produktion sowohl im Bereich Vertical Farming als auch Neomanufacturing nur unzureichend erklärt oder im Extremfall sogar ausgeklammert. Es bedarf einer Nachjustierung vor allem hinsichtlich der Begrifflichkeit und Inhalts des Urbanen Gebietes nach §6a Bau NVO. Möglicherweise mittels eines “Zwillings”, der als “Neuartige urbane Produktion” bezeichnet werden könnte und ähnlich dem Urbanen Gebiet mehr Möglichkeiten zulässt. So wird sichergestellt, dass Vertical Farming und Neomanufacturing zeitnah zur Normalität in unseren sich weiter entwickelnden Städten gehören.

Fußnoten
1 Eine Cannabis Produktion oder von anderen medizinischen Produkten findet in einer Vertical Farm nicht statt.
2 https://www.prosieben.de/tv/galileo/videos/2021166-pflanzen-und-tiere-auf-dem-dach-der-nachhaltigste-supermarkt-clip
3 https://montreal.lufa.com/en/
4 Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland, Umweltbundesamt, 26/2021
5 http://www.byspire.no/#about-us
6 https://www.topagrar.com/mediathek/fotos/verschiedenes/lebensmittel-selbstversorgungsgrad-in-deutschland-12028967.html
7 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76634/umfrage/ selbstversorgungsgrad-mit-gemuese-in-deutschland/
8 https://nachhaltig-sein.info/privatpersonen-nachhaltigkeit/ wirkung-von-lebensmittel-transporten-auf-umwelt-infografik
9 https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-funktioniert-landwirtschaft-heute/die-bedeutung-des-bodens-fuer-die-landwirtschaft
10 https://www.oekolandbau.de/handel/marktinformationen/der-biomarkt/marktberichte/vertical-farming-ein-konzept-auch-fuer-den-bio-handel/
11 https://vertical-farming.net/blog/2021/03/11/a-little-history-on-the-most-recent-evolution-of-vertical-urban-farming-in-singapore/
12 https://www.businesswire.com/news/home/20201207005014/de/
13 https://www.infarm.com/
14 https://sosv.com/portfolio/vertical-oceans
15 Brandt, M., Gärtner, S., & Meyer, K. (08/2017). Urbane Produktion: Ein Versuch der Begriffsdefinition (Forschung Aktuell). Gelsenkirchen. IAT- Institut Arbeit und Technik
16 Piegler/Spars in: Urbane Produktion – Konzept und Messung, SCHUMPETER DISCUSSION PAPERS, Wuppertal 2019
17 Piegler/Spars in: Urbane Produktion – Konzept und Messung, SCHUMPETER DISCUSSION PAPERS, Wuppertal 2019
18 Basis für die Hochrechnung ist das Unternehmensregister von Destatis. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Handwerk/aktuell-struktur-handwerk.html. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Unternehmensregister/Tabellen/stat-unternehmen-beschaeftigten-groessenklassen-wz08.html
19 Als ein Beispiel von vielen kann der Gewerbehof „Built in Barmbek“ (https://www.built-in-barmbek.de/) in Hamburg herangezogen werden. Er bietet Platz für mehr als 50 Betriebe und soll die Produktion wieder zurück in die Stadt bringen. Entwickelt wurde er von der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg), vermietet sind bereits 90% der Flächen (Hamburger Abendblatt, 21.1.2022).

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