Research

Wohnungsmarktüberblick

H1 2023 

Preisnachlass auf dem Kaufmarkt bestimmt das erste Halbjahr 2023

29. September 2023

Steigende Wohn- und Kreditkosten sowie eine wachsende Bevölkerung sorgen für eine verstärkte Nachfrage

Auf der Nachfrageseite lassen sich vor allem zwei für die Wohnungsnachfrage relevante Entwicklungen identifizieren. Zum einen ist dies die demographische Entwicklung, die sich vor allem über die Entwicklung der Zahl der Haushalte und deren Struktur auswirkt. Und zum anderen temporäre qualitative Nachfrageverschiebungen, weniger Nachfrage nach Wohneigentum und mehr Nachfrage auf den Mietwohnungsmärkten.

Die Bevölkerungszahl ist im Jahr 2022 wieder deutlich angestiegen. Zum Jahresende 2022 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) mindestens 84,4 Millionen Menschen in Deutschland. Gegenüber dem Jahresende 2021 nahm die Bevölkerungszahl damit um 1,122 Millionen Personen zu. Dies entspricht einer Zunahme von rund +1,3 Prozent. Diese Entwicklung ist auf einen deutlichen Anstieg der Nettozuwanderung auf 1.455 Tsd. Personen zurückzuführen (2021: 329 Tsd.). Dies ist die höchste Nettozuwanderung seit der deutschen Wiedervereinigung. Ursächlich für diesen Zuwachs ist vor allem der Zuzug ukrainischer Staatsbürger:innen, aber auch eine generelle Belebung der internationalen Zuwanderung (> 350 Tsd.) nach Deutschland, die mittlerweile wieder das Niveau von vor der Corona-Pandemie erreicht hat.

Darüber hinaus lassen sich aus der demografischen Entwicklung mehrere Trends ableiten, die auf die zunehmende Alterung der Bevölkerung zurückzuführen sind und Auswirkungen auf die Wohnungsnachfrage im Allgemeinen haben. Zum einen ist mittelfristig mit einer weiteren Zunahme kleinerer und älterer Haushalte zu rechnen, zum anderen mit einem damit verbundenen Anstieg der Gesamtzahl der Haushalte. Auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung hat einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Wohnungsmarktes. Da es sich bei den einzelnen Altersgruppen um unterschiedliche Nutzergruppen handelt, die sich in ihren Lebenskonzepten und -vorstellungen sowie in ihrer Einkommenssituation und ihren Wohnpräferenzen unterscheiden, ist auch die Nachfrage nach Wohnraum sehr unterschiedlich. Der demographische Strukturwandel wirkt sich insbesondere dann stark auf den Wohnungsmarkt aus, wenn die Diskrepanz zwischen der aktuellen Wohnungsnachfrage und dem vorhandenen Wohnungsangebot stark zunimmt. Diese Diskrepanz bezieht sich insbesondere auf die Wohnfläche der nachgefragten und angebotenen Wohnungen, kann aber auch nachgelagerte qualitative Merkmale wie die Ausstattung betreffen. Dieses Missverhältnis ist auf dem deutschen Wohnungsmarkt zu beobachten und erhöht die zusätzliche Nachfrage nach spezifischen Wohnungen.

Derzeit ist eine weitere temporäre Diskrepanz in der Wohnungsnachfrage zu beobachten, die die Nachfrage nach Mietwohnungen und Wohneigentum betrifft. Steigende Zinsen haben dazu geführt, dass viele potenzielle Ersterwerber auf den Mietwohnungsmärkten verbleiben. Dies führt nicht nur zu einem zusätzlichen Nachfrageanstieg auf den Mietwohnungsmärkten, sondern in vielen ohnehin angespannten regionalen Wohnungsmärkten zu einem weiteren Anstieg des bestehenden Nachfrageüberhangs. Diese Verschiebungen werden so lange anhalten, bis sich die Bezahlbarkeit durch Preissenkungen wieder verbessert bzw. die steigenden Mietkosten die steigenden Kapitalkosten sukzessive kompensieren.

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Wohnraum bleibt knapp, Zinsentwicklung dämpft den Neubau

Dem starken Anstieg der realen Wohnungsnachfrage, insbesondere auf den Mietwohnungsmärkten, steht ein starker Rückgang des Wohnungsneubaus gegenüber. Vor diesem Hintergrund wird sich die Schere zwischen Wohnungsangebot und -nachfrage mittelfristig weiter öffnen.

Die Bauwirtschaft, die bereits im Jahr 2021 im Zuge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Anpassungen der globalen Lieferketten mit starken Baupreissteigerungen zu kämpfen hatte, wird durch die stark gestiegenen Kreditkosten zusätzlich belastet. Damit einher ging ein Rückgang der Nachfrage nach Wohneigentum. Diese Entwicklung wird besonders deutlich, wenn man die Entwicklung der Zahl der genehmigten Wohnungen betrachtet.

Im ersten Halbjahr 2023 wurde in Deutschland der Bau von 135 Tsd. Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 27,2 Prozent oder 50 Tsd. Baugenehmigungen weniger als im 1. Halbjahr 2022. Im Juni 2023 sank die Zahl der Baugenehmigungen von Wohnungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 28,5 Prozent. Diese Entwicklung geht einher mit einem deutlichen Rückgang des Neubauvolumens im Wohnungsbau sowie der Bruttowertschöpfung im Bereich der Bauinvestitionen für Wohnbauten (im 1. Quartal 2023 lag diese um rund -3,7 Prozent unter dem Vorjahreswert). Die Bauwirtschaft befindet sich damit in einer sektoralen Rezession.

Während sich diese Entwicklungen auf die Zahl der Fertigstellungen im Jahr 2022 nur geringfügig auswirken (2022 wurden 295 Tsd. Wohnungen fertiggestellt), sind die größeren Auswirkungen auf die Fertigstellungszahlen mit einer Verzögerung zu erwarten. So könnte die Zahl der neu errichteten Wohnungen bereits im laufenden Jahr unter die Marke von 250 Tsd. fallen. Die Prognose für die Fertigstellungen im Jahr 2023 liegt unter den aktuellen Rahmenbedingungen bei ca. 240 Tsd. Wohnungen, im Jahr 2024 nur noch bei ca. 190 - 200 Tsd. Wohnungen.

Für die Entwicklung der Baukosten bedeutete der Einbruch des Neugeschäftsvolumens zuletzt eine leichte Entspannung. Freiwerdende Kapazitäten haben etwas Druck von der Entwicklung der Arbeitskosten genommen. Auch bei den Materialkosten ist eine Entspannung zu beobachten, die ebenfalls auf den Nachfragerückgang sowie eine deutliche Entspannung bei den Energiepreisen zurückzuführen ist. Dennoch sprechen mehrere Gründe dafür, dass die Baukosten und ihre Entwicklung langfristig auf einem hohen Niveau bleiben werden. Dazu zählen die Nachfrage im Bereich der energetischen Sanierung des Wohnungsbestandes, die für eine anhaltend hohe Auslastung im Bau- und Ausbaugewerbe sorgt, die zu erwartenden Nachholeffekte im Bereich des Wohnungsneubaus in den kommenden Jahren sowie der anhaltende Personalmangel, der im Baugewerbe besonders ausgeprägt ist.

Steigende Mieten in allen Big 8-Städten im ersten Halbjahr 2023

Die grundlegenden Veränderungen auf den Wirtschafts- und Kapitalmärkten wirken sich weiterhin stark auf das Umfeld des Wohnungsmarkts aus. Nach einem Anstieg der Mieten im vergangenen Jahr setzt sich dieser Trend auch im ersten Halbjahr 2023 fort. In den acht untersuchten Metropolen ist ein durchschnittlicher Anstieg der Angebotsmieten von +6,7 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Die Mietpreisdynamik hat sich somit beschleunigt, denn im ersten Halbjahr 2022 lag der Preisanstieg lediglich bei +3,7 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigen sich bei den Kaufpreisen jedoch gegenläufige Entwicklungen, mit einem deutlichen Rückgang von durchschnittlich -7,0 % in allen Big 8-Städten*.

Im ersten Halbjahr 2023 sticht erneut Berlin hervor, da sich hier die Angebotsmieten im Jahresvergleich um +16,7 % verteuert haben. Auch in Leipzig ist ein zweistelliger Anstieg der aktuellen Mietpreise zu beobachten. Hier nahm der Mietpreis um +11,1 % im Vergleich zum Vorjahr zu. Die Mietpreisanpassungen in den anderen Metropolen sind dagegen deutlich moderater ausgefallen. In Stuttgart hingegen hat sich die Medianmiete im Vorjahresvergleich um -1,3 % verringert. Der Münchner Mietmarkt bleibt weiterhin der teuerste Mietmarkt unter den Big 8-Städten mit einer aktuellen Medianmiete von 22,25 €/m²/Monat (+5,0 %).

Ein ähnliches Bild lässt sich auch bei den Spitzenmieten beobachten. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Spitzenmieten in allen Big 8-Städten durchschnittlich um +8,3 % gestiegen. Dieser Anstieg liegt auch deutlich über dem Schnitt der letzten fünf Jahre mit +2,8 %. Neben dem Spitzenreiter München (32,25 €/m²/Monat) hat nun auch Berlin mit einer Spitzenmiete von 30 €/m²/Monat aufgeholt. Das bedeutet eine Zunahme von +19,3 % im Vergleich zum Vorjahr. Aber auch Hamburg (+9,1 %) und Leipzig (+9,9 %) zeigen eine deutlich zunehmende Dynamik in der Entwicklung der Spitzenmiete.

Auch im Neubausegment zeigt sich eine positive Entwicklung der Mietpreise. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Mietpreise in den Big 8-Städten im Durchschnitt um +5,1 %. Besonders auffällig ist der zweistellige Anstieg der Mietpreise in Hamburg (+10,5 %), Köln (+10,4 %) und Berlin (+10,0 %). Im Gegensatz dazu sind die Preise in Düsseldorf im Jahresvergleich um -1,2 % gesunken.

Außerhalb der acht größten Immobilienmärkte betrug das Mietwachstum im ersten Halbjahr 2023 in allen anderen kreisfreien Städten +2,7 %, was unter dem Fünfjahresschnitt von +4,0 % p.a. liegt. Bei den Landkreisen hingegen stieg der Mietpreis im Vergleich zum Vorjahr um +4,9 %.

*Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig

Sinkende Preise prägen den Wohneigentumsmarkt in der ersten Jahreshälfte

Im ersten Halbjahr 2023 prägen sinkende Kaufpreise den Wohnungsmarkt. Hauptursache sind die gestiegenen Finanzierungskosten, die die finanziellen Möglichkeiten potenzieller Käufer einschränken.

Der Rückgang der Kaufpreise war in der ersten Jahreshälfte in allen Regionstypen zu beobachten. Allerdings verlief die regionale Entwicklung unterschiedlich. In den acht untersuchten Metropolen entwickelten sich die Kaufpreise ebenfalls wie auf dem Mietmarkt sehr dynamisch, jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Mit einem Minus von 7,0 % im Vergleich zum Vorjahr fiel der Preisrückgang deutlich höher aus als in allen anderen kreisfreien Städten (-5,2 %) und in den Landkreisen (-2,2).

Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen München (-10,9 %), Stuttgart (-10,7%) und Düsseldorf (-9,7 %) unter den Big 8-Märkten die stärksten Preisrückgänge. Lediglich Berlin weist ein leichtes Plus von +0,5 % auf.

Die Entwicklung im Spitzensegment (90%-Perzentil) zeigt eine erhöhte Heterogenität. Während in Berlin (-4,4 %), München (-8,7 %), Frankfurt am Main (-8,2 %), Düsseldorf (-4,8 %) und Stuttgart (-9,8 %) Preissenkungen verzeichnet werden, steigen hingegen die Kaufpreise in den Städten Hamburg (-2,3 %), Köln (+0,4 %) und Leipzig (+7,9 %) an. Besonders der Eigentumswohnungsmarkt in Leipzig zeigt mit seinem positiven Wachstum sogar eine Entwicklung über dem Fünfjahresschnitt (+6,1 % p.a.).

Das Neubausegment zeigt ein ähnlich differenziertes Bild. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die durchschnittlichen Kaufpreise in den Big 8-Städten um +3,1 %. Die größte Preiserhöhung ist im Kölner Wohnungsmarkt zu beobachten (+12,2 %). Ebenso weist Leipzig einen deutlichen Anstieg der Preise im Jahresvergleich um +9,2 % auf. Hingegen erfahren Berlin (-2,5 %), München (-3,2 %) und Frankfurt (-6,2 %) spürbare Rückgänge der Kaufpreise.

Sämtlichen Ergebnissen liegt eine Auswertung von Angebotspreisen zugrunde. Diese geben keinen genauen Aufschluss darüber, zu welchen Preisen die Wohnungen tatsächlich verkauft wurden. Die Grundstücksmarktberichte der Gutachterausschüsse, für die tatsächliche Kauffälle ausgewertet werden, weisen zum Teil deutlich höhere Preisrückgänge aus.

Autoren

Dr. Sören Gröbel, Director Research, Berlin

Sandra Baumgarten, Senior Research Analyst

Kontakt

Unsere Ansprechpartner:

Residential:
Michael Bender, Head of Residential Germany

Valuation:
Ralf Kemper, Head of Value and Risk Advisory, Germany
Roman Heidrich, Lead Director Value and Risk Advisory, Berlin
Sebastian Grimm, Lead Director Value and Risk Advisory, Frankfurt

Research:
Helge Scheunemann, Head of Research Germany

 

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