Baulandmobilisierungsgesetz sendet widersprüchliche Signale
Das Baulandmobilisierungsgesetz soll den Kommunen erleichtern, Wohnraum bereitzustellen. Doch einige Aspekte des Gesetzeswerks könnten sogar zum Bremser werden.
Das Baulandmobilisierungsgesetz trat am 23. Juni 2021 in Kraft, gut ein Jahr nach Vorlage des ersten Gesetzentwurfs. Zum Ende der laufenden Legislaturperiode ist es die letzte Initiative der sogenannten Wohnraumoffensive, nach der Einführung des Baukindergeldes, der Wohngeldreform und der Stärkung der sozialen Wohnraumförderung. Die Geltungsbereiche des Gesetzes sind „angespannte Wohnungsmärkte“. Kurz gesagt handelt es sich dabei um Gebiete, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen, zumindest in einem Teil des Marktes, gefährdet ist.
Das Gesetz baut auf den Empfehlungen der Baulandkommission auf und soll den Kommunen im Wesentlichen erleichtern, Bauland und Wohnraum bereitzustellen. Bauplanungsrechtliche Handlungsmöglichkeiten werden erweitert, um Flächen für den Wohnungsbau zu schaffen und um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen. Zudem sollen Leerstände und Brachflächen schneller und flexibler der Nutzung überführt werden.
Mit einer allgemeinen Vereinfachung von Prozessen strebt man raschere Baugenehmigungen an. Entsprechend nimmt das Baulandmobilisierungsgesetz Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB), in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und in der Planzeichenverordnung (PlanZV) vor. Es lässt sich in fünf Säulen gliedern:
- Ausweitung der planungsrechtlichen Befreiungsmöglichkeiten: Mit der Zustimmung der Gemeinden können im Einzelfall Festsetzungen des Bebauungsplans ausgesetzt werden, wenn dies dem Wohnungsbau dient. Das sollen beispielsweise Umnutzungen oder An- und Ausbauten erleichtern.
- Ausweitung kommunaler Vorkaufsrechte: Kommunale Vorkaufsrechte werden erweitert auf unbebaute (bzw. geringfügig bebaute), brachliegende Grundstücke und baulich verwahrloste Immobilien, die negativ auf ihre Umgebung wirken – also „Schrott“- oder „Problemimmobilien“. Zudem werden die Ausübungsfristen des Vorkaufsrechts ausgeweitet, ebenso die Möglichkeit, Grundstücke zum Verkehrswert zu erwerben.
- Erweiterung des Baugebots in angespannten Wohnungsmärkten: Sofern der Bebauungsplan eine Wohnnutzung zulässt, kann in einem angespannten Wohnungsmarkt ein Baugebot angeordnet werden.
- Sektoraler Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung: Dieses neue Instrument ermöglicht Gemeinden, im unbeplanten Innenbereich einen Plan speziell nur für den Wohnungsbau aufzustellen. Damit lässt sich beispielsweise bereits im Voraus eine Pflicht zum Bau von geförderten Wohneinheiten im Bebauungsplan verankern.
- Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen: In angespannten Wohnungsmärkten bedarf eine Umwandlung künftig der Genehmigung. Eine Genehmigungserfordernis greift dann, wenn die gesamte Zahl der Wohnungen in dem jeweiligen Wohngebäude eine gewisse Zahl übersteigt. Je nach Ausgestaltung auf Landesebene kann diese Grenze zwischen drei und fünfzehn Wohnungen liegen.
Doch was kann das neue Gesetz wirklich leisten? „Die größere Flexibilität und beschleunigten Genehmigungsverfahren sind ein Schritt in die richtige Richtung, denn die Zahl der Baugenehmigungen bewegt sich seit 2016 seitwärts“, bewertet JLL-Researcher Dr. Sören Gröbel. Zwar ist die Zahl der Baugenehmigungen im Jahr 2020 um knapp 2,2 Prozent gestiegen, dies allerdings vor allem im Bereich der Zwei- und Einfamilienhäuser (+20,5 bzw. +2,4 Prozent). Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, die in angespannten Wohnungsmärkten am meisten benötigt werden, stagnierte dagegen.
Ein Hemmschuh sind die Genehmigungsverfahren in den Behörden. So folgt die Personalsituation in den Ämtern seit Jahren einem Abwärtstrend. Diese Entwicklung dürfte sich angesichts der demografischen Entwicklung mittelfristig fortsetzen. „Es ist daher sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber nun versucht, Baugenehmigungsverfahren zu beschleunigen und den Umgang mit bestehenden Bebauungsplänen flexibler zu gestalten, zum Beispiel durch die Förderung flächenintensiverer Entwicklungen im Wege der Nachverdichtung“, so Gröbel.
Doch wo auf der einen Seite beschleunigt wird, tritt man an anderer Stelle wieder auf die Bremse. „Die Fristverlängerung für die Ausübung kommunaler Vorkaufsrechte verzögert die Prozesse. Zudem ist die Rechtssicherheit für den Erwerb von Grundstücken im Vorkaufsrecht zum Verkehrswert längst nicht abschließend geklärt. Probleme bei der rechtlichen Auslegung dürften die Verfahren in vielen Fällen zusätzlich verlangsamen“, erklärt Fiona Kampfmann, Senior Consultant Residential Investment bei JLL.
Am Ende könnte die Gesetzesnovelle also sogar zu einem Hindernis im Neubausegment werden - in einer Zeit, in der steigende Baukosten neue Projektentwicklungen temporär ohnehin schon erschweren. Und es gibt weitere Kritik am Baulandmobilisierungsgesetz. „Mit den gesetzlichen Änderungen zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen beinhaltet die Regulierung auch einen Aspekt ohne offensichtlichen Zusammenhang mit der Mobilisierung von Bauland“, so Gröbel. Dabei bleibt ohnehin fraglich, wie sehr Mieter tatsächlich vor Umwandlungen geschützt werden. Die Ausgestaltung des Gesetzes liegt bei den Bundesländern und kann dadurch erheblich aufgeweicht werden. Zum Beispiel bei der Frage, ab wie vielen Wohnungen pro Gebäude überhaupt eine Genehmigungspflicht besteht. „Je nach Ausgestaltung der Gesetzgebung wäre ein erheblicher Teil des Bestandes gar nicht betroffen“, gibt Kampfmann zu bedenken.
Und ob die Umwandlung von Mietwohnungen per se negativ einzuschätzen ist, bleibt durchaus zu diskutieren. „Immerhin verschließt das Baulandmobilisierungsgesetz Mietern so einen Zugang zu Wohneigentum, wenn sie nun selbst häufiger auf ein Vorkaufsrecht verzichten müssen. Eine Einschränkung, die vor der Notwendigkeit des privaten Vermögensaufbaus in Ergänzung zur gesetzlichen Rente durchaus widersprüchlich ist. Aufgabe des Staates sollte viel mehr sein, den Zugang zu Wohneigentum zu erleichtern, speziell in Deutschland mit seiner im europäischen Vergleich niedrigen Wohneigentumsquote“, so Gröbel.
Insgesamt bleibt das Baulandmobilisierungsgesetz also ein widersprüchliches Werk. Während viele Punkte in die richtige Richtung gehen und die Wohnbebauung beschleunigen könnten, bremsen andere Aspekte und könnten Marktteilnehmer aufgrund rechtlicher Unsicherheiten sogar abschrecken.
