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Gute Aussichten für den stationären Handel

Die Prognosen für den Einzelhandel sind positiv. Fachmarktzentren, Shopping-Center und die Highstreet müssen sich jedoch anpassen, um auch zukünftig für ein breites Publikum attraktiv zu bleiben. Mit den Einzelhandelsprofilen 2021 liefern wir eine Momentaufnahme und einen Ausblick darauf, was für Einzelhandelsstandorte wichtig ist.

24. Januar 2022

Die Digitalisierung im Handel schreitet weiter voran, E-Commerce erhöht den Veränderungsdruck im Markt und die Kundschaft erwartet zunehmend mehr Kundenfokus und Erlebnischarakter. Welche Herausforderungen und Chancen entstehen dadurch für den stationären Handel? Und wie können Mieter und Eigentümer Einzelhandelslagen weiterhin erfolgreich führen? Die Einzelhandelsprofile 2021 liefern einen Ansatz hierfür. Je mehr über Nutzerverhalten und -strukturen bekannt ist, desto besser können Standorte optimiert werden.

Wer seine Einzelhandelsimmobilien heute erfolgreich entwickeln und platzieren möchte, sollte in seiner Standortanalyse auch Nutzerverhalten und -strukturen berücksichtigen. Wie dies möglich ist, zeigt JLL mit den erst kürzlich veröffentlichten Einzelhandelsprofilen 2021. Gemeinsam mit der Senozon AG untersuchte JLL die drei Nutzungsarten ‚Fachmarktzentrum‘, ‚Shopping-Center‘ und ‚Highstreet‘ basierend auf der Auswertung des Kundenverhaltens an jeweils zehn Standorten und fasste diese in Profilen zusammen. Ergänzend dazu, analysierte JLL die Mietpreisentwicklung der jeweiligen Einzelhandelslagen in den vergangenen fünf Jahren.

Eines zeigen die Ergebnisse deutlich: Der stationäre Handel hat nach wie vor eine hohe Relevanz. Fachmarktzentren erfreuen sich unter anderem Dank kontinuierlich steigender Mietpreise immer größerer Beliebtheit bei Investoren. Die Innenstädte sind für viele Menschen noch immer der Treffpunkt für soziale Kontakte, zum Beispiel für Freizeit und Shopping. Und auch, wenn Shopping-Center sich fast immer neu erfinden müssen, zeigen sie sich in Zeiten der Veränderung anpassungsfähig und zukunftssicher.

Doch warum ist das so und was können Investoren und Nutzer daraus lernen?

Altersklassenverteilung: Relativ gleichmäßig – nur leichte Tendenzen zeigen wohin die Reise gehen kann

Die Altersverteilung in Shopping-Centern, der Highstreet und dem Fachmarktzentrum ähnelt sich sehr stark. Dennoch lassen sich in den ‚Einzelhandelsprofilen 2021‘, bezogen auf den Durchschnitt aller untersuchten Einzelhandelslagen und -typen, leichte Unterschiede und Tendenzen erkennen: Das Fachmarktzentrum mit seinem bedarfsorientierten Angebot weist eine eher durchschnittliche Altersverteilung auf. Anders als die beiden erlebnisorientierten Einzelhandelsklassen: Bei Shopping-Centern verschiebt sich der Altersschwerpunkt um wenige Prozentpunkte auf das Publikum 60+, in der Highstreet hingegen geringfügig auf 20-39-Jährige. Dies deckt sich teilweise auch mit den Beobachtungen der JLL-Experten: „Jüngere Generationen erwarten heute mehr als nur das reine ‚Flanieren‘ durch Geschäfte. Sie treffen sich mit Freunden und wollen Spaß haben. Neben einem After-Work-Drink, wird zum Beispiel noch nach dem neuesten Smartphone geschaut oder lässt man sich gemeinsam von neuen Outfits inspirieren“, erklärt Dirk Wichner, Head of Retail Leasing bei JLL. Er ergänzt: „Genau das bietet ihnen die Highstreet. So erklärt sich auch die leichte Tendenz zu einem jüngeren Publikum. Einzelhändler passen sich daran an. Das bedeutet langfristig eine Veränderung der Innenstädte.“

Doch wie sieht es bei Shopping-Centern aus? Warum zeigt sich hier eine Tendenz zum Publikum 60+ und wie schafft man es, diese auch für jüngere Generationen attraktiv zu halten?

„Shopping-Center sind nur dann rentabel, wenn sie für den Kunden relevant sind und eine breite Zielgruppe bedienen. In den 10 untersuchten Lagen scheint dies hinsichtlich des Alters weitestgehend der Fall zu sein, wenn auch Best Ager etwas stärker vertreten sind im Vergleich zum Durchschnitt“, so Sarah Hoffmann, Head of Retail Investment bei JLL. Überraschend ist dies nicht. Das erste Shopping-Center in Deutschland eröffnete in den 60er Jahren. Für viele aus der 60+-Generation war dies also ein neuartiges Shopping-Erlebnis und etablierte sich als feste Alternative zur Highstreet. Doch die Erwartungen an das Shoppingerlebnis verändern sich mit jeder weiteren Generation. „Dies ist einer der Gründe, warum sich Shopping-Center immer wieder neu erfinden müssen. Sie müssen für jüngeres Publikum, wie zum Beispiel den Digital Natives, attraktiv bleiben und denen reicht das reine Shoppingerlebnis nicht mehr. Die Verschmelzung von Shopping und einem vielseitigen Freizeitangebot ist für sie wichtiger geworden. Shopping-Center haben dies erkannt und stellen sich den Herausforderungen mit innovativen und wechselnden Konzepten, die immer wieder neue Reize für die digital-affine Jugend schaffen,“ erläutert Hoffmann weiter.

Freizeit vs. Einkaufen: Läuft der Einzelhandel besser bei Verzahnung von Freizeit- und Shoppingangebot?

Dass der Erlebnischarakter als Teil des Einkaufserlebnisses wichtiger wird, zeigt sich deutlich in Shopping-Centern: 51% der Kunden verbringen ihre Zeit vor Ort hauptsächlich mit Freizeitaktivitäten (z.B. Gastronomie, Fitness oder sonstige Freizeiteinrichtungen), 35% mit dem Einkaufen. Was die Highstreet ganz natürlich miteinander verbindet, müssen Shopping-Center aktiv gestalten. Immer mehr Einkaufszentren setzen daher auf innovative, wechselnde Konzepte, wie zum Beispiel Pop-Up-Stores, auf kulturell ergänzende Angebote, wie Ausstellungen oder Events, auf neue Gastronomiekonzepte und auf Freizeiteinrichtungen für die ganze Familie.

Die Auswertung der zehn Highstreets lässt ein etwas anderes Schema erkennen: Der Anteil derer, die ihre Zeit vor Ort hauptsächlich mit Freizeitaktivitäten verbringen liegt 10 Prozentpunkte unter dem in Shopping-Centern; der Anteil derer, die ihre Zeit hauptsächlich mit Einkaufen verbringen 3 Prozentpunkte darüber. Wenn auch nur dezent, zeigt dies vor allem eines: Die Highstreet steht insbesondere für das Shoppingerlebnis oben auf der Liste. „Wir bewegen uns von der Konsum- zur Erlebnisgesellschaft. Und in der Innenstadt finden Kunden genau das. Es ist das Gesamterlebnis Innenstadt, was die Menschen anzieht und das wird auch so bleiben“, so Wichner.

Und wie sieht es bei Fachmarktzentren aus? Brauchen diese einen Erlebnischarakter, um auch weiterhin für Kunden attraktiv zu bleiben? „Ein Fachmarktzentrum ist bedarfsorientiert. Kunden kommen hierher, um Produkte des täglichen Bedarfs oder Haushaltsartikel – sei es in einem Bauhaus, Einrichtungshaus oder ähnlichem - zu kaufen. Freizeiteinrichtungen sind hier eher ergänzend zu sehen, zum Beispiel durch ein Café oder Schnellrestaurant“ erklärt Hoffmann. Umso überraschender ist der hohe Anteil derer, die während ihres Aufenthaltes vorrangig Freizeitaktivitäten nachgehen: es sind immerhin 51%. Lediglich 29% geben an, den Großteil der Zeit mit ihrem Einkauf zu verbringen. „Es ist hier deutlich die Aussage der Daten zu unterscheiden: Sie trifft keine Aussage über das eigentliche Ziel der Kunden/innen und sagt auch nicht aus, dass diese keiner anderen Aktivität nachgegangen sind. Eine längere Dauer des Aufenthaltes ist zum Beispiel in Fitnesszentren zu erwarten, die sich vermehrt in Fachmarktensembles niederlassen. Die Sogwirkung eines Fachmarktzentrums wird maßgeblich von einem breit aufgestellten Einkaufsangebot für den täglichen Bedarf der Kunden/innen bestimmt. Dennoch wird auch deutlich, dass ergänzende Shopping-, Gastronomie- und Freizeitangebote die Relevanz der Fachmarkzentren stärken. Auf diese Weise können sie sich von umliegenden Standorten abheben und den steigenden Wünschen rund um das Einkaufserlebnis der Kunden/innen nachkommen“, schlussfolgert Hoffmann.

Mietpreisentwicklungen: Mit Relevanz für den Kunden punkten

Die Mietpreissituation ist sehr differenziert zu betrachten. 

  • Fachmarktzentren weisen zwar die geringsten Mieten auf, überzeugen dafür jedoch mit kontinuierlich starken Mietpreissteigerungen bis vor Pandemiebeginn in 2019. 
  • Die Highstreet musste in den vergangenen Jahren einen leichten, jedoch stetigen Mietrückgang hinnehmen – wenn auch auf hohem Niveau. Die Frage, wie Innenstädte für Menschen attraktiver gestaltet werden können ist daher Teil einer größeren und andauernden Debatte geworden. JLL berichtete darüber in dem Artikel „Wie sieht die Zukunft der Innenstädte aus?“. Deutlich wird, dass dies nicht nur in den Händen der Einzelhändler liegen kann. „Benötigt wird ein breites Bündnis aus Eigentümern, Mietern sowie Akteuren aus Politik und Gesellschaft“, erklärt Wichner.
  • Shopping-Center hingegen blieben bis vor der Corona-Pandemie konstant. 

Mit der Pandemie kamen jedoch Herausforderungen, auf die sich der Einzelhandel nicht vorbereiten konnte. Das schlug sich auch in den Mieten nieder: Die Mietpreissteigerungen in Fachmarktzentren verlangsamten sich, blieben jedoch stabil. Shopping-Center und Highstreets mussten zwar Mieteinbußen hinnehmen, jedoch weniger als zu Beginn des Jahres 2020 vermutet. „Entgegen vieler Befürchtungen konnten auch Shopping-Center und Highstreets die Auswirkungen der Corona-Pandemie verhältnismäßig gut auffangen. Viele befürchteten eine Flut an Leerständen, was sich nicht realisiert hat – ganz im Gegenteil: die Bestlagen erfreuen sich noch immer hoher Beliebtheit“, so Hoffmann. „B-Lagen hingegen und Immobilien mit nicht mehr marktrelevanten Flächen müssen sich neu erfinden. Das spiegelt sich auch im Mietpreis wider.“ Auch, wenn die allgemeine Tendenz einen Rückgang der Mieten bei Shopping-Centern und Highstreet-Lagen suggeriert, ist dies sehr abhängig von der konkreten Lage eines Standortes. Es muss immer eine individuelle Flächenanalyse stattfinden. Denn es gilt auch hier: Eine hohe Relevanz für Konsumenten/innen sorgt für stabile Mieten.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung des Einzelhandels und des sich verändernden Einkaufsverhaltens der Kunden, ist Dirk Wichner überzeugt, dass die Mieten der Highstreet langfristig steigen werden: „Shopping wird in Zukunft ganz anders funktionieren: Geschäfte werden zu Showrooms, in denen Kleidung angeschaut, evtl. anprobiert und anschließend online bestellt wird. Während man mit Freunden noch bei einem gemeinsamen Dinner sitzt, werden die Bestellungen bereits vor die Haustür geliefert. Erste Pilotprojekte und innovative Konzepte dieser Art gibt es bereits auf dem Markt. Wenn wir von dieser Entwicklung ausgehen, gehen wir auch davon aus, dass sich Flächen verkleinern, Mieten jedoch dementsprechend steigen werden. Denn auch Mieter werden bei kleinerer Flächenanmietung bereit sein, höhere Preise pro Quadratmeter zu zahlen“, so Wichner.

Auch für Shopping-Center ist laut Hoffmann die Prognose positiv: „Wir erwarten, dass sich der Markt für Shopping-Center bereits 2022 wieder merklich erholt. Voraussetzung hierfür sind die verlässliche Umsetzung Corona-bedingter Maßnahmen in den Einkaufszentren sowie eine normalisierte gesetzliche Lage in Zeiten der Corona-Pandemie, die eine nachweislich positive Entwicklung der Frequenzen und Umsätze erlaubt.“ 

Fazit

Die Einzelhandelsprofile fassen Details zur Nutzung der einzelnen Einzelhandelstypen zusammen und zeigen, wie Angebot, Nutzerstruktur und Nutzerverhalten sowie Preisentwicklung zusammenhängen. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass der stationäre Handel weiterhin beliebt ist – bei der Kundschaft, Investoren und Mietern. Wichtig ist jedoch, die Bedürfnisse der Kunden zu erkennen, Besucherstrukturen zu betrachten und dieses Wissen zur Optimierung der Immobilien zu nutzen. Es gibt viele Stellschrauben, um Immobilien für ein breites Publikum attraktiv zu halten: Sei es der Mieter-Mix, das Konzept oder das Angebot. 

Sarah Hoffmann

Head of Retail Investment Germany

Aniko Korsos

Head of Retail Leasing, Germany