Artikel

Strukturwandel im Ruhrgebiet: Früheres Mediengelände wird moderner Logistik-Hub

Redevelopment der Greyfield Group in Essen bietet vielfältige Möglichkeiten

15. März 2022
Mitwirkende:
  • Christian Giesen

Als der liebe Gott das Ruhrgebiet schuf, rief er aus: „Essen ist fertig."
Die Anekdote, die Ruhrgebietsbewohner gerne erzählen, vermittelt den Eindruck, dass ein Stadtbild irgendwann abgeschlossen ist. Abgesehen von Geisterstädten entwickelt sich jedoch jede Stadt weiter; diese Entwicklung ist im Falle der großen Ruhrgebiets-Städte ein Strukturwandel. Das gilt auch für die größte Ruhrgebietsstadt: Essen. Dort besonders für ein Areal, was circa zwei Kilometer von der Stadtmitte entfernt liegt: die ehemaligen Gebäude der Funke-Mediengruppe.

 

 

Top-Gelände im Schatten des Essener Funkturms

Das Gelände liegt direkt im Schatten des weithin sichtbaren Funkturms. Es ist aktuell ein sogenanntes Brownfield, also eine ungenutzte Industriebrache, in die wieder Leben einziehen soll. Über Jahrzehnte hinweg wurden in den dortigen Verlags- und Logistikgebäuden u.a. die Tageszeitungen Westdeutsche Allgemeine (WAZ) und Neue Ruhr Zeitung (NRZ) produziert, gedruckt und vertrieben. Heute sind die Gebäude geräumt und leerstehend. Die vielfältigen Möglichkeiten des Geländes für den Eigentümer, die Essener Greyfield Group, und die zukünftigen Nutzer, werden hier vorgestellt. Der sportliche Projektzeitplan sieht vor, dass die Wiederbelebung des Areals bis Mitte 2023 erfolgreich abgeschlossen sein soll. Die aktuellen Gebäude tragen Baujahre von 1963 bis 2001.  

Möglichkeiten für das Areal

Für die erfolgreiche Vermarktung von Gelände und Gebäuden dieser Art ist bei JLL die Business Line Industrial Leasing zuständig, die Sarina Schekahn verantwortet. Sie ist seit Oktober 2021 als Head of Industrial Leasing Germany für das deutschlandweite Vermietungsgeschäft von Logistikimmobilien zuständig. Zur vorliegenden Aufgabenstellung sagt sie: „Zunächst ist es für das ehemalige Funke-Areal wichtig, einen Ankermieter zu finden, der wesentliche Flächen nutzt. Darauf aufbauend werden weitere Mieter gesucht. Je nachdem, ob man das Areal komplett oder in zwei Teilen – Bestandsimmobilie und Entwicklungsgrundstück – betrachtet, sind unterschiedliche Mietszenarien vorstellbar. Zum einen die Anmietung von bestehenden Flächen mit entsprechendem Erweiterungspotenzial oder auch abgegrenzt das Entwicklungsgrundstück, das durch einen klassischen Logistiker oder ein Last-Mile-Unternehmen gut genutzt werden kann.“

Das gesamte Interview
Von Brownfield24 mit Sarina Schekahn

Vielfältige Nutzung und langfristiges Konzept möglich

Die Bestandsmietfläche umfasst circa 27.500 m² – davon Lager/Logistik rund 24.000 m² sowie Büro rund 3.000 m²; das Erweiterungsgrundstück bietet eine Fläche von rund 9.200 m². Als eine wertvolle Partnerschaft stellt sich in diesem Zusammenhang eine Kooperation mit Miebach Consulting heraus. Sie setzen sich unter anderem mit dem Bereich Beratung in der Lieferkette auseinander. Im Ergebnis können so Transportwege und -kosten optimiert und passende Standorte ermittelt werden. Ebenso ist in diesem Bereich der Teil der Urban City Logistic angegliedert. Daher eignen sich die Flächen im Herzen des Ruhrgebiets auch besonders für Unternehmen, die zum Beispiel eine Belieferung in der Stadt abbilden. Daher punktet vor allem die innerstädtische Lage in Essen zwischen Schederhof- und Münchener Straße in Kombination mit der direkten Autobahnzufahrt. Sie ermöglicht, eine vielfältige Nutzung und ein passendes langfristiges Konzept zu entwickeln.

Wiederbelebung vor Abriss – auch für die Umwelt

Die Greyfield Group als Eigentümer des Areals hat unter anderem den Immobiliendienstleister JLL für die Vermarktung beauftragt und gestaltet dieses Projekt in Essen umfänglich. Ihr Geschäftsführer Timm Sassen erläutert das Projekt und die möglichen Nachhaltigkeitsaspekte, die man mit diesem Brownfield in Essen erzielen kann: „Unser Geschäftsmodell hat zum Ziel, Bestandsgebäude – wenn möglich – immer zu erhalten und umzunutzen. Dafür ist das Areal ein sehr gutes Beispiel. Wir reden über ein innerstädtisches Grundstück in der Gesamtgröße von circa 37.000 m² Grundfläche. Dieses Angebot trifft auf eine hohe regionale Nachfrage nach Gewerbe- und Logistikflächen. Die Kunst ist es, diese bereits versiegelten Flächen gut zu nutzen und umgekehrt keine weiteren Flächen für den Umbau versiegeln zu müssen. Von der reinen Mietfläche sind wir bei etwa 27.500 m². Der Neubau eines Gebäudes mit diesen Ausmaßen würde etwa zu einem Ausstoß von rund 25.000 Tonnen CO² führen. Es ist gut, dass wir diese Emissionen einsparen können.“

Dies ist der Kerngedanke der Greyfield Group. All das ist eng verbunden mit dem übergeordneten Thema Environmental, Social, Governance – kurz ESG (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Auch JLL hat sich mit hoher Priorität dem Thema ESG verschrieben und bereits eine Beratungseinheit dafür geründet.

Kaum neue Gewerbeflächen im Ruhrgebiet

Gerade im Ruhrgebiet ist es notwendig, solche Kriterien umzusetzen und Brownfield-Entwicklungen voran zu treiben. Es lassen sich dort in der besonders dicht besiedelten Region nur wenig neue Flächen generieren. Zudem geht es den Beteiligten, um den Aspekt Nachhaltigkeit und ungenutzte Fläche umzuwidmen und dem Stadtbild so ein sozialverträgliches und zukunftsfähigeres Gesicht zu geben. Damit kann der künftige Betrieb nachhaltig in das Stadtbild integriert und der Nachbarschaft ein Mehrwert geboten werden. 

Für die heutige Nutzung von Flächen und Gebäuden ist Kreativität bei den Nutzungsarten gefragt. So ist beispielsweise eine Kletter- oder Padelhalle, die derzeit stark nachgefragt sind, vorstellbar. Andererseits stehen auch Flächen zur Verfügung, bei denen es möglich ist, die Hallen direkt zu befahren. Dort könnten beispielsweise hochwertige Fahrzeuge zwischengelagert, vor der Auslieferung aufbereitet oder aber auch repariert sowie Batterien wieder geladen werden. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die Automobil- Hersteller, die händeringend auf der Suche nach geeigneten Flächen für die Ladung der Hybrid- und E-Autos sind. Aufgrund der vorhanden Strommengenverfügbarkeit am Standort von mehr als zehn Megawatt lässt sich auch eine Ladeinfrastruktur für E-Autos etablieren.

Standort kann systemrelevant genutzt werden

Aufgrund der Pandemie haben viele Menschen gesehen, dass es an der einen oder anderen Stelle beim persönlichen Einkauf und bei der Versorgung eng wurde. Mal waren es Nudeln, ein anderes Mal Backpulver oder auch das vielzitierte Toilettenpapier, was in den Regalen der Supermärkte aufgrund zu hoher Nachfrage und Lieferengpässen fehlte. In diesem Zusammenhang kann am Standort in Essen eine Systemrelevanz für die innerstädtische Versorgung erzielt werden, da vor allem der Lebensmitteleinzelhandel kurze Belieferungswege und Nachversorgungslager benötigt. Diese Voraussetzungen sind dort gegeben – auch durch die große Nähe zur Essener Innenstadt. Ebenso ist es vorstellbar, dort ein Lager für medizinische Produkte wie Medikamente aufzubauen, was das Ganze auf die Stufe der Systemrelevanz heben würde. All das zeigt die vielfältigen und flexiblen Möglichkeiten des gesamten Areals der Funke-Mediengruppe.

Sarina Schekahn

Head of Industrial & Logistics Agency Germany