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Parks und Grünflächen: Unsere Seele braucht die Natur in der Stadt

Das Stadtleben geht oft mit psychischen Belastungen einher. Für Ausgleich und mehr Wohlbefinden sorgen Grünflächen und Parks.

24. Mai 2019

Die aktuelle Wohnungsnot in unseren großen Städten bringt das Thema Verdichtung auf die Tagesordnung. Ungenutzte Flächen sollen aktiviert werden, Baulücken geschlossen. Verständlich, denn wenige Fragen treiben Stadtbewohner derzeit mehr um als verfügbarer und bezahlbarer Wohnraum. Bringt uns das am Ende zurück in die Betonwüsten? Hoffentlich nicht, denn Studien zeigen, dass unsere Psyche nicht wirklich für das beengte Stadtleben geschaffen ist und wir den Ausgleich im Grünen brauchen – und wenn es nur der städtische Park ist.

Stadtmenschen leiden 40 Prozent häufiger an Depressionen als Landbewohner. Auch Angststörungen sind in der City um 20 Prozent stärker vertreten. Und wer seine Kindheit in einer Stadt verbracht hat, lebt mit einem dreifach höheren Schizophrenie-Risiko als „Landgewächse“. Am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim erforscht man die psychischen Belastungen des Stadtlebens. Nach bisherigen Erkenntnissen scheint – neben dem, das wir in den dicht besiedelten Regionen als „Alltagsstress“ wahrnehmen – erstaunlicherweise die Einsamkeit ein Hauptfaktor zu sein, der vielen Stadtmenschen aufs Gemüt schlägt: Isolation in der Menge und in der Anonymität, ohne belastbare soziale Bindung in den Netzwerken Gleichgesinnter. Hinzu kann im hektischen Strom der Ballungszentren dann noch das Gefühl mangelnder Kontrolle über die eigene Umwelt kommen.

Urbanisierung wird sich kaum umkehren lassen

Also alle raus aufs Land? Das ist keine realistische Strategie. Weltweit leben heute schon rund 55 Prozent der Menschen in Städten, in Deutschland sind es bald fast 80 Prozent der Bevölkerung. Nun lebt natürlich nicht jeder darunter in einer der ganz großen Metropolen des Landes. Doch der Trend zur Urbanisierung ist unverkennbar. Gerade wenn es um Ausbildung und Beruf geht, bleiben den meisten Menschen wenige Alternativen zur Stadt. Zudem ist für viele Städter – trotz des urbanen Stresses – ein Leben auf dem flachen Land schlicht nicht vorstellbar.

Aber wie wäre es nun, stattdessen ein Stück Landleben in die Stadt zu bekommen? Wer hat nicht schon mal als Kind zu hören bekommen „du musst mal an die frische Luft“? Der Spruch ist sicher längst Klischee, verbirgt aber doch eine Wahrheit, die ebenfalls wissenschaftlich untersucht wird. Die „Luft“ ist hier aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der zentrale Faktor, sondern die Wahrnehmung von Natur. Ganz neu ist die Vorstellung, dass uns der Ausflug ins Grüne guttut, nicht. Seit sich das soziale Leben in den Städten konzentriert, so lange schon sehnt sich der Mensch nach der Existenz jenseits der Mauern. Die Kunst ist voll davon: Von der Romantik bis zur jüngeren Renaissance des Western-Genres, in unserer kollektiven Vorstellung gibt es dort draußen offenbar etwas, das uns Straßen und Beton nicht bieten können.

Naturerlebnis hebt die Stimmung

Diesen Eindruck scheinen verschiedene Studien und Untersuchungen aus den vergangenen Jahren zu bestätigen, zum Beispiel eine Befragung der Universität Surrey mit über 4.500 Teilnehmern. Sie gaben ein steigendes Wohlbefinden bei Ausflügen ins Grüne an – und zwar umso ausgeprägter, je naturbelassener diese Umgebungen waren. Der echte Wald schlägt also den Stadtpark, aber auch letzterer zeigt seine Wirkung. Zu ähnlichen Ergebnissen kam schon etwas früher ein kleineres Projekt an der kanadischen University of British Columbia. Demnach haben selbst flüchtige, ganz alltägliche Berührungen mit Natur einen positiven Effekt auf unsere Psyche. Weitere Untersuchung legen zum Beispiel nahe, dass Senioren, die am Stadtrand nah am Grünen leben, Stress besser verarbeiten, oder dass Kinder durch Naturerfahrung konzentrierter und emotional stabiler sein könnten.

Einige dieser Studien bedürfen noch der weiteren wissenschaftlichen Bestätigung, die Tendenz allerdings scheint klar. Das positive Gefühl, das wohl die meisten von uns mit einem Aufenthalt in der Natur verbinden, lässt sich in der psychologischen Forschung dokumentieren. Und das bedeutet auch: Auf Grünflächen in unseren Städten können wir im Sinne der Lebensqualität schwerlich verzichten. Selbst vor dem Hintergrund fehlender Wohnungen ist also bei der Verdichtung Augenmaß gefragt. Betonwüsten werden uns nicht glücklich machen.

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