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Vom alten Industriegelände zur Stadtoase – so wird das verlassene Deutz-Areal zum lebendigen Stadtquartier

Die mehr als 150 Jahre alten Backsteinhallen sind zwar verlassen, stehen aber mitten in Köln.

30. Juni 2018

Lost Place heißen sie oft, die von Farnen und Graffitis überwucherten stillgelegten Industrieareale. Dabei kann von „lost“ bei Weitem nicht immer die Rede sein – zumindest nicht beim ehemaligen Werksgelände des Motor-Riesen Deutz AG. 160.000 Quadratmeter direkt am Rhein. Zentral, statt verloren. Die perfekte Lage für Wohnen, Arbeiten und Einkaufen.

Und für die Deutz AG, die bereits vor ein paar Jahren die Veräußerung beschlossen hatte, eine gute Ausgangslage für den Verkauf. Doch bis potenzielle Investoren von Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit einer Umnutzung überzeugt sind und aus Graffitis und Farnen freundlich-grüne Stadtquartier-Wände geworden sind, ist es ein langer Weg. JLL erhielt den Auftrag, ein entsprechendes Nutzungskonzept auszuarbeiten, dessen Umsetzbarkeit sicherzustellen und erfolgreich an einen Investor zu verkaufen.

Knut Kirchhoff, Regional Manager JLL Köln, und Christian Mühlens, Senior Projekt Manager JLL Project & Development Services, über die kleinen herausfordernden Details, die ein Projekt mit sich bringt, das nicht ganz alltäglich ist:

Start bei Stunde null? Oder wie steigt man in ein Projekt dieser Dimension ein?

Knut Kirchhoff: Komplett ohne etwas in der Hand zu haben, geht es in der Regel nicht los. Das Projekt hatte bereits vor vier Jahren mit einem städtebaulichen Wettbewerb begonnen – dem Werkstattverfahren  – in dem zwei interdisziplinäre Planungsteams ein Entwicklungskonzept entworfen haben. Unser Auftrag startete danach. Es galt, die Ergebnisse aus dem Wettbewerb städtebaulich zu optimieren, ein alle Aspekte umfassendes Nutzungskonzept zu entwickeln und das notwendige Baurecht zu schaffen – denn das lag noch nicht vor.

Christian Mühlens: Eine solche Entwicklung und der Verkauf eines kompletten Stadtteils gehören zu den Projekten, die nicht alle Tage auf der Agenda stehen. Unser erstes Ziel war es deshalb auch, ein funktionierendes Team auf die Beine zu stellen. Dabei war es uns wichtig, dass wir Experten aus allen Bereichen einbeziehen – für die Vermarktung, die technischen Parts, das Planerische und auch die unterschiedlichen Nutzungsarten.

Wie entwickelt man ein Nutzungskonzept, das nicht nur ein altes Industrieareal „wieder schön macht“, sondern vor allem als neuer Stadtteil funktioniert?

CM: Wichtig ist, dass die Infrastruktur und die städtebaulichen Qualitäten stimmen, genauso wie die spezifischen Anforderungen vom Markt und den Nutzern berücksichtigt werden müssen. Das ist  aber nur ein kleiner Teil der Aufgaben und Bereiche, die in die Planungen einbezogen werden müssen. Auch der demographische Wandel spielt eine wichtige Rolle, wenn wir solche Nutzungskonzepte entwerfen. Zudem müssen Lärm- und Bodengutachten erstellt und Aufsiedlungsszenarien zum  prognostizierten Verkehrsaufkommen durchgespielt werden. Hier hängen wiederum Dienstleister mit dran, für die wir entsprechende Verträge aufgesetzt und ausgehandelt haben.

KK: Eine besondere Herausforderung bei der Umnutzung von Industrieflächen- zu einem urbanen Quartier mit einem hohen Anteil an Wohnflächen stellen die Lichtverhältnisse dar. Wie ist die Sonneneinstrahlung? Wo muss man eventuell Verschattungen öffnen? Wie stellt man eine ausreichende Besonnung der Wohnräume sicher? Auch der Artenschutz für Tiere im direkten und nahen Umfeld spielt für die Planung eine Rolle und muss entsprechend analysiert werden. Ein ganzes Netz aus Aufgaben also, das stets als großes Ganzes im Blick behalten werden muss.

Mittlerweile steht das Nutzungskonzept. Wie wird das Areal einmal aussehen?

KK: Wir haben gemeinsam im Team mit dem Architekturbüro Michael Zimmermann und Co. aus Köln ein Nutzungskonzept erstellt, in dem es künftig  über 285.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche geben wird. Zwei Drittel des gesamten Areals werden in Wohnraum umgewandelt, was der Stadt Köln besonders wichtig war. Nachvollziehbar. Denn Wohnungsmangel ist nach wie vor ein wichtiges städtebauliches Thema. Fast 20 Prozent der Flächen werden dann – in einer gemischten Nutzung mit Wohnen – zu Gewerbeflächen. Außerdem ist Fläche für Einzelhandel und Parken eingeplant und es wird eine KITA und eine Grundschule geben.

Klingt nach einer effizienten Nutzung der vorhandenen Fläche – ganz im Sinne der gerade in Großstädten immer wichtiger werdenden Verdichtung. Wie schafft man mehr Platz?

CM: Auf Basis des städtebaulichen Wettbewerbs konnten wir einen Masterplan entwickeln und mit der Zeit weiter optimieren, der das Gelände noch einmal deutlich effizienter nutzt. So konnten wir die Zahl der Wohneinheiten erhöhen und zusammen mit der Stadt Köln ein lebendiges Quartier entwickeln, das das bisherige Stadtbild ergänzt. Zudem war es uns wichtig, die Atmosphäre dieses historischen und besonderen Ortes zu erhalten und eine hohe Lebensqualität für die künftigen Quartiersbewohner zu schaffen.

Was war die größte Herausforderung des Projektes und wie geht es jetzt weiter?

CM: Eine große Herausforderung bestand darin, eine Verwertungsstrategie zu entwickeln, die dem historischen Wert des Grundstücks gerecht wird und der Deutz AG einen sinnvollen Exit versprach. Da gab es zwei relevante Szenarien: Entweder mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan die Flächen baureif zu machen und den städtebaulichen Vertrag selbst umzusetzen, um dann Teilgrundstücke parzelliert zu verkaufen. Oder aber das gesamte Grundstück, mit Bebauungsplan, aber ohne es baureif zu machen zu verkaufen. Wir haben beide Varianten intensiv geprüft und Deutz dazu beraten. Letztendlich hat sich Deutz dazu entschieden, den Masterplan weiterzuentwickeln, das Baurechtverfahren und wesentliche Gutachten bereits anzustoßen und durch diese Anentwicklung einen Mehrwert zu stiften. Anschließend hat die Deutz AG das Areal vor dem Satzungsbeschluss an einen Projektentwickler übergeben.

Und die Gespräche und Verhandlungen liefen gut. Wer ist der neue Investor und was bleibt noch zu tun, bis die Bagger tatsächlich anrücken können?

KK: Im Dezember 2017 war der Exit für die Deutz AG vollzogen und der Verkaufspreis lag deutlich über den Erwartungen. Das 160.000 Quadratmeter große Gelände, auf dem noch bis vor kurzem Klein- und Großmotoren gebaut wurden, wechselte für einen Sockelbetrag von 125 Millionen Euro den Eigentümer. Die Gerchgroup mit Sitz in Düsseldorf hat das Areal gekauft. Jetzt gilt es, den Masterplan und die Gutachten zu finalisieren, ein Mobilitätskonzept zu entwickeln – das Areal soll weitgehend autofrei werden – die unterschiedlichen Dienststellen, beispielsweise die Schulentwicklung, den Denkmalschutz etc., zu beteiligen und den Satzungsbeschluss und damit das Baurecht zu erwirken. Dann kann das Grundstück erschlossen werden.

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