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Hub & Club: Vom zentralen Büro zum vernetzten Arbeitsbiotop

Die Bürowelt könnte bald noch vielfältiger werden. Mit differenzierten Standorten, die ganz im Sinne der jeweiligen Tätigkeiten organisiert sind. Das Hub&Club-Modell nimmt Fahrt auf.

18. November 2020

Grundlegende Veränderungen in der Büroarbeitswelt beschäftigen Unternehmen schon seit längerer Zeit. Die Pandemie ist aber der große Katalysator. Alternative Konzepte abseits großer Firmenzentralen, in denen sich Schreibtisch an Schreibtisch reiht, rücken immer mehr ins Blickfeld.

Ohnehin sehen unsere Büros schon völlig anders aus als noch vor zwei Jahrzehnten: Offene Arbeitsbereiche inzwischen die Regel, ebenso wie flexiblere Arbeitszeiten. Dank Technologieschub sind Teams zunehmend digital vernetzt. Modelle wie Hub & Club werden dadurch tragfähiger und attraktiver. Das bedeutet: Die Beschäftigten finden auch im Umfeld der großen Zentren Büroarbeitsplätze etwa als Alternative zum Home Office, das zentrale Headquarter wird dagegen zum Ort der Begegnung, ob mit dem Team oder mit dem Kunden.

„Hub & Club ist seit einigen Monaten definitiv in Unternehmen jeder Größe im Gespräch“, so Sunica Monard, Workspace Strategy Business Developer bei JLL. „COVID-19 gab zweifellos den Anstoß, Portfolios zu überdenken. Aber bereits zuvor war die Erkenntnis gewachsen, dass die Einbindung der Mitarbeiter und die Bereitstellung einer an die betrieblichen Abläufe angepassten Arbeitsumgebung wesentlich zum Erfolg beitragen. Coworking und Home Office liegen nicht erst seit gestern im Trend. Daher gibt es bereits Unternehmen, die sich neben ihrer Zentrale auch in Coworking Spaces eingemietet haben.“

Jetzt wagen sich zunehmend auch Großunternehmen an diese Alternative. Im April äußerte sich Jes Staley, CEO von Barclays, entsprechend dazu: „Standortstrategien werden langfristig neu erdacht. Der Ansatz, dass 7.000 Mitarbeiter in einem Gebäude zum Arbeiten zusammenkommen, könnte bald der Vergangenheit angehören.“

Die passende Fläche für jede Arbeit

Viele Unternehmen, deren Belegschaft sich über mehrere Stockwerke eines Gebäudes verteilt, verfügen bereits über Arbeitsplatzstrategien, die Räume für soziale und kollaborative Aktivitäten, für konzentriertes Arbeiten und für Besprechungen mit Kollegen vorsehen. Diese werden von den Beschäftigten flexibel genutzt, je nachdem, womit sie gerade beschäftigt sind. Das Hub & Club-Modell bietet Mitarbeitern Auswahl und Flexibilität. Es geht über die reine Home Office-Variante weit hinaus. Stattdessen steht ein dritter Ort neben dem eigenen Zuhause und der Firmenzentrale bzw. dem Campus zur Verfügung.

„Die Erfahrung der COVID-19-Krise hat gezeigt, dass Wissensarbeiter ganz praktisch und konkret die Fähigkeit besitzen, ihre Arbeitsweise anzupassen. Auf diesen Erfahrungswerten der vergangenen Monate müssen wir aufbauen“, so Monard. „Wir drehen die Reihenfolge um. Es wird erst die Frage gestellt: Welche Arbeit steht an? Und dann: Wo lässt sich die Arbeit am besten verrichten? Und nicht wie früher umgekehrt.“

Der „Club“ ist dort, wo große interne Meetings oder Treffen mit Kunden stattfinden – in einer Atmosphäre, wie man sie von den Privatclubs kennt, die seit einigen Jahren in vielen Großstädten aus dem Boden schießen. Sie sind geografisch zentral gelegen, es gibt es dort eine begrenzte Anzahl von Schreibtischplätzen. Diese Orte fördern die soziale Interaktion, bieten Raum für Lernen und Wissensaustausch, während gleichzeitig die Sichtbarkeit der eigenen Marke gefördert wird.

Hubs ihrerseits haben den Vorteil, dass Mitarbeiter nicht zu Stoßzeiten pendeln müssen, aber dennoch zum Arbeiten das Haus verlassen können. An dezentralen Standorten sind ganz nach Bedarf verschiedene Räumlichkeiten buchbar. Die Mitarbeiter finden dort verschiedene Büroumgebungen vor: Besprechungsräume, Pods für konzentriertes Arbeiten und offene „Breakout Areas“.

„Hub und Club unterstützen sich gegenseitig. Aber Hubs sind nicht einfach Außenposten“, erklärt Monard. „Stattdessen gibt es dort ein Raumangebot, das je nach Arbeitsaufgabe genau dem Bedarf entspricht. Und noch dazu fördert es die Work-Life-Balance. Eine Komponente, die vor Corona häufig fehlte.“
Hubs sind unter Umständen besser zu erreichen als Gebäude in Innenstadtlage. Auch verringert sich durch sie die Zeit, die für Arbeitswege anfällt. Nach Recherchen von JLL war das ein Aspekt, den etwa die Hälfte der Berufstätigen während der Pandemie sehr zu schätzen gewusst hat.

Positives Arbeitsumfeld durch Ausgewogenheit

In der näheren Zukunft wird das Thema Covid-19 die Arbeitswelt sicher nicht loslassen. Der Schutz der Beschäftigten hat damit weiter oberste Priorität. Werden sie auf verschiedene Standorte verteilt, dient das dem Abstandsgebot und begrenzt die Zahl der Kontakte. Ganz zu schweigen davon, dass Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn ein Standort zur Desinfektion geschlossen werden muss.

Langfristig betrachtet könnte sich für Unternehmen der weitere Vorteil ergeben, dass sie eine größere Auswahl an Bewerbern haben, da sie weniger standortabhängig sind.„Mehr denn je ist attraktiv, für zukunftsorientierte Unternehmen zu arbeiten, die Flexibilität und ein positives Arbeitsumfeld bieten“, versichert Monard. „Wir wissen, dass viele Menschen gern ins Büro gehen, denn es ist ein Ort sozialer Interaktion. Aber der Standort ist nach wie vor ein wichtiger Faktor. Die Pandemie hat gezeigt, dass eine ausgewogenere Work-Life-Balance möglich ist. Niemand möchte mehr täglich Stunden damit verbringen, an seinen Arbeitsplatz zu gelangen.“

Das Hub & Club-Modell hat aber auch seine Tücken. Es kann sein, dass Mitarbeiter weit verstreut leben, speziell in großen, dicht besiedelten Ballungsgebieten. Ein guter Nahverkehrsanschluss in Regionen außerhalb des jeweiligen Zentrums ist nicht immer gegeben.

„In Großstädten wie London oder Paris lassen sich geeignete Standorte unter Umständen nur schwierig finden“, weiß Monard. „Ideal ist eine Kombination aus einem Club in guter Lage in der Nähe eines Nahverkehr-Knotens und einer Reihe kleinerer Standorte, die ebenfalls gut ausgestattet, aber in viel kürzerer Zeit erreichbar sind.“
Das Hub & Club-Modell steckt vielleicht noch in den Kinderschuhen, aber Monard ist davon überzeugt, dass es Zukunft hat. Immerhin stehen aktuell viele Raum- und Standortkonzepte auf dem Prüfstand: Der Bedarf wird neu bewertet, man konzentriert sich darauf, ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Zusammenarbeit fördert – im Einklang mit den Erwartungen der Mitarbeiter an die Zeit der „neuen Normalität“.

„Der Wunsch wächst, so zu arbeiten, wie es den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entspricht, und die Arbeitgeber müssen Wege finden, damit umzugehen. Dann geben die Mitarbeiter auch ihr Bestes“, lautet Monards Fazit.