Immobilienbesitz von Unternehmen – erleben wir eine Trendwende?
Man könnte es meinen, da die Zahl der Eigennutzer weiter schrumpft. Die Erfahrung unserer Corporate Capital Markets (CCM) EMEA Expert:innen zeigt, dass der Verkauf eigener Immobilien durch ihre Nutzer in der gesamten EMEA-Region ein wachsender Trend ist. 2021 wurde bei mehr als 670 Veräußerungen ein Rekordwert von 29,2 Milliarden Euro erzielt. Das entspricht einem Zuwachs um 2% gegenüber 2020.
Derzeit sind große Veränderungen im Gange, darunter auch sich verändernde Anforderungen wie Net-Zero, hybrides Arbeiten sowie Lieferketten-Engpässe. Beispielsweise gaben im Mai 2021 rund 43,9 % der Unternehmen in der Baubranche in Deutschland an, Probleme bei der Beschaffung von Baumaterialien zu haben.
Das Tempo des Wandels ist rasant und führt zu einem ernsthaften Umdenken. Hinzu kommen Investoren, die auf der Suche nach stabileren, Ertrag generierenden Immobilien sind – wie auch immer mehr Vermieter:innen, die die besonderen Bedürfnisse verschiedener Branchen verstehen und auf deren komplexe Anforderungen eingehen können. Gleichzeitig treten immer mehr langfristig orientierte Investoren in Erscheinung, die sich auf Sale & Lease Back spezialisiert haben, um Partner für Jahre statt für Monate zu werden. Einige von ihnen konzentrieren sich besonders auf kritische Anlagen, von Rechenzentren bis hin zu Gigafabriken. Für mich deutet all dies darauf hin, dass der Immobilienbesitz von Unternehmen in den meisten Märkten und in einem immer größeren Spektrum von Gebäuden auch weiter zurückgehen könnte.
Keine beschlossene Sache
Die Realität ist jedoch meiner Erfahrung nach differenzierter; je nach Branche gibt es Abweichungen und Ausnahmen. In der Tech-Welt beobachten wir beispielsweise, dass Unternehmen wie Facebook, Microsoft und Google derzeit Immobilien erwerben, statt diese anzumieten. So investierte beispielsweise Google in Polen 583 Millionen Euro in Kauf und Erweiterung seines Warschauer HUB Bürokomplexes. Die Nachfrage dieser Nutzergruppe zielt insbesondere auf große, moderne Gebäude in attraktiver und zentraler Lage ab. Neben ESG-Konformität spielen auch Zusammenarbeit und soziale Interaktion eine entscheidende Rolle für die Branche.
Im produzierenden Gewerbe wiederum ist es oft der Fall, dass Unternehmen ihre Immobilien besitzen, um die Kontrolle über selbstgenutzte und betriebskritische Gebäude zu behalten und um über maximale Flexibilität zu verfügen. So sind sie in der Lage, Veränderungen bestmöglich zu adaptieren und zu implementieren.
Das finanzielle Element ist natürlich auch ein wichtiger Faktor, weil der Kapitaleinsatz in Unternehmen und Immobilien, die traditionell als alternative Finanzierungsquellen gesehen werden, stärker in den Vordergrund rücken. Das fördert Sale & Lease Back-Aktivitäten. Anders ausgedrückt: S&LB kann dem Verkäufer zur Kapitalbeschaffung dienen. Das freigesetzte Kapital kann anderweitig, z.B. in das Kerngeschäft, investiert werden. Angesichts der steigenden Zinssätze könnte dieser Ansatz sogar noch stärker in den Fokus der Unternehmen rücken.
Da börsennotierte Unternehmen einem enormen Druck von außen ausgesetzt sind, kann die Komplexität dieser Unternehmen eine zügige Umsetzung von Maßnahmen erschweren. Unternehmen, die sich im Besitz von Privateigentümer:innen befinden, können schneller Entscheidungen zum Erwerb ihrer Gebäude treffen. Und Privatunternehmen ohne externe Anteilseigner, häufig in Familienbesitz, können die Dinge oft in ihrem eigenen Tempo angehen.
Ein Umdenken findet in den Branchen statt, die noch über einen großen Bestand an eigenen Büroimmobilien verfügen. Beispielsweise stammen in der Konsumgüter- und Pharmabranche viele Bürogebäude aus den 1990er Jahren. Einer Zeit, in der hybrides Arbeiten, Net-Zero-Ambitionen sowie ESG-Konformität noch keine Rolle in der Planung und Umsetzung spielten. Diese Tatsache birgt verschiedene Risiken, darunter die Unwägbarkeiten der Nachvermietung, aber auch das Entstehen von Stranded Assets, d.h. Immobilien, deren Marktwert drastisch sinkt, mitunter bis zur vollständigen Wertlosigkeit. Unternehmen können nun entscheiden, ob sie selbst in den Bestand investieren, nachrüsten und modernisieren, oder das Kapital in das Kerngeschäft investieren und die hierfür notwendigen personellen Ressourcen statt in Modernisierungsmaßnahmen anderweitig binden.
Hinzu kommt, dass sich diese Bestandsimmobilien meist in einer dezentralen Lage befinden und über eine schlechte ÖPNV-Anbindung sowie Nahversorgung verfügen. Für Mitarbeitende an solchen Unternehmensstandorten ist dies nicht gerade vorteilhaft. Unternehmen selbst – insbesondere in der Post-Covid-Welt des flexiblen Arbeitens – stellt es wiederum vor neue Herausforderungen. Wir beobachten, dass es viel einfacher ist, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Rückkehr in Büros in zentraler Lage zu motivieren, als dies in dezentralen Lagen der Fall ist.
Immobilienbesitz von Unternehmen?
Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden sowie die Bereitstellung optimaler Bürowelten, die hybrides Arbeiten unterstützen, werden immer wichtiger. Daher werden wir – zumindest meiner Erwartung nach – mehr Verkäufe von Objekten sehen, die den Anforderungen sowie der ESG-Konformität nicht mehr entsprechen.