Büros neu verstehen lernen: Für Office-Flächen gelten bald andere Qualitäten
Während Investoren und Großunternehmen ihre Büroportfolios überdenken, etablieren sich rasant neue Messgrößen für die Bewertung der Flächenqualität.
Remote Working und Well Being sind die Trends, die derzeit die Diskussion um die Zukunft der Büroimmobilien bestimmen. Viele Unternehmen sind herausgefordert, ihre Büroräume in diesem Licht neu zu bewerten. Andererseits steigt vielerorts der Druck, die Overhead-Kosten zu senken. Die traditionellen Kategorien, in denen man die Performance von Büroflächen bisher dachte, stoßen so an ihre Grenzen.
Jetzt wird nach Kennzahlen gesucht, die über die konservativen Metriken von Fläche je Person oder Schreibtisch hinausgehen. Unternehmen wollen besser verstehen, was die unterschiedlichen Büros in ihrem Portfolio wirklich auszeichnet. Vor allem bewegt die Entscheider natürlich die Frage, wie es nach der Pandemie weitergehen wird, mit welchen Immobilien und nicht zuletzt wo? Klar dürfte sein, dass die Büroflächen noch flexibler werden müssen. „Vermehrtes Remote Working mit der entsprechenden Verschiebung von Belegungsspitzen und Zeiten geringerer Belegung sorgt für große Schwankungen im Flächenbedarf“, erklärt Stephan Leimbach, JLL Head of Office Leasing Germany.
Keine Rückkehr zur alten Präsenzkultur vorstellbar
Viele Unternehmen halten allerdings umfangreiche Büroportfolios für Mitarbeiter, die man vor nur einigen Monaten noch jeden Tag in den Geschäftsräumen erwartet hätte. Doch die Pandemie hat dafür gesorgt, dass längst nicht mehr jeder Beschäftigte ständig vor Ort ist. Einige Unternehmen hatten in der Hochphase des Lockdowns sogar gänzlich auf Remote Working umgestellt. Die Uhr wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen. Work from Anywhere hat sich vielfach etabliert. Ein komplettes Zurück zur Präsenzkultur ist kaum zu erwarten, davon gehen die meisten Branchenkenner aus. „Das bedeutet aber auch, dass sich die neue Bürorealität mit den klassischen Metriken nicht mehr zufriedenstellend erfassen lässt. Also wächst das Interesse an neuen Messgrößen, etwa für die technische Smartness von Gebäuden, für ihre Anpassungsfähigkeit oder für den Anteil flexibler und innovationsfördernder Flächen“, so Leimbach.
Das bedingt ein verändertes Selbstverständnis der Immobilienverantwortlichen in den Unternehmen. Bisher belegten sie ihre Leistung anhand betrieblicher Effizienz, gemessen an Kosteneinsparung, Betriebskosten und Kosten je Quadratmeter. „Solche traditionellen Kennzahlen geben allerdings immer weniger Auskunft über den wirklichen Erfolg einer Portfolio-Strategie und darüber, wie die Büroflächen zum unternehmerischen Erfolg beitragen. Flexibilität wird stattdessen ein zentraler Faktor sein, wenn Unternehmen auf die neue Arbeitswelt reagieren wollen“, davon ist Leimbach überzeugt.
Digitalisierung revolutioniert Portfolio- und Flächenplanung
Aber nicht nur die Art der Flächennutzung verändert sich rasant, auch der technologische Fortschritt legt ein atemberaubendes Tempo vor. „Die Digitalisierung ermöglicht die Erfassung und Auswertung der Portfoliodaten und erlaubt es somit, flexibel und schnell auf Veränderungen im Markt zu reagieren. Gerade im Zuge von COVID hat sich dies als wichtig und wertvoll erwiesen.“ bewertet Tariq Hussain, Senior Account Digital Director bei JLL Technologies.
Nie veralteten Immobilien rascher als heute. Auch dafür braucht es neue Metriken, die etwa Auskunft geben über die Auslastung des Portfolios oder die Deckung des Energiebedarfs aus nachhaltigen Quellen. Die digitale Transformation treibt allerdings nicht nur an, sondern ist gleichzeitig auch Unterstützer, etwa mithilfe moderner Sensorik, die Nutzungs- und Gebäudedaten erfasst. „Die Analyse von Bürokapazitäten steht vor einer Zeitenwende. Mit Predictive Analytics wird es möglich, nicht nur die aktuelle Belegung zu bewerten, sondern belastbare Aussagen für die Zukunft zu treffen. So können Unternehmen auf Trends reagieren, die sich gerade erst etablieren“, so Hussain.
Und das weit über die Belegungsplanung hinaus. Von neuen, datengestützten Metriken kann die Immobilienwirtschaft vielfältig profitieren. Vorausschauende Technologien und künstliche Intelligenz sind zunehmend in der Lage, komplexe CRE-Entscheidungen zu befähigen.
Der Preis lockt, aber der Weg ist noch steinig
Doch so einfach, wie es vielleicht klingt, ist die Transformation nicht. Zwar verfügen viele Unternehmen über gewaltige Datenbestände, ohne weiteres verwertbar sind sie aber in den wenigsten Fällen. So haben etwa Untersuchungen von IBM im vergangenen Jahr gezeigt, dass etwa 80 Prozent der Firmendaten in Silos isoliert oder nicht verwertungsbereit sind. Das könnte für viele Unternehmen zu einem anstrengenden Lauf gegen die Zeit führen, denn die technologischen Standards bleiben natürlich nicht stehen. Ob 5G oder das Narrowband-Internet of Things, an Möglichkeiten für die Leistungsmessung und -optimierung der Portfolios wird es nicht mangeln. Gefragt ist jetzt die Bereitschaft, den digitalen Wandel für eine neue Qualität der Immobilienstrategie anzunehmen. Und neue Metriken sind ein wichtiger Teil davon.