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Smart Office Solutions – wie viel smart ist wirklich smart?

Die Zukunft hat in unseren Büros bereits begonnen – oder könnte zumindest sofort starten. Smart Office Solutions gibt es mittlerweile en masse. Aber ist wirklich jede davon auch immer eine Investition wert?

21. Oktober 2020

Voll drin in der Rush Hour – ein Mitarbeiter steht morgens plötzlich im Stau und nichts geht mehr. Das Smartphone liegt in der Mittelkonsole, hat das Stop-and-Go längst registriert, scannt gleichzeitig den straffen Kalender, pusht Vorschläge für Terminverschiebungen aufs Display und informiert dann selbstständig alle Teilnehmer über die Änderungen. Im Büro angekommen geht’s dann dank automatischer Zugangskontrolle wieder schneller, der Meeting-Raum ist mit digitalem Wegweiser schnell gefunden und das interaktive Whiteboard sorgt dafür, dass in der angesetzten Brainstorming-Stunde mit Kollegen aus aller Welt auch wirklich „was bei rumkommt“. Zurück im eigenen Büro – das Smartphone erkennt’s sofort – passen sich Licht und Temperatur automatisch an die persönlichen Vorlieben an. Der Sitz-Steh-Tisch registriert jeden Haltungswechsel und erinnert rechtzeitig daran, doch mal aufzustehen. Gut für den Rücken. Fürs Wohlbefinden. Und für die Motivation.

Die Zukunft hat in unseren Büros bereits begonnen – oder könnte zumindest sofort starten. Smart Office Solutions gibt es mittlerweile en masse und die Produktpalette entwickelt sich rasant. Spannend. Hilfreich. Effizient. Aber wie smart sind unsere Arbeitsweisen und Büros bereits wirklich? Ab wann ist ein Office eigentlich smart? Kann jedes Bürogebäude so mir nix dir nix smart werden? Und ist wirklich jede Solution auch immer eine Investition wert?

Smart vernetzt

„Letztendlich ist die Definition ganz einfach – ein smartes Büro vernetzt physischen Raum und angebundene technische Anwendungen“, sagt Marcel Kluckow, Senior Product Manager Digital Services bei JLL. „So können u.a. Daten über die Raumnutzung gesammelt, ausgewertet und verwertet werden. Erkennt das System beispielsweise, dass ein Mitarbeiter jeden Mittag seinen Schreibtisch verlässt und erst nach einer Stunde zurückkehrt, fährt das Smart Office individuelle Beleuchtung und Arbeitsgeräte zentral herunter – und entsprechend wieder herauf.“ „Der Grad der Smartisierung ist natürlich immer auch abhängig von Branche und Bereich“, ergänzt Samia Tömen, Senior Consultant Workplace Strategy bei JLL. „Jedes Unternehmen muss und sollte für sich definieren, was smart im eigenen Fall bedeutet. Letztlich kommt es ja darauf an, zu fragen, was der ganz individuelle Bedarf an die Arbeitsumgebung ist und sich dann entsprechend einrichten und aufstellen. Da kann es dann statt automatischer Licht- und Wärmesteuerung auch wichtiger sein, vor allem die Kommunikation und das Knowledge Sharing smarter und intuitiver werden zu lassen und effizienter, interaktiver zu arbeiten – ohne große Organisationsaufwendungen.“

In alles zu investieren lohnt also keineswegs, Voraussetzungen, Ziele und Strategie müssen stimmen und sinnvoll miteinander verzahnt sein. „Smarte Systeme zur Auswertung und Optimierung der Raumnutzung machen natürlich erst ab einer gewissen Nutzungsintensität eines Gebäudes Sinn. In der Regel trifft dies auf Gebäude mit großer Bürofläche bzw. größere Unternehmen zu, da hier genug Daten gesammelt werden können, um die smarten Anwendungen ausreichend füttern zu können“, so Marcel Kluckow.

Smart ist smarter als Energie- und Raumnutzungseffizienz

Keine Frage, die Digitalisierung bietet gerade über die Raumnutzungs-Tools eine riesen Chance, Betriebskosten zu reduzieren, Renditen zu steigern und den eigenen CO2-Footprint zu verbessern, die unbedingt genutzt werden sollte. „Hinzu kommen so nachhaltige wie lohnenswerte Möglichkeiten wie beispielsweise Parkraum-Managementsysteme“, sagt Martin Hofmann, Head of Project Developments Services bei JLL. „So können Parkplätze mit einem intelligenten System mehrfach vermietet werden – tagsüber an Büronutzer und nachts an Bewohner der umliegenden Straßenzüge. Das schafft nicht nur Abhilfe in Sachen Parkraumnot, sondern erhöht auch die Rendite.“

Aber auch kleinere Unternehmen ohne Kapazitäten für solche Anwendungen profitieren vom Smartwerden – und zwar weit über das reine Energie- und Kostensparthema hinaus. „Wo Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse smart gestaltet werden, fühlt sich auch der Mitarbeiter selbst wohler und wertgeschätzt. Oft sorgt auch die sichtbare ‚Liebe zum Detail‘ für ein gutes Gefühl und noch ein wenig mehr Identifikation mit dem jeweiligen Arbeitgeber“, sagt Samia Tömen. „Doch auch hier muss jeder Schritt durchdacht sein und im Idealfall vom Mitarbeiter selbst ausgehen, d.h. er sollte zunächst befragt werden. Wo siehst du Zeitfresser in deinem Arbeitsalltag? Wie gut funktioniert Kollaboration? Wo unterstützt euch das Büro bei kollaborativen Tätigkeiten? Wo nicht? Wieviel Prozent deiner Arbeitszeit verbringst du mit vorbereiten, abtippen, ablegen, sortieren, suchen? Um dann zu sehen, wie man das, wo es hakt, effizienter gestalten kann.“ Die Technologien dazu gibt es in der Regel bereits.

Das Smart Office ist dennoch nicht bei uns angekommen

Die Vorteile sind groß und vielfältig. „Dennoch gibt es bisher nur vereinzelt wirkliche Smart Buildings und Offices“, sagt Martin Hofmann. „Beim Neubau ist zwar der vermehrte Einsatz von seriell vorgefertigten Modulen zu beobachten, es bräuchte aber weiterhin eine noch stärkere Verzahnung von Bau- und Haustechnik. Und im Bestand ist die Nachrüstung – da eine Vielzahl zusätzlicher Sensoren, Software und Apps notwendig wird – Investoren wie Nutzern meist zu kostenintensiv. Darüber hinaus existiert die ‚Angst‘, dass die verbaute Technik schnell wieder überholt sein wird.“ Ein klarer Trend zur Digitalisierung bildet sich also trotz Vorhandensein der Möglichkeiten bisher noch nicht heraus. „Die Frage ist ja auch immer, wer zahlt für die ganzen zusätzlichen Investitionen“, ergänzt Hofmann.

Doch die Zukunft sieht spannend aus – verpassen sollten wir sie nicht

Und da wird einmal mehr deutlich, dass man nicht in alles investieren muss und sollte. Sondern nur in das, was zu einem passt. Aber auch, wenn man sich heute gegen etwas entscheidet, sollte man als Unternehmen immer die Trends und neuesten Entwicklungen im Smart Office Bereich im Blick behalten – genauso wie als Entwickler und Investor. „Interessante Entwicklungen sind quasi ständig im Gange“, sagt Marcel Kluckow. „Das Ende 2019 fertig gestellte Entwicklungszentrum von Intel in Israel ist mit Fahrstühlen ausgestattet, die lernen, in welchem Stockwerk sie zu welcher Zeit stehen sollen. Auch thyssenkrupp entwickelt smarte Fahrstühle und setzt hierfür über eine Software einen digitalen Zwilling des Testgebäudes ein, um Daten zu sammeln und zu analysieren. Dieser Ansatz ist insofern bahnbrechend, da hierbei Daten bereits in der Projektphase – vor Fertigstellung und Inbetriebnahme – gesammelt werden können.“

Auch im Bereich Datenauswertung und Nutzungseffizienz sowie Smart Apps zur Arbeitsplatz- und Raumbuchung und der Verwaltung des Terminkalenders werde sich noch viel tun in den kommenden Jahren.

„Was bisher allerdings noch in den Kinderschuhen steckt, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Meetings und für die alltägliche Arbeit. Hier versteckt sich noch viel ungenutztes Potenzial – z.B. das eines digitalen Assistenten, der kontinuierlich Feedback gibt, Verbesserungen vorschlägt und alternative Ansätze aufzeigt. Das stärkt die Innovationsraft – und zwar aus der Verbindung von Menschen, vernetzter Technologie und künstlicher Intelligenz.“