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Technologie ist der Schlüsselfaktor für eine neue Arbeitswelt

Corona hat viele Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand gestellt. Und jetzt alles wieder zurück zum Alten? Für viele Beschäftigte schwer vorstellbar. Die Digitalisierung kann die Transformation erleichtern.

17. Juni 2021

In vielen Staaten bereitet man sich schrittweise auf das Ende der Corona-Einschränkungen vor. Damit müssen sich auch Unternehmen als Immobiliennutzer damit auseinandersetzen, wie es nach der Pandemie weitergehen soll in Sachen neue Arbeitswelt, Homeoffice und Remote Working. Unternehmenslenker und Beschäftigte sind auf der Suche nach der richtigen Balance für die Zukunft. Und Technologie wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.

„Wir befinden uns mitten im Paradigmenwechsel von ‚Workplace Centric' zu ‚Workforce Centric'  – heißt also, die Arbeitsplatzstrategie wird sich viel mehr nach den Bedürfnissen der Beschäftigten ausrichten“, davon ist Martina Williams, JLL Head of Corporate Solutions DACH und CEE, überzeugt. „Das schließt die Aspekte Gesundheit und Wohlbefinden ein, geht aber weit darüber hinaus: Arbeitsumgebung und Arbeitsplatzstrategie müssen Beschäftigte darin unterstützen, ihre Talente und ihr Potenzial vollständig auszuschöpfen. Technologie kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu, gemeinsam mit einem neuen Denken auf der Ebene der Geschäftsführung.“

Doch was erwarten Beschäftigte eigentlich künftig von ihrem Arbeitgeber? Dazu hat JLL Ende 2020 und im März 2021 jeweils mehr als 3.000 Büroangestellte in zehn Ländern über Branchengrenzen hinweg befragt, zehn Prozent von ihnen in Deutschland. Wie haben sie das Arbeiten während der Pandemie erlebt, wie sehen ihre künftigen Präferenzen aus? Das Ergebnis dieser Umfrage zeigt globale Trends ebenso wie kulturelle Unterschiede.

Hybrid wird das neue Arbeitsmodell

Entweder Büro oder Homeoffice, das ist nicht die Frage, die über die Zukunft der Bürolandschaft bestimmt. Stattdessen zeichnet sich eine Mischung ab, ein hybrides Modell. Der Anteil ortsunabhängiger Arbeit - dazu zählen neben dem Heimarbeitsplatz auch so genannte Third-Places wie Cafés, Coworking Spaces oder Hotels - wird von durchschnittlich ein bis zwei Tagen auf 2,1 Tage wöchentlich steigen, 1,5 Tage davon im Homeoffice.

Global betrachtet sind die Unterschiede allerdings erheblich. Während Bürobeschäftigte in Kanada, Großbritannien, Indien, Singapur und Australien mehr als 1,8 Tage in den eigenen vier Wänden verbringen möchten, sind dies in China nur 1,5, in Japan sogar nur 0,9 Tage. „Deutschland liegt mit 1,5 Tagen im globalen Schnitt . Im Vergleich mit Frankreich und Großbritannien äußern sich deutsche Beschäftigte beim Thema Homeoffice auch deutlich skeptischer: 45 Prozent sagen, sie möchten weniger als zwei Tage je Woche dort arbeiten“, fasst JLL Germany Head of Research, Helge Scheunemann, die Ergebnisse für Deutschland zusammen. Mehr als 30 Prozent lehnten das Homeoffice sogar rundherum ab. Auch das Arbeiten an „Third Places“ werde aktuell noch ziemlich skeptisch gesehen. Die Gründe seien vielfältig und sind nicht immer auf Arbeitgeberseite zu finden. 

Homeoffice ist nicht die Antwort für alle Lebens- und Arbeitsstile

Fast drei Viertel der Befragten möchten also auch weiterhin zum Arbeiten ins Büro kommen. Bei aller Diskussion um Remote Working oder Homeoffice, das Büro als zentraler Ort der Arbeit und des Austauschs wird bestehen bleiben. Aber es wird anders aussehen. „Fast die Hälfte aller Befragten messen Gemeinschafts- und Sozialflächen im Büro für die Zeit nach der Pandemie eine zentrale Bedeutung zu“, erklärt Scheunemann. Damit sind Räume gemeint, die den Trend zu einer stärkeren Vermischung aus Arbeit und Freizeit dokumentieren, also z.B. Tee-/Kaffee-Ecken, Terrassen oder Lounges. Daneben zählen zu den Top 5-Wunschflächen:

  • Räume für konzentriertes Arbeiten und Rückzugsorte (Telefonboxen, kleine Besprechungsräume)
  • naturverbundene Orte (Grünflächen vor dem Büro, Pflanzen, Gemüsegärten)
  • Lern- und Entwicklungsräume (High Tech-Räume, Bibliothek)
  • Kreativräume (Brainstorming- oder Design Thinking-Räume, Innovationslabors)

In Deutschland ist der Wunsch nach Sozial- und Gemeinschaftsflächen besonders ausgeprägt, der Bedarf für konzentriertes Arbeiten tritt dahinter deutlich zurück. Wahrscheinlich auch, da dies hierzulande mehr als in anderen Ländern noch über Einzel- und Zellenbüros ermöglicht wird.

Digitalisierung ist endlich im Bewusstsein angekommen

Bei allen anstehenden Transformationsprozessen in unseren Büros wird die Technologie über den Erfolg entscheiden. Auch das ist eine Erkenntnis der Pandemie: Wo vorher digitale Arbeitskultur lange Jahre oft eine reine Absichtserklärung geblieben war, wurde über Nacht plötzlich die Kollaboration im virtuellen Raum möglich – und nötig, wollte man unter den Corona-Einschränkungen überhaupt den Betrieb fortführen.

Aber die Digitalisierung der Bürowelt ist viel mehr als die Notlösung für den Pandemiefall. Sie kann die Workplace-Erfahrung auf eine völlig neue Stufe heben. „Entscheidend für den Nutzen technologischer Lösungen für den Arbeitsplatz ist der tatsächliche Mehrwert. Es geht nicht darum, als Selbstzweck ein möglichstes digitales Büroumfeld einzurichten. Die Technik ist keine Spielerei, um auf irgendeinen Trend aufzuspringen. Sie muss vielmehr den Anforderungen der Menschen und des Geschäfts folgen“, erklärt Tariq Hussain, EMEA Regional Technology Director bei JLL Technologies.

Remote Working hat vor allem die Zusammenarbeit über Distanzen vorangetrieben, hier ist sicher noch lange nicht das Ende der digitalen Möglichkeiten erreicht. Ein entscheidender Schritt wird die Integration der verschiedenen Systeme mit den Büro-Standardanwendungen in den jeweiligen Unternehmen sein. Aber auch in den Büroräumen selbst steht die Technologie in den Startlöchern. Ein Anwendungsgebiet, das durch die Flexibilisierung von Arbeitsorten und -zeiten einen besonderen Schub erhalten dürfte, ist das Nutzungsmanagement der Flächen. Welche Arbeitsplätze werden zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt, wie dicht sind die Büroräume belegt, wie leicht können Schreibtische oder Besprechungsräume gebucht werden?

Nur mit Transparenz gelingen Transformationsprozesse

All das wird über den Komfort für die Beschäftigten entscheiden. „Dieser Wellbeing-Faktor liegt ganz im Interesse der Arbeitsgeber, denn die Bindung an das Unternehmen wird damit ebenso positiv beeinflusst wie die Produktivität“, erklärt Marco Huber, JLL Lead Workplace Strategy DACH. In Zukunft könnten die Nutzungsdaten sogar in Echtzeit erfasst und interpretiert werden, auch in Bezug auf Energieverbrauch und weiterer Ressourcenauslastung – zum Beispiel mit dem Ziel, das Arbeitsumfeld im Sinne der Beschäftigten und unter Nachhaltigkeitsaspekten zu optimieren.

Eine solche Auswertung ist allerdings auch geeignet, Ängste bezüglich des Datenschutzes zu wecken. „Hier ist ganz zentral, die Menschen von Anfang an mitzunehmen. Management und Betriebsrat sollten bereits zu Beginn solcher Projekte ganz offen den Austausch suchen, gemeinsam mit den Beschäftigten kommunizieren und Bedenken ernst nehmen. Transparenz ist absolut erforderlich, um technologische Transformationsprozesse in den Unternehmen voranzutreiben“, so Hussain.

Und das gilt nicht ausschließlich für den technischen Bereich. Neue Flächenkonzepte entfalten ihre volle Wirkung ebenso nur, wenn die Belegschaft in die entsprechenden Veränderungen eingebunden wird, davon ist Julian Hecker, JLL Director Workplace Strategy, überzeugt. Und wenn sie darauf vertrauen kann, dass die räumliche Transformation einer neuen Arbeitskultur folgt: „Derzeit konzentriert sich die Diskussion sehr darauf, wo die Menschen in Zukunft arbeiten werden. Aber es wird nicht sehr viel über das Wie gesprochen. Doch mit mehr Selbstbestimmung beim Arbeitsort könnten die Erwartungen an neue Arbeitsmodelle wachsen. Raus aus den Silos, rein in die Netzwerkorganisation. Teams organisieren sich neu, gegebenenfalls sogar ohne Führungskräfte, und bilden damit neue Communities, örtlich wie strukturell.“ 

Helge Scheunemann

Head of Research Germany

Martina Williams

Head of Work Dynamics Northern Europe