Wearables: Tragbare digitale Assistenten erobern die Arbeitswelt
Unternehmen achten vermehrt auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, körperlich wie psychisch. Wearable Technology, also Geräte, die vom Einzelnen am Körper getragen werden, könnten dabei Unterstützung leisten. Und auch die Rückkehr in die Büros nach Corona erleichtern.
Im Privatleben setzen schon jetzt viele Beschäftigte zum Beispiel auf Smartwatches und Fitnessarmbänder, die Herzfrequenz und zurückgelegte Schritte aufzeichnen, um ihre Trainingsfortschritte zu messen. Während der Pandemie sind in vielen Unternehmen Geräte populär geworden, die bei der Einhaltung von Abstandsregeln helfen. Bluetooth-fähige Anstecker oder Firmen-Apps für das Mobiltelefon signalisieren, falls sich Kollegen zu nahe kommen. Und beim Bergbaugiganten Anglo American zum Beispiel blinken die Sicherheitsausweise rot, wenn Mitarbeiter weniger als anderthalb Meter voneinander entfernt stehen.
Grundsätzlich gehen die Möglichkeiten für Wearables noch deutlich weiter, seien es smarte Pflaster, die Gesundheitsindikatoren wie Herzfrequenz, Blutdruck und Körperhaltung messen, oder Smarte Brillen, die in Lagerhallen und auf Baustellen im Sichtfeld der Beschäftigten Informationen einblenden und Arbeiten damit sicherer machen. Dem Arbeitsschutz könnten ebenfalls intelligente Helme und Ganzkörperanzüge dienen, die Vitaldaten über den körperlichen Zustand der Arbeiter aufzeichnen.
„Die Einsatzmöglichkeiten für Wearable Technology am Arbeitsplatz sind gewaltig, bleiben aber immer ein Thema, das sehr viel Sensibilität voraussetzt“, erklärt Tariq Hussain, Regional Technology Director – Continental Europe bei JLL. „In Deutschland ist Datenschutz ein hohes Gut und das aus gutem Grund. Der gläserne Beschäftigte muss auf jeden Fall vermieden werden, andernfalls wird man mit Wearables nur Ablehnung erzeugen, ganz zu schweigen von den rechtlichen Hürden. Freiwilligkeit, Transparenz, Anonymisierung – die Überwachung von gesundheitlichen Daten darf für Beschäftigte auf keinen Fall zu ihrem Nachteil geschehen.“
Welche Maßnahmen sinnvoll umzusetzen sind, hängt zudem vom Einsatzbereich ab. „Während beispielsweise die Überwachung von Vitalfunktionen im Büroumfeld sicher berechtigte Ablehnung hervorrufen würde, erschiene sie den Mitarbeitern in gefährdeten Arbeitsbereichen wie bei Hitzearbeit oder schwerer körperlicher Tätigkeit eher als sinnvolle Ergänzung der Arbeitssicherheit", ergänzt Marco Huber, JLL Lead Workplace Strategy DACH.
Wearable-Markt wächst rasant
Der globale Markt für Wearables wird laut Grand View Research derzeit auf rund 37 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll bis 2022 eine Milliarde vernetzter Wearables erreichen. Die Pandemie könnte die Nachfrage weiter antreiben, denn im Rahmen von Remote-Working lässt sich für Unternehmen auch dank Wearables besser verstehen, wie sich das Wohlbefinden der Mitarbeiter individuell entwickelt.
Das Moodbeam-Armband beispielsweise ermöglicht die Übermittlung von positiven oder negativen emotionalen Verfassungen durch Mitarbeiter. Vorgesetzte erhalten darüber Überblick per Dashboard und können entsprechend reagieren. Das Unternehmen ART Health dagegen setzt auf eine Kombination aus Online-Mitarbeiterbefragung, kognitiven Leistungstests, Daten von Arbeitsplatzsensoren und Wearables.
„Solche Systeme ermöglichen Vorgesetzten aus der Ferne, ihren Fürsorgepflichten nachzukommen. Entscheidend ist aber auf jeden Fall, dass solche Anwendungen nicht zu einer persönlichen Pflicht-Überwachung führen, sondern auf Freiwilligkeit beruhen. Andernfalls werden sich Beschäftigte verweigern, ganz abgesehen von den rechtlichen Einschränkungen zumindest im deutschsprachigen Raum. Es gilt also, Beschäftigte vom Nutzen für die eigene Person zu überzeugen“, rät Huber.
Wearable-Einsatz in Logistik und Produktion
Die Möglichkeiten von Wearables gehen weit über den Wellbeing-Faktor in der Büroarbeit hinaus. In der Logistik, der Produktion oder auch auf Baustellen können sie wichtige Informationen und Anleitungen bieten, etwa im Lagerbetrieb oder in der Maschinenbedienung. Allerdings ist dort die digitale Infrastruktur häufig weit entfernt von den Standards, die es heute bereits im Büroumfeld gibt.
Gerade in der Produktion sind die kleinen Wearables, wie wir sie heute kennen, vielleicht erst der Anfang. Smarte Exoskelette etwa könnten die Kraft und Mobilität der Beschäftigten verbessern und bei schwerer körperlicher Arbeit für besseren Gesundheitsschutz sorgen – ein Aspekt, der in einer Zukunft immer älterer Belegschaften an Relevanz gewinnt. Umfassende digitale Arbeitsbiotope werden zusammen mit Wearables zudem eine intensive Zusammenarbeit von Mensch und Künstlicher Intelligenz ermöglichen.
Längst erobern allerdings kleinere Anwendungen die Arbeitswelt. Smartwatches und Smartphones als Zugangskarte zu intelligenten Gebäuden und als Buchungstools am Hot Desk. Oder als Steuerungsgerät für Temperatur- und Beleuchtung. Die Entwicklung immer kleinerer, unauffälligerer Geräte dürfte die Akzeptanz und damit den Einsatz von Wearables im beruflichen Umfeld weiter vorantreiben. „Je selbstverständlicher Wearables in den Arbeitsalltag integriert werden, um so mehr werden sie auch akzeptiert – und eröffnen weitere Möglichkeiten. Ein echter tragbarer digitaler Assistent, der beispielsweise Meetings koordiniert und dabei hilft, den Arbeitsalltag besser zu strukturieren, könnte sich schon in einigen Jahren in zahlreichen Unternehmen etablieren“, sagt Huber voraus.
Idealerweise sind Wearables Teil eines persönlichen Assistenten oder eines Experience Interface, dass in ein Konzept vernetzter Arbeit integriert ist. Technikverliebheit allein sollte dabei nicht die Motivation für Unternehmen sein. Wie für Digitalisierungslösungen gilt auch für die tragbaren Helfer: Ein echter Mehrwert für Unternehmen oder Beschäftigte sollte im Mittelpunkt stehen.