Wie Netzwerke in der Immobilienbranche die Gleichstellung voranbringen
Die Immobilienbranche ist traditionell männerdominiert, das macht sich vor allem in Führungspositionen bemerkbar. Aber dennoch, Stück für Stück gibt es hier Fortschritte.
Und diese Fortschritte verdankt die Branche vor allem engagierten Frauen, die sich in den unterschiedlichsten Organisationen für mehr Diversität stark machen. Aber es gibt noch viel zu tun: So lag der Frauenanteil in den ersten beiden Führungsebenen der Immobilienbranche 2016 gerade einmal bei 15 Prozent, laut Angabe des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. Zwei der zahlreichen Frauen, die voranschreiten, um die Arbeitswelt vielfältiger zu machen, arbeiten bei JLL: Martina Williams, JLL Head of Corporate Solutions DACH & CEE, und Julia Schreiter, Team Leader Office Leasing Nürnberg.
Was hat euch zu einer Karriere in der Immobilienbranche bewegt, wie seid ihr in die Branche gekommen?
Martina: Während meines Studiums ergab sich die Chance, in der Immobilienabteilung eines internationalen IT-Unternehmens zu arbeiten, das bereits im Jahr 2000 neue Arbeitsplatzkonzepte international umgesetzt hat. Hieraus wurde schnell eine Leidenschaft: Die Chance, durch Corporate Real Estate die gesamte Mitarbeiterschaft durch die Gestaltung der Arbeitsplätze, der Lage und Qualität der Immobilien positiv zu beeinflussen und zugleich Ressourcen für das Unternehmen optimal wirtschaftlich einzusetzen. Ferner war auch schon damals mein ökologisches Bewusstsein stark ausgeprägt. Je effizienter Immobilien bewirtschaftet werden, umso geringer der Carbon-Footprint. Die Möglichkeit, beides im großen Stil zu beeinflussen durch das CREM bei internationalen Unternehmen reizt mich bis heute sehr.
Julia: Ich bin als Quereinsteigerin in die Immobilienbranche gekommen. Aber aus meiner vorigen Tätigkeit konnte ich viel mitbringen, zum Beispiel meine Serviceorientierung und natürlich mein ökonomisches Know-how. Mittlerweile arbeite ich mit Herzblut im Vertrieb und liebe die Immobilienbranche.
Wenn ihr an eure Anfangstage in der Immobilienwirtschaft zurückdenkt, was hat sich in der Branche und in den Karriereoptionen für Frauen seither verändert?
Julia: Als ich anfing, war die Kultur noch sehr geprägt von einer männlichen Besetzung, die klassischen Anzugsträger. Das hat sich mittlerweile sehr verändert, auch was die Karriereoptionen für Frauen angeht. Mittlerweile wünscht sich fast jedes Unternehmen weibliche Führungskräfte, hier hat also wirklich „Change“ stattgefunden.
Martina: In der Vergangenheit gab es Kolleginnen häufig nur in Assistenzrollen oder im eher gestalterischen Bereich, Männer dagegen besetzten vorwiegend technisch oder wirtschaftlich geprägte Positionen. Damals gab es noch wesentlich weniger das Bewusstsein dafür, dass Frauen ja etwa die Hälfte der verfügbaren Arbeitskräfte ausmachen – und hier viel, viel Potenzial für Unternehmen außer Acht gelassen wurde. Das hat sich mittlerweile deutlich gewandelt, etwa auch durch Mentorenprogramme. Oft merke ich aber, dass sich auch heute noch manche Frauen nicht genug selbst zutrauen, trotz ihrer Qualifikation. Daher mein Aufruf: Traut euch, seid vielseitig interessiert, und tut das, wofür Ihr brennt. Das kann ungeahnte Türen aufstoßen.
Martina, du bist aktiv im JLL EMEA Women Business Network. Was ist die Zielsetzung dieses Netzwerks und was ist deine Aufgabe dort?
Martina: Dieses in diesem Monat neu gegründete unternehmensinterne Netzwerk soll über alle Businessbereiche und Hierarchieebenen hinweg die Position von Frauen stärken und für mehr Vielfalt in unserem Business und unserer Führung sorgen. Es ist eine offene Gemeinschaft, in der selbstverständlich auch Männer willkommen – und auch schon aktiv – sind.
Zu den Aktivitäten gehören beispielsweise Speaker Events und andere Netzwerkveranstaltungen, aber auch gemeinnützige Arbeit. Ich freue mich sehr darüber, dies als Executive Sponsor zu begleiten und das Projekt mit den Kolleg*Innen in EMEA zu gestalten und in einer koordinierenden Rolle für die EMEA-Region voranzutreiben. Hierzu haben wir schon Teilnehmer von Stockholm bis Kapstadt, von Madrid bis Moskau.
Ich finde, wenn es gelingt, dass es nur eine Frau wagt, den nächsten Schritt zu gehen, dann hat das Netzwerk bereits einen Erfolg erzielt. Derzeit haben wir Vertreter aus allen Ländern, wo JLL aktiv ist, von Schweden bis Südafrika – von Spanien bis Russland und sind ferner mit unseren Chaptern in den USA und in der APAC-Region vernetzt.
Julia, du engagierst dich seit vielen Jahren im Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft, der kürzlich seinen 20. Jahrestag gefeiert hat. Was hat dieses Netzwerk in den vergangenen zwei Jahrzehnten erreicht?
Julia: Nun, richtig feiern konnten wir in der jetzigen Pandemie-Situation ja leider nicht. Das zwanzigjährige Bestehen sollte unter dem Motto „Klug.Stark.Vernetzt.“ im November 2020 am Gründungsort in Frankfurt am Main gewürdigt werden. Aber das werden wir hoffentlich zum Jahresende nachholen. Und zu Feiern haben wir: In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir erfolgreich daran gearbeitet, Frauen in der Immobilienwirtschaft sichtbar und hörbar zu machen. Mittlerweile ist unser Verein auf über 1.000 Mitglieder gewachsen, die an dreizehn zentralen Standorten in Deutschland unsere Vision voranbringen.
Was bringen Frauen vor allem in die Branche ein und gibt es so etwas wie weibliche Führung – und falls ja, was zeichnet sie aus?
Martina: Wichtig ist, erst einmal zu sagen, dass es schwierig ist, von den Frauen oder auch den Männern zu sprechen, denn schließlich sind wir alle Individuen. Mit dieser Einschränkung voran: Die Immobilienbranche ist vorwiegend wirtschaftlich oder technisch geprägt, was einmal traditionell männlich dominierte Felder waren. Gerade hier können wir alle (Frauen und Männer) neue Blickwinkel und zusätzliche Kreativität einbringen, die sich generell aus einer vielfältigeren Belegschaft ergeben. Ein solches Umfeld ist entsprechend risikoärmer und wettbewerbsfähiger, bringt auch mehr Freude an der Arbeit für alle Beteiligten. Was den Führungsstil angeht, sind Frauen stark beim Thema Vernetzung, mir selbst ist sehr wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen bei Entscheidungen.
Voraussetzung dafür ist, Verständnis und Empathie mitzubringen und nicht ausschließlich mit Zahlen, Daten, Faken zu argumentieren. Und ganz wichtig: Frauen sollten nicht versuchen, einfach nur männliche Führungskräfte zu kopieren. Das war einer meiner ersten Eindrücke im Beruf – Frauen in zweiter Reihe, die sich schon optisch an ihre männlichen Vorgesetzten anglichen. Da habe ich mich schon früh dagegen entschieden und meine Individualität zum Ausdruck gebracht. Wenn mehr Frauen in Führungspositionen kommen, nützt das übrigens nicht nur ihnen selbst, sondern kann positive Veränderungen für die gesamte Gesellschaft anstoßen. Ein Beispiel: Heute ist fast schon normal, dass auch Väter Elternzeit nehmen und generell der Familie bzw. ihrem Sozialleben höhere Priorität beimessen.
Julia: Frauen besitzen vor allem die Fähigkeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen – weiterhin gelten sie in Führungspositionen als organisiert, diplomatisch und kommunikationsfähig, was sich sehr positiv auf die Zufriedenheit von Kunden oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt.